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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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"in dem Zaren ein Offensiv- und Defensivbündniß vorzuschlagen. Alexander
sollte die Vereinigung Schwedens mil Norwegen garantiren und Schweden
ein Hilfscorps von 13,000 bis 23,000 Mann bewilligen, welches mit 33,000 '
bis j>0 000 Schweden in Seeland landen würde, um den König von Däne¬
mark entweder zur Aufgabe von Norwegen oder zum offenen Kriege zu nöthigen.
Würde er die erste Alternative annehmen, so sollte er mit dem von den Fran¬
zosen besetzten Elbgebiete in der Nähe seines Reiches entschädigt werden. Aleran-
der ging auf diese Bedingungen ein. Am 2i. Mär; 1812 wurde der betreffende
Vertrag zwischen Nußland und Schweden unterzeichnet. Er blieb jedoch ge¬
heim. Bis zum August 1812 hatte Napoleon nur unvollkommene Kenntniß
von demselben.

Napoleon eikannte endlich den Fehler/ welchen er durch die Vernachlässi¬
gung Schwedens begangen hatte. Er bot ihm Finnland mit seinen allen
Grenzen bis zu den Thoren Petersburgs, die Herausgabe von Schwedisch-
Pvmmern, Mecklenburg, Stettin und das Land zwischen Stettin und Wolgast
und 30 Millionen Franken; alles, wenn Bernadotte, während Napoleon selbst
den Riemen überschritt, mit 40,000 Mann in Nußland einfallen würde. "Man
lege, sagte Napoleon, dem König von Schweden die Landkarte vor. Er soll
selbst seine Grenze gegen Rußland bestimmen und man sage ihm, daß diese
Gelegenheit, Schweden in seinem alten Glänze auf den Trümmern seines natür¬
lichem Feindes wiederherzustellen, niemals wiederkomme" wird." Aber Berna¬
dotte glaubte nicht an die Anerbietungen Napoleons, "Liebt er mich mehr als
seine Brüder?" äußerte er. Er hat Louis entthront, weil er nicht sein gefü¬
giger Präfect sein wollte. Man frage Joseph und Jerome, was ihr König¬
thum bedeutet? Meine Ahnungen und Berechnungen sagen mir, daß Napoleon
seinem Untergang entgegengeht, weil sein System schließlich die Völker und die
Fürsten gegen ihn aufgebracht hat. Die Furcht hält' sie noch zurück; aber sie
trachten nur noch nach ihrer Befreiung." Er antwortece Napoleon: "Die
Abtretung Norwegens kraft eines feierlichen Vertrages ist der einzige Beweis,
welcher mich überzeugen kann, daß die mir angebotene Freundschaft des Kaisers
der Franzosen aufrichtig ist."

Fortan vermittelte Bernadotte den Frieden zwischen Rußland und der
Türkei, schloß mit England einen Subsidienvertrag, unterhielt Verbindungen
mit den Bourbons, mit den Aufständischen in Spanien und Portugal, mit
Moreau. Er machte daS schwedische Cabinet zum Mittelpunkt aller Intri¬
guen gegen Frankreich, zum Zufluchtsort sür alle Feinde Napoleons. Auf
dem Reichstage zu Oercbro im Mai 1812 befanden sich in der Umgebung des
frühern Sergeanten von Royal-Marine der Prinz von Oranien, die Russen
Pozzo ti Borgo', Czernitscheff und Suchtelen, die Engländer Lord Cathcart,
Admiral Bentinck und General Hope, die Oestreicher Grafen Wallmoden und


»in dem Zaren ein Offensiv- und Defensivbündniß vorzuschlagen. Alexander
sollte die Vereinigung Schwedens mil Norwegen garantiren und Schweden
ein Hilfscorps von 13,000 bis 23,000 Mann bewilligen, welches mit 33,000 '
bis j>0 000 Schweden in Seeland landen würde, um den König von Däne¬
mark entweder zur Aufgabe von Norwegen oder zum offenen Kriege zu nöthigen.
Würde er die erste Alternative annehmen, so sollte er mit dem von den Fran¬
zosen besetzten Elbgebiete in der Nähe seines Reiches entschädigt werden. Aleran-
der ging auf diese Bedingungen ein. Am 2i. Mär; 1812 wurde der betreffende
Vertrag zwischen Nußland und Schweden unterzeichnet. Er blieb jedoch ge¬
heim. Bis zum August 1812 hatte Napoleon nur unvollkommene Kenntniß
von demselben.

Napoleon eikannte endlich den Fehler/ welchen er durch die Vernachlässi¬
gung Schwedens begangen hatte. Er bot ihm Finnland mit seinen allen
Grenzen bis zu den Thoren Petersburgs, die Herausgabe von Schwedisch-
Pvmmern, Mecklenburg, Stettin und das Land zwischen Stettin und Wolgast
und 30 Millionen Franken; alles, wenn Bernadotte, während Napoleon selbst
den Riemen überschritt, mit 40,000 Mann in Nußland einfallen würde. „Man
lege, sagte Napoleon, dem König von Schweden die Landkarte vor. Er soll
selbst seine Grenze gegen Rußland bestimmen und man sage ihm, daß diese
Gelegenheit, Schweden in seinem alten Glänze auf den Trümmern seines natür¬
lichem Feindes wiederherzustellen, niemals wiederkomme» wird." Aber Berna¬
dotte glaubte nicht an die Anerbietungen Napoleons, „Liebt er mich mehr als
seine Brüder?" äußerte er. Er hat Louis entthront, weil er nicht sein gefü¬
giger Präfect sein wollte. Man frage Joseph und Jerome, was ihr König¬
thum bedeutet? Meine Ahnungen und Berechnungen sagen mir, daß Napoleon
seinem Untergang entgegengeht, weil sein System schließlich die Völker und die
Fürsten gegen ihn aufgebracht hat. Die Furcht hält' sie noch zurück; aber sie
trachten nur noch nach ihrer Befreiung." Er antwortece Napoleon: „Die
Abtretung Norwegens kraft eines feierlichen Vertrages ist der einzige Beweis,
welcher mich überzeugen kann, daß die mir angebotene Freundschaft des Kaisers
der Franzosen aufrichtig ist."

Fortan vermittelte Bernadotte den Frieden zwischen Rußland und der
Türkei, schloß mit England einen Subsidienvertrag, unterhielt Verbindungen
mit den Bourbons, mit den Aufständischen in Spanien und Portugal, mit
Moreau. Er machte daS schwedische Cabinet zum Mittelpunkt aller Intri¬
guen gegen Frankreich, zum Zufluchtsort sür alle Feinde Napoleons. Auf
dem Reichstage zu Oercbro im Mai 1812 befanden sich in der Umgebung des
frühern Sergeanten von Royal-Marine der Prinz von Oranien, die Russen
Pozzo ti Borgo', Czernitscheff und Suchtelen, die Engländer Lord Cathcart,
Admiral Bentinck und General Hope, die Oestreicher Grafen Wallmoden und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/359>, abgerufen am 23.06.2024.