Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.fertig. Das kommt vom starken Glauben; denn wer an Bileams Esel, an "Alles, was man von hebräischer Nalionalpoesie und Nationalbildung Von den vier Büchern dieses Bandes demonstrirt das erste "die Gnaden¬ fertig. Das kommt vom starken Glauben; denn wer an Bileams Esel, an „Alles, was man von hebräischer Nalionalpoesie und Nationalbildung Von den vier Büchern dieses Bandes demonstrirt das erste „die Gnaden¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100877"/> <p xml:id="ID_1258" prev="#ID_1257"> fertig. Das kommt vom starken Glauben; denn wer an Bileams Esel, an<lb/> eine complete Teufelei, an das plötzliche Parliren in fremden Sprachen ohne<lb/> voraufgegangenen grammatikalischen Cursus und an ähnliche Raritäten glaubt,<lb/> für den sind allerdings Forschung und Erkenntniß überflüssig. Wem das<lb/> nicht möglich ist, den zählt Kliefath zur „modernen Weltanschauung", von der<lb/> er (nach S. 41 und anderswo) allerdings reizende Begriffe hat. So urtheilt<lb/> nur, wem es an der nöthigen Sachkenntniß gebricht. Es ist eine alte Ge¬<lb/> schichte, daß die Theologen die naseweisesten aller Menschenkinder sind. Sehr<lb/> natürlich. Denn sie lernen alles von oben herab, mit Hilfe geoffenbarter<lb/> Kategorien; sich liebevoll in geduldiger Betrachtung den einzelnen Erscheinungen<lb/> hinzugeben, das Walten unveräußerlicher Gesetze in Natur und Geschichte zu<lb/> verfolgen, ist ihnen zu unbequem. Wie weit man es aber auf dem Grunde<lb/> mangelhafter Kenntniß bei solcher dogmatischen Fortspinnung in der Ver¬<lb/> drehung aller geschichtlichen Entwicklung bringen kann, darüber vorläufig auch<lb/> noch ein lehrreiches Exempel, welches zugleich das unter den Frommen in die<lb/> Mode gekommene ästhetische Schwatzen veranschaulicht:</p><lb/> <p xml:id="ID_1259"> „Alles, was man von hebräischer Nalionalpoesie und Nationalbildung<lb/> und Nationalsitte geredet hat, beruht auf grundfalscher Auffassung; es fehlt<lb/> da möglichst an aller eignen Hervorbringung; alles, was das Volk hat, wird<lb/> ihm von oben gegeben, ja octroyirt, und seinem immer wieder auftauchenden<lb/> Widerstreben aufgenöthigt; und weit entfernt, daß man sagen könnte, das Heil<lb/> würde durch Israel fertig, kann man mit viel größerem Rechte sagen, daß es<lb/> trotz Israel fertig wird. Und das hat seinen guten Grund nicht etwa in der<lb/> Volksnatur Israels, daß dieselbe besouvers stumpf oder träge gewesen wäre,<lb/> sondern es ist so die Oekonomie dieses Aeon: Solange das Heil nicht fertig ist,<lb/> kann und soll es nicht heiligen, von innen heraus bilden, das Leben zu eigner<lb/> Production befruchten." (S. 37) Schrecklich! — Dazu S. 63: „Indische Mystik<lb/> und ägyptische Kunst, und hellenische Weisheit und römisches Recht werden in<lb/> ihrer Art immerdar unerreichbare Vorbilder bleiben. Aber weil darinnen der<lb/> göttliche Factor fehlt, fehlen auch Leben und Wahrheit; die hellenische Weis¬<lb/> heit ist nicht die Wahrheit, die heidnische Kunst ist weder keusch noch heilig,<lb/> das römische Recht ist nicht die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt; es ist alles<lb/> nur formelle Bildung ohne den Inhalt von oben, Schönheit ohne Wahrheit,<lb/> Herrlichkeit ohne Leben" (von nun an bis in Ewigkeit, Amen.).</p><lb/> <p xml:id="ID_1260" next="#ID_1261"> Von den vier Büchern dieses Bandes demonstrirt das erste „die Gnaden¬<lb/> mittel", als: Taufe, Abendmahl und Bibel. Hierbei fällt ihm dann auch die<lb/> Aufgabe zu, den unseligen Streitpunkt, die lutherische Abendmahlslehre mund¬<lb/> recht zu machen; auf diese Weise soll zum Stillstand kommen, was Jahr¬<lb/> hunderte lang den Zankapfel der Konfessionen gebildet hat. Bei der Dis¬<lb/> putation mit Zwingli schrieb Luther mit Kreide aus den Tisch: „Das ist mein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423]
fertig. Das kommt vom starken Glauben; denn wer an Bileams Esel, an
eine complete Teufelei, an das plötzliche Parliren in fremden Sprachen ohne
voraufgegangenen grammatikalischen Cursus und an ähnliche Raritäten glaubt,
für den sind allerdings Forschung und Erkenntniß überflüssig. Wem das
nicht möglich ist, den zählt Kliefath zur „modernen Weltanschauung", von der
er (nach S. 41 und anderswo) allerdings reizende Begriffe hat. So urtheilt
nur, wem es an der nöthigen Sachkenntniß gebricht. Es ist eine alte Ge¬
schichte, daß die Theologen die naseweisesten aller Menschenkinder sind. Sehr
natürlich. Denn sie lernen alles von oben herab, mit Hilfe geoffenbarter
Kategorien; sich liebevoll in geduldiger Betrachtung den einzelnen Erscheinungen
hinzugeben, das Walten unveräußerlicher Gesetze in Natur und Geschichte zu
verfolgen, ist ihnen zu unbequem. Wie weit man es aber auf dem Grunde
mangelhafter Kenntniß bei solcher dogmatischen Fortspinnung in der Ver¬
drehung aller geschichtlichen Entwicklung bringen kann, darüber vorläufig auch
noch ein lehrreiches Exempel, welches zugleich das unter den Frommen in die
Mode gekommene ästhetische Schwatzen veranschaulicht:
„Alles, was man von hebräischer Nalionalpoesie und Nationalbildung
und Nationalsitte geredet hat, beruht auf grundfalscher Auffassung; es fehlt
da möglichst an aller eignen Hervorbringung; alles, was das Volk hat, wird
ihm von oben gegeben, ja octroyirt, und seinem immer wieder auftauchenden
Widerstreben aufgenöthigt; und weit entfernt, daß man sagen könnte, das Heil
würde durch Israel fertig, kann man mit viel größerem Rechte sagen, daß es
trotz Israel fertig wird. Und das hat seinen guten Grund nicht etwa in der
Volksnatur Israels, daß dieselbe besouvers stumpf oder träge gewesen wäre,
sondern es ist so die Oekonomie dieses Aeon: Solange das Heil nicht fertig ist,
kann und soll es nicht heiligen, von innen heraus bilden, das Leben zu eigner
Production befruchten." (S. 37) Schrecklich! — Dazu S. 63: „Indische Mystik
und ägyptische Kunst, und hellenische Weisheit und römisches Recht werden in
ihrer Art immerdar unerreichbare Vorbilder bleiben. Aber weil darinnen der
göttliche Factor fehlt, fehlen auch Leben und Wahrheit; die hellenische Weis¬
heit ist nicht die Wahrheit, die heidnische Kunst ist weder keusch noch heilig,
das römische Recht ist nicht die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt; es ist alles
nur formelle Bildung ohne den Inhalt von oben, Schönheit ohne Wahrheit,
Herrlichkeit ohne Leben" (von nun an bis in Ewigkeit, Amen.).
Von den vier Büchern dieses Bandes demonstrirt das erste „die Gnaden¬
mittel", als: Taufe, Abendmahl und Bibel. Hierbei fällt ihm dann auch die
Aufgabe zu, den unseligen Streitpunkt, die lutherische Abendmahlslehre mund¬
recht zu machen; auf diese Weise soll zum Stillstand kommen, was Jahr¬
hunderte lang den Zankapfel der Konfessionen gebildet hat. Bei der Dis¬
putation mit Zwingli schrieb Luther mit Kreide aus den Tisch: „Das ist mein
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