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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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wurde zuerst die Kostenberechnung verlesen und hierauf dem schadenleidenden
Gläubiger von den eingezahlten S00 Mark -- 14-1 wieder zurückgestellt. Nun
fand sich aber nach Berichtigung sämmtlicher Kosten und nach erfolgter Liqui¬
dation der eben erwähnten -ki-I Mark eine beträchtliche Summe als Ueberschuß
vor. Hardesvogt und Actuar zählten -- es ist wirklich, als ob man von
Schildbürgern erzählen hörte -- jeder für sich die in Abzug gebrachten Ge¬
bühren nach. Alles war richtig. "Mer mein Gott," rief der Actuar, "was
fangen wir mit dem übrigen Gelde an?"-- "Je nun," erwiderte mit heiterer
Würde der Hardesvogt, "es ist ja besser, daß wir einen Ueberschuß haben,
als wenn wir mit dem Gelde zu kurz gekommen wären. Ich denke, wir
theilen!"

Und siehe da, die Herren theilten wirklich. Der Hardesvogt bemächtigte
sich der einen Hälfte des Geldes, der Actuar der andern, und die Sitzung
wurde aufgehoben. Die bei allen gerichtlichen Handlungen in Schleswig an¬
wesenden Landleute tMS den Bauern gewählte Beisitzer), die sonst durch Still¬
schweigen ihre Zustimmung zu erkennen zu geben pflegen, schwiegen dies Mal
vor Erstaunen. Nachdem die Gerichtspersonen sich aber entfernt, vereinigten
sich jene mit dem, Hufner N. N., der Angelegenheit weiter aus den Grund zu
gehen. Man verlangte unverweilt eine Abschrift der Acten, die endlich nach
manchen Zwischenreden, als: "Man wüßte schon, mit wem man zu thun habe
-- Man kenne den N. N. als einen Deutschen -- Man werde sich seinen
Namen hinters Ohr schreiben" u. s. w. gewährt wurde. Nachdem die Acten
ausgeliefert und eingesehen worden waren, erklärte sich das Sachverhältniß
natürlich sofort. Der schwer benachtheiligte Hufner verband sich mit den fun-
girenden Landleuten, in kategorischer Weise die augenblickliche Wiedererstattung
der zuletzt gedachten überschüssigen Geldsumme zu fordern. Von Seiten deS
ActuarS erfolgte diese ohne Weigerung und mit der ausdrücklichen Entschuldi¬
gung, es sei ein Mißgriff sseschehen. Der Hardesvogt dagegen ließ seinen
Raub nicht fahren, und dieser blieb in seinen Händen, da der Beeinträchtigte
es nicht wagte , beim Appellationsgericht sich zu beschweren. Eine Zergliede¬
rung der ausschweifenden Kostenberechnung würde das Interesse der Geschichte
vielleicht noch erhöhen, mich aber zu weit führen, und so erlaube ich mir, sie
und die ganze hochlöbliche Hardesvogtei bis auf Weiteres zu verlassen und einem
andern Gebiete zuzueilen.

Die Gegend von Bock und Brarup zeichnet sich durch eine seltene Frucht¬
barkeit aus und ist zugleich nicht ohne eine gewisse ländliche Anmuth. Letztere
ist namentlich von den Strichen zu rühmen, welche die vielgckrümmte toller
An, der längste und wasserreichste Fluß Angelus, durchströmt. Dieses Gewässer
soll einst das hübsche kleine Thal, durch dessen Wiesen und Wäldchen es sich
schlängelt, fast bis zum Rande ausgefüllt haben und schiffbar gewesen sein,


Grenzboten. IV. -18os. 50

wurde zuerst die Kostenberechnung verlesen und hierauf dem schadenleidenden
Gläubiger von den eingezahlten S00 Mark — 14-1 wieder zurückgestellt. Nun
fand sich aber nach Berichtigung sämmtlicher Kosten und nach erfolgter Liqui¬
dation der eben erwähnten -ki-I Mark eine beträchtliche Summe als Ueberschuß
vor. Hardesvogt und Actuar zählten — es ist wirklich, als ob man von
Schildbürgern erzählen hörte — jeder für sich die in Abzug gebrachten Ge¬
bühren nach. Alles war richtig. „Mer mein Gott," rief der Actuar, „was
fangen wir mit dem übrigen Gelde an?"— „Je nun," erwiderte mit heiterer
Würde der Hardesvogt, „es ist ja besser, daß wir einen Ueberschuß haben,
als wenn wir mit dem Gelde zu kurz gekommen wären. Ich denke, wir
theilen!"

Und siehe da, die Herren theilten wirklich. Der Hardesvogt bemächtigte
sich der einen Hälfte des Geldes, der Actuar der andern, und die Sitzung
wurde aufgehoben. Die bei allen gerichtlichen Handlungen in Schleswig an¬
wesenden Landleute tMS den Bauern gewählte Beisitzer), die sonst durch Still¬
schweigen ihre Zustimmung zu erkennen zu geben pflegen, schwiegen dies Mal
vor Erstaunen. Nachdem die Gerichtspersonen sich aber entfernt, vereinigten
sich jene mit dem, Hufner N. N., der Angelegenheit weiter aus den Grund zu
gehen. Man verlangte unverweilt eine Abschrift der Acten, die endlich nach
manchen Zwischenreden, als: „Man wüßte schon, mit wem man zu thun habe
— Man kenne den N. N. als einen Deutschen — Man werde sich seinen
Namen hinters Ohr schreiben" u. s. w. gewährt wurde. Nachdem die Acten
ausgeliefert und eingesehen worden waren, erklärte sich das Sachverhältniß
natürlich sofort. Der schwer benachtheiligte Hufner verband sich mit den fun-
girenden Landleuten, in kategorischer Weise die augenblickliche Wiedererstattung
der zuletzt gedachten überschüssigen Geldsumme zu fordern. Von Seiten deS
ActuarS erfolgte diese ohne Weigerung und mit der ausdrücklichen Entschuldi¬
gung, es sei ein Mißgriff sseschehen. Der Hardesvogt dagegen ließ seinen
Raub nicht fahren, und dieser blieb in seinen Händen, da der Beeinträchtigte
es nicht wagte , beim Appellationsgericht sich zu beschweren. Eine Zergliede¬
rung der ausschweifenden Kostenberechnung würde das Interesse der Geschichte
vielleicht noch erhöhen, mich aber zu weit führen, und so erlaube ich mir, sie
und die ganze hochlöbliche Hardesvogtei bis auf Weiteres zu verlassen und einem
andern Gebiete zuzueilen.

Die Gegend von Bock und Brarup zeichnet sich durch eine seltene Frucht¬
barkeit aus und ist zugleich nicht ohne eine gewisse ländliche Anmuth. Letztere
ist namentlich von den Strichen zu rühmen, welche die vielgckrümmte toller
An, der längste und wasserreichste Fluß Angelus, durchströmt. Dieses Gewässer
soll einst das hübsche kleine Thal, durch dessen Wiesen und Wäldchen es sich
schlängelt, fast bis zum Rande ausgefüllt haben und schiffbar gewesen sein,


Grenzboten. IV. -18os. 50
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/401>, abgerufen am 03.10.2024.