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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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mit seiner Lieben erschienen, folgete auch die Jungfer Mercers, welche mich aufs
höflichste empfing.- Unter währender Mahlzeit führete man allerhand lustige
Discurse, und war meine Liebste das rechte Centrum, zu der sich alle diese
Linien zogen. Nach Endigung der Tafel absentirte sich die ganze Compagnie
und ließen mich und meine Liebste allein in dem Speisesaal stehn. Bei dieser
Occasion eröffnete ich derselben mein Herz, und verlangte ihrer theilhaftig zu
werden, hoffend: sie würde von meiner keuschen Liebesflamme etwas Participiren,
und selbige Kraft göttlicher Providenz zum ehelichen Verbündniß ausschlagen
lassen. Gleich wie nun gemeiniglich in Liebessachen des Frauenzimmers Nein!
so viel als Ja! ist, so verstand auch meiner Liebsten erstes ausgesprochenes Nein
vor Ja, und ließ mich dadurch nicht abschrecken, meine Erpeclvrationen
fortsetzend. Unterdessen aber ging die Frau Generalin und der Herr von Poser
ab und zu, und verirten uns beide Verliebte mit höflichen Scherzen. Endlich
wollte sich unsere Liebe nicht länger unter den Complimenten verbergen lassen,
und brach auf einmal wie der Mond hinter trüben Wolken Herfür, daß es
hieße: Ja, ich bin Dein, und Du bist mein! Jetzt ließen wir selbst die Frau
Generalin und den Herrn von Pvser, wie auch meinen redlichen Gewerbs-
mann herbeilntlen, welche dann als hohe Beistände und Zeugen unser münd¬
liches Ja mit Zusammenfügung der Hände bekräftigten. Zum Pfand meiner
Liebe überreichte ich hierbei meiner Liebsten eine kleine, sehr stark mit Silber be¬
schlagene Bibel und einen Ring mit zehn Diamanten, den ich dazu in Breslau
vor 63 Reichsthaler hatte mache" lassen. Meine Liebste aber contestirte mir
ihre Liebe mit einem Ring von einem Diamant, welcher wegen seiner Größe
auf 90 Reichsthaler ästimirt warb. Als nun die Sache solchermaßen ihre
Richtigkeit hatte, gingen wir des Abends wieder zur Tafel und speiseten in
aller Fröhlichkeit zusammen, bis man mich und den Herrn Pirncr in die wohl¬
bereitete Schlafkammer wiese. Des andern Morgens legte der Frau Generalin
meine Dankbarkeit für die erzeigte Ehre ab, nahm von meiner Liebsten und
allen Anwesenden Abschied, und kehrte mit Herrn Pirncr auf Nickelstadt, und
von dort auf Liegnitz zurück. Von da an correspondirte ich wöchentlich etliche¬
mal mit meiner Liebsten, gab ihr alle Sonntage nach ven'lasteten Gottesdienst
Zu Polewitz die Visite, regalirte sie dabei allemal mit einer sonderbaren Ver¬
ehrung, und bestimmte endlich mit ihr den Elisabethentag, nämlich den 19. No¬
vember, Anno 167S, zum Termin unserer Hochzeit.

Als solchergestalt unsere Coürtesie fast fünf Wochen gewähret hatte, und der
festbestimmte Hochzeittag herannahte, auch alles Nothwendige herbeigeschaffet, und
d'e Hochzeitgäste molliret waren, namentlich aber mein früherer College zu Brieg,
Herr Dares, den ich uns zu copuliren gebeten hatte, auf Klein-Polewitz ein¬
getroffen war, schickte die Frau Generalin zwo Kutschen, die eine mit sechs
und eine mit vier Pferden bespannt, mich und meine Gäste zu Liegnitz abzu-


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mit seiner Lieben erschienen, folgete auch die Jungfer Mercers, welche mich aufs
höflichste empfing.- Unter währender Mahlzeit führete man allerhand lustige
Discurse, und war meine Liebste das rechte Centrum, zu der sich alle diese
Linien zogen. Nach Endigung der Tafel absentirte sich die ganze Compagnie
und ließen mich und meine Liebste allein in dem Speisesaal stehn. Bei dieser
Occasion eröffnete ich derselben mein Herz, und verlangte ihrer theilhaftig zu
werden, hoffend: sie würde von meiner keuschen Liebesflamme etwas Participiren,
und selbige Kraft göttlicher Providenz zum ehelichen Verbündniß ausschlagen
lassen. Gleich wie nun gemeiniglich in Liebessachen des Frauenzimmers Nein!
so viel als Ja! ist, so verstand auch meiner Liebsten erstes ausgesprochenes Nein
vor Ja, und ließ mich dadurch nicht abschrecken, meine Erpeclvrationen
fortsetzend. Unterdessen aber ging die Frau Generalin und der Herr von Poser
ab und zu, und verirten uns beide Verliebte mit höflichen Scherzen. Endlich
wollte sich unsere Liebe nicht länger unter den Complimenten verbergen lassen,
und brach auf einmal wie der Mond hinter trüben Wolken Herfür, daß es
hieße: Ja, ich bin Dein, und Du bist mein! Jetzt ließen wir selbst die Frau
Generalin und den Herrn von Pvser, wie auch meinen redlichen Gewerbs-
mann herbeilntlen, welche dann als hohe Beistände und Zeugen unser münd¬
liches Ja mit Zusammenfügung der Hände bekräftigten. Zum Pfand meiner
Liebe überreichte ich hierbei meiner Liebsten eine kleine, sehr stark mit Silber be¬
schlagene Bibel und einen Ring mit zehn Diamanten, den ich dazu in Breslau
vor 63 Reichsthaler hatte mache» lassen. Meine Liebste aber contestirte mir
ihre Liebe mit einem Ring von einem Diamant, welcher wegen seiner Größe
auf 90 Reichsthaler ästimirt warb. Als nun die Sache solchermaßen ihre
Richtigkeit hatte, gingen wir des Abends wieder zur Tafel und speiseten in
aller Fröhlichkeit zusammen, bis man mich und den Herrn Pirncr in die wohl¬
bereitete Schlafkammer wiese. Des andern Morgens legte der Frau Generalin
meine Dankbarkeit für die erzeigte Ehre ab, nahm von meiner Liebsten und
allen Anwesenden Abschied, und kehrte mit Herrn Pirncr auf Nickelstadt, und
von dort auf Liegnitz zurück. Von da an correspondirte ich wöchentlich etliche¬
mal mit meiner Liebsten, gab ihr alle Sonntage nach ven'lasteten Gottesdienst
Zu Polewitz die Visite, regalirte sie dabei allemal mit einer sonderbaren Ver¬
ehrung, und bestimmte endlich mit ihr den Elisabethentag, nämlich den 19. No¬
vember, Anno 167S, zum Termin unserer Hochzeit.

Als solchergestalt unsere Coürtesie fast fünf Wochen gewähret hatte, und der
festbestimmte Hochzeittag herannahte, auch alles Nothwendige herbeigeschaffet, und
d'e Hochzeitgäste molliret waren, namentlich aber mein früherer College zu Brieg,
Herr Dares, den ich uns zu copuliren gebeten hatte, auf Klein-Polewitz ein¬
getroffen war, schickte die Frau Generalin zwo Kutschen, die eine mit sechs
und eine mit vier Pferden bespannt, mich und meine Gäste zu Liegnitz abzu-


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[0355] mit seiner Lieben erschienen, folgete auch die Jungfer Mercers, welche mich aufs höflichste empfing.- Unter währender Mahlzeit führete man allerhand lustige Discurse, und war meine Liebste das rechte Centrum, zu der sich alle diese Linien zogen. Nach Endigung der Tafel absentirte sich die ganze Compagnie und ließen mich und meine Liebste allein in dem Speisesaal stehn. Bei dieser Occasion eröffnete ich derselben mein Herz, und verlangte ihrer theilhaftig zu werden, hoffend: sie würde von meiner keuschen Liebesflamme etwas Participiren, und selbige Kraft göttlicher Providenz zum ehelichen Verbündniß ausschlagen lassen. Gleich wie nun gemeiniglich in Liebessachen des Frauenzimmers Nein! so viel als Ja! ist, so verstand auch meiner Liebsten erstes ausgesprochenes Nein vor Ja, und ließ mich dadurch nicht abschrecken, meine Erpeclvrationen fortsetzend. Unterdessen aber ging die Frau Generalin und der Herr von Poser ab und zu, und verirten uns beide Verliebte mit höflichen Scherzen. Endlich wollte sich unsere Liebe nicht länger unter den Complimenten verbergen lassen, und brach auf einmal wie der Mond hinter trüben Wolken Herfür, daß es hieße: Ja, ich bin Dein, und Du bist mein! Jetzt ließen wir selbst die Frau Generalin und den Herrn von Pvser, wie auch meinen redlichen Gewerbs- mann herbeilntlen, welche dann als hohe Beistände und Zeugen unser münd¬ liches Ja mit Zusammenfügung der Hände bekräftigten. Zum Pfand meiner Liebe überreichte ich hierbei meiner Liebsten eine kleine, sehr stark mit Silber be¬ schlagene Bibel und einen Ring mit zehn Diamanten, den ich dazu in Breslau vor 63 Reichsthaler hatte mache» lassen. Meine Liebste aber contestirte mir ihre Liebe mit einem Ring von einem Diamant, welcher wegen seiner Größe auf 90 Reichsthaler ästimirt warb. Als nun die Sache solchermaßen ihre Richtigkeit hatte, gingen wir des Abends wieder zur Tafel und speiseten in aller Fröhlichkeit zusammen, bis man mich und den Herrn Pirncr in die wohl¬ bereitete Schlafkammer wiese. Des andern Morgens legte der Frau Generalin meine Dankbarkeit für die erzeigte Ehre ab, nahm von meiner Liebsten und allen Anwesenden Abschied, und kehrte mit Herrn Pirncr auf Nickelstadt, und von dort auf Liegnitz zurück. Von da an correspondirte ich wöchentlich etliche¬ mal mit meiner Liebsten, gab ihr alle Sonntage nach ven'lasteten Gottesdienst Zu Polewitz die Visite, regalirte sie dabei allemal mit einer sonderbaren Ver¬ ehrung, und bestimmte endlich mit ihr den Elisabethentag, nämlich den 19. No¬ vember, Anno 167S, zum Termin unserer Hochzeit. Als solchergestalt unsere Coürtesie fast fünf Wochen gewähret hatte, und der festbestimmte Hochzeittag herannahte, auch alles Nothwendige herbeigeschaffet, und d'e Hochzeitgäste molliret waren, namentlich aber mein früherer College zu Brieg, Herr Dares, den ich uns zu copuliren gebeten hatte, auf Klein-Polewitz ein¬ getroffen war, schickte die Frau Generalin zwo Kutschen, die eine mit sechs und eine mit vier Pferden bespannt, mich und meine Gäste zu Liegnitz abzu- ii>*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/355>, abgerufen am 22.07.2024.