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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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feierlichen Erklärung: Glauben Sie mir, us kaltes pas 6es livess, kaltes 6hö
enkans. -- Meiner Treu, antwortete sie lachend, bewahren Sie den Rath für
sich selbst, wenn er ihnen gut scheint.----Ihre Freunde haben die Antwort
nachher so gegeben: Machen Sie selbst welche, wenn Sie können; aber
G. Sand versichert, ni si mvcdmitL,-ni si spirituelle gewesen zu sein, et'au-
tant plus que sa petite könne avriit I'air Z'um unAg 6e euncleur. Einen
bessern Eingang fand sie bei Balzac, mit dem .sie von der frühesten Zeit an in
sehr-guten Verhältnissen stand und der aus ihre Art lind Weise einen nicht un¬
wichtigen Einfluß ausgeübt hat. Uebrigens versichert sie, sich nie als die Hel¬
din eines ihrer Romane betrachtet zu haben; was von idealen Träumen in
ihr war, wollte sie in einem Gedicht: Corambe, niederlegen, das aber nie ge¬
schrieben wurde. Corambe war der phantastische Name für einen persönlichen
Gott, der ihrem Herzen Genüge thun sollte. Spiridion und Ähnliche phan¬
tastische Geschichten sollten Fragmente daraus sein; eher möchten wir in dem¬
selben den Eindruck der balzacschen Analyse finden.

"Jndiana" und "Valentine" machten ein großes Aufsehen, die Dichterin
wurde von der Revue des deur mondes engagirt und schrieb in den nächsten
Jahren ihre sämmtlichen Novellen für diese Sammlung. Die jungen Kritiker
dieser Revue, Gustav Planche und Se. Beuve, wurden ihre intimen Freunde
und blieben ihr auch später durch alle Wechselfälle treu. Sie hat es nament¬
lich dem ersten in diesen Denkwürdigkeiten sehr schlecht vergolten. Während des
genaueren Umgangs mit diesen beiden schrieb sie die "Lelia," ein Buch, welches
sehr bald in den Ruf der schrecklichsten Jmmoralität kam und der Dichterin die
ärgsten Verdächtigungen zuzog. Wir finden es mehr abgeschmackt, als un¬
moralisch. Sie selbst hatte ein ziemlich lebhaftes Gefühl von ihrer Sittlichkeit
und erzählt selbst, daß sie einmal Balzac, der ihr seine lucentes clrolcttiMes vor¬
las, wegen seiner Uustttlichkeit tadelte, worauf er sie als Prüde behandelte und
ihr noch von der Treppe aus zurief: Vous n'etes qu'une böte.

Nach dem Erscheinen der Lelia machte sie eine Reise nach Venedig. Aus
der Reise lernte sie Beyle kennen; in Venedig stand sie in intimen Verhältniß
zu Alfred de Mussel, der dort in eine schwere Krankheit gefallen war. Die
Romane Andre, Jacques und Mattea sind in Venedig geschrieben, und die
teures et'un ve^iigeur schildern ihre damaligen Stimmungen und Zustände.
Seit diesem Aufenthalt gewinnen ihre Romane jene lebendige Farbe, die ihnen
einen so eigenthümlichen Reiz gab. Im August 1834 kehrte sie nach Paris
zurück, von da nach Nvhant. Seit dieser Zeit scheinen ihre Beziehungen zu
ihrem Mann einen etwas unangenehmern Charakter angenommen zu haben,
obgleich er noch nach Venedig sehr freundlich an sie geschrieben hatte. In
Paris wurde jetzt ihr Hauplumgang Madame Dorpat, die berühmte Schau-
lpielerin, die 1869 starb und von der sie in diesen Denkwürdigkeiten ein sehr


feierlichen Erklärung: Glauben Sie mir, us kaltes pas 6es livess, kaltes 6hö
enkans. — Meiner Treu, antwortete sie lachend, bewahren Sie den Rath für
sich selbst, wenn er ihnen gut scheint.----Ihre Freunde haben die Antwort
nachher so gegeben: Machen Sie selbst welche, wenn Sie können; aber
G. Sand versichert, ni si mvcdmitL,-ni si spirituelle gewesen zu sein, et'au-
tant plus que sa petite könne avriit I'air Z'um unAg 6e euncleur. Einen
bessern Eingang fand sie bei Balzac, mit dem .sie von der frühesten Zeit an in
sehr-guten Verhältnissen stand und der aus ihre Art lind Weise einen nicht un¬
wichtigen Einfluß ausgeübt hat. Uebrigens versichert sie, sich nie als die Hel¬
din eines ihrer Romane betrachtet zu haben; was von idealen Träumen in
ihr war, wollte sie in einem Gedicht: Corambe, niederlegen, das aber nie ge¬
schrieben wurde. Corambe war der phantastische Name für einen persönlichen
Gott, der ihrem Herzen Genüge thun sollte. Spiridion und Ähnliche phan¬
tastische Geschichten sollten Fragmente daraus sein; eher möchten wir in dem¬
selben den Eindruck der balzacschen Analyse finden.

„Jndiana" und „Valentine" machten ein großes Aufsehen, die Dichterin
wurde von der Revue des deur mondes engagirt und schrieb in den nächsten
Jahren ihre sämmtlichen Novellen für diese Sammlung. Die jungen Kritiker
dieser Revue, Gustav Planche und Se. Beuve, wurden ihre intimen Freunde
und blieben ihr auch später durch alle Wechselfälle treu. Sie hat es nament¬
lich dem ersten in diesen Denkwürdigkeiten sehr schlecht vergolten. Während des
genaueren Umgangs mit diesen beiden schrieb sie die „Lelia," ein Buch, welches
sehr bald in den Ruf der schrecklichsten Jmmoralität kam und der Dichterin die
ärgsten Verdächtigungen zuzog. Wir finden es mehr abgeschmackt, als un¬
moralisch. Sie selbst hatte ein ziemlich lebhaftes Gefühl von ihrer Sittlichkeit
und erzählt selbst, daß sie einmal Balzac, der ihr seine lucentes clrolcttiMes vor¬
las, wegen seiner Uustttlichkeit tadelte, worauf er sie als Prüde behandelte und
ihr noch von der Treppe aus zurief: Vous n'etes qu'une böte.

Nach dem Erscheinen der Lelia machte sie eine Reise nach Venedig. Aus
der Reise lernte sie Beyle kennen; in Venedig stand sie in intimen Verhältniß
zu Alfred de Mussel, der dort in eine schwere Krankheit gefallen war. Die
Romane Andre, Jacques und Mattea sind in Venedig geschrieben, und die
teures et'un ve^iigeur schildern ihre damaligen Stimmungen und Zustände.
Seit diesem Aufenthalt gewinnen ihre Romane jene lebendige Farbe, die ihnen
einen so eigenthümlichen Reiz gab. Im August 1834 kehrte sie nach Paris
zurück, von da nach Nvhant. Seit dieser Zeit scheinen ihre Beziehungen zu
ihrem Mann einen etwas unangenehmern Charakter angenommen zu haben,
obgleich er noch nach Venedig sehr freundlich an sie geschrieben hatte. In
Paris wurde jetzt ihr Hauplumgang Madame Dorpat, die berühmte Schau-
lpielerin, die 1869 starb und von der sie in diesen Denkwürdigkeiten ein sehr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/494>, abgerufen am 15.01.2025.