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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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einen Kaufmann Namens Nckermann verhcurathet; die mittlere war meine Liebste.
Anno 1660 war in Bremen auch ihre Frau Mutter gestorben, und neben
ihrem Herrn Vater in der Kirche zu Se. Stephan beigesetzet worden, darauf
die Jungfer Elisabeth'eine Zeit lang bei Herrn Doctor Schmellers Wittwe ge^
lebt hatte. Unterdessen lernte sie die Frau Schlepuschin, welche auf ihrem Gute
Schönbeck bei Bremen wohnte, kennen, und da sich der General und die
Generalin Schlepuschin bald darauf in Schlesien erhoben, so nahmen sie dieselbe
zur Spielgesellin ihrer Fräulein Tochter mit sich, auf Klein-Polewitz, wo sie
allerseits in guter Aestim gehalten ward.

sothanes Vernehmen und Nachricht entzündete noch mehr meine Liebe
gegen sie, sonderlich weil ich nun wußte, daß sie zwar vornehmer Abkunft, aber
nicht adliger Ertraction wäre, und weil auch Herr Pirner die Jungfer wegen
ihrer Gottesfurcht, Frömmigkeit, Klugheit, Häuslichkeit und anderer Qualitäten
gar hoch recommandirete, und die Frau Generalin kein Bedenken trug, bei ihrem
vielen Ab- und Zureisen derselben ihr ganzes Hauswesen zu vertrauen. In¬
dem nun die Ströme keuscher Liebe mein ganzes Herz erfülleten bis zum Ueber¬
laufen , so schüttete dasselbe zuerst gegen diesen ehrlichen Mann aus, und
offenbarete seiner Verschwiegenheit, was sonst keinem Menschen in der ganzen
Welt noch nicht entdecket hatte, nämlich: dafern es Gottes Wille und möglich
wäre, verlangte ich die Jungfer Mercers zur Ehe zu haben, und bat ihn: er
möge mir in dieser importanten Sache treulich Assistenz leisten, und mein gutes
Vorhaben befördern helfen.

sothanem Dienst wollte sich der gute Mann zur höchsten Ehre schätzen,
ließ sich das Werk auch sehr angelegen sein, und incarminirte mein Irdene zu¬
erst der Frau Generalin. Unterdessen wechselte ich Briefe mit ihm, und erhielt
auch bald gute Vertröstung. In Summa die Sache avancirte in kurzer Zeit
erwünschter Maßen, daß sie nur noch auf einer persönlichen Visite beruhetc. An
einem Montag, nach vorhergeschehener Anrufung Gottes, erhob ich mich zu
Pferde nach Nickelstadt, holte den Herrn Pfarrer Pirner dortselbst ab, und ging
mit ihm nach Klein-Polewitz, eine Viertelmeile davon gelegen. In dem frei¬
herrlichen Hofe nahm uns der Frau Generalin Tochtermann, Herr Heinrich
von Poser, königlicher Obersteuereinnehmer der Fürstenthümer Jauer und
Schweidnitz in Empfang, führete uns mit großer Höflichkeit in den Speise¬
saal, divertirete uns daselbst, als ein sehr qualificirter und unterrichteter Cavalier
mit allerhand Discursen. Bald hernach ließ mich die Frau Generalin in ihr
Zimmer fordern, und bewillkommte mich mit vieler Civilität, wie sie auch
mein Kompliment hinwiederum sehr günstig annahm. Mein Anbringen con-
tentirte sie sehr wohl, und that auch gute Versicherung eines glückseligen Aus-
ganges meines Verlangens. Mittlerweil war die Tafel bereitet, und indem zu
derselben die Frau Generalin mit ihrer Fräulein Tochter, und Herr von Poser


einen Kaufmann Namens Nckermann verhcurathet; die mittlere war meine Liebste.
Anno 1660 war in Bremen auch ihre Frau Mutter gestorben, und neben
ihrem Herrn Vater in der Kirche zu Se. Stephan beigesetzet worden, darauf
die Jungfer Elisabeth'eine Zeit lang bei Herrn Doctor Schmellers Wittwe ge^
lebt hatte. Unterdessen lernte sie die Frau Schlepuschin, welche auf ihrem Gute
Schönbeck bei Bremen wohnte, kennen, und da sich der General und die
Generalin Schlepuschin bald darauf in Schlesien erhoben, so nahmen sie dieselbe
zur Spielgesellin ihrer Fräulein Tochter mit sich, auf Klein-Polewitz, wo sie
allerseits in guter Aestim gehalten ward.

sothanes Vernehmen und Nachricht entzündete noch mehr meine Liebe
gegen sie, sonderlich weil ich nun wußte, daß sie zwar vornehmer Abkunft, aber
nicht adliger Ertraction wäre, und weil auch Herr Pirner die Jungfer wegen
ihrer Gottesfurcht, Frömmigkeit, Klugheit, Häuslichkeit und anderer Qualitäten
gar hoch recommandirete, und die Frau Generalin kein Bedenken trug, bei ihrem
vielen Ab- und Zureisen derselben ihr ganzes Hauswesen zu vertrauen. In¬
dem nun die Ströme keuscher Liebe mein ganzes Herz erfülleten bis zum Ueber¬
laufen , so schüttete dasselbe zuerst gegen diesen ehrlichen Mann aus, und
offenbarete seiner Verschwiegenheit, was sonst keinem Menschen in der ganzen
Welt noch nicht entdecket hatte, nämlich: dafern es Gottes Wille und möglich
wäre, verlangte ich die Jungfer Mercers zur Ehe zu haben, und bat ihn: er
möge mir in dieser importanten Sache treulich Assistenz leisten, und mein gutes
Vorhaben befördern helfen.

sothanem Dienst wollte sich der gute Mann zur höchsten Ehre schätzen,
ließ sich das Werk auch sehr angelegen sein, und incarminirte mein Irdene zu¬
erst der Frau Generalin. Unterdessen wechselte ich Briefe mit ihm, und erhielt
auch bald gute Vertröstung. In Summa die Sache avancirte in kurzer Zeit
erwünschter Maßen, daß sie nur noch auf einer persönlichen Visite beruhetc. An
einem Montag, nach vorhergeschehener Anrufung Gottes, erhob ich mich zu
Pferde nach Nickelstadt, holte den Herrn Pfarrer Pirner dortselbst ab, und ging
mit ihm nach Klein-Polewitz, eine Viertelmeile davon gelegen. In dem frei¬
herrlichen Hofe nahm uns der Frau Generalin Tochtermann, Herr Heinrich
von Poser, königlicher Obersteuereinnehmer der Fürstenthümer Jauer und
Schweidnitz in Empfang, führete uns mit großer Höflichkeit in den Speise¬
saal, divertirete uns daselbst, als ein sehr qualificirter und unterrichteter Cavalier
mit allerhand Discursen. Bald hernach ließ mich die Frau Generalin in ihr
Zimmer fordern, und bewillkommte mich mit vieler Civilität, wie sie auch
mein Kompliment hinwiederum sehr günstig annahm. Mein Anbringen con-
tentirte sie sehr wohl, und that auch gute Versicherung eines glückseligen Aus-
ganges meines Verlangens. Mittlerweil war die Tafel bereitet, und indem zu
derselben die Frau Generalin mit ihrer Fräulein Tochter, und Herr von Poser


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[0354] einen Kaufmann Namens Nckermann verhcurathet; die mittlere war meine Liebste. Anno 1660 war in Bremen auch ihre Frau Mutter gestorben, und neben ihrem Herrn Vater in der Kirche zu Se. Stephan beigesetzet worden, darauf die Jungfer Elisabeth'eine Zeit lang bei Herrn Doctor Schmellers Wittwe ge^ lebt hatte. Unterdessen lernte sie die Frau Schlepuschin, welche auf ihrem Gute Schönbeck bei Bremen wohnte, kennen, und da sich der General und die Generalin Schlepuschin bald darauf in Schlesien erhoben, so nahmen sie dieselbe zur Spielgesellin ihrer Fräulein Tochter mit sich, auf Klein-Polewitz, wo sie allerseits in guter Aestim gehalten ward. sothanes Vernehmen und Nachricht entzündete noch mehr meine Liebe gegen sie, sonderlich weil ich nun wußte, daß sie zwar vornehmer Abkunft, aber nicht adliger Ertraction wäre, und weil auch Herr Pirner die Jungfer wegen ihrer Gottesfurcht, Frömmigkeit, Klugheit, Häuslichkeit und anderer Qualitäten gar hoch recommandirete, und die Frau Generalin kein Bedenken trug, bei ihrem vielen Ab- und Zureisen derselben ihr ganzes Hauswesen zu vertrauen. In¬ dem nun die Ströme keuscher Liebe mein ganzes Herz erfülleten bis zum Ueber¬ laufen , so schüttete dasselbe zuerst gegen diesen ehrlichen Mann aus, und offenbarete seiner Verschwiegenheit, was sonst keinem Menschen in der ganzen Welt noch nicht entdecket hatte, nämlich: dafern es Gottes Wille und möglich wäre, verlangte ich die Jungfer Mercers zur Ehe zu haben, und bat ihn: er möge mir in dieser importanten Sache treulich Assistenz leisten, und mein gutes Vorhaben befördern helfen. sothanem Dienst wollte sich der gute Mann zur höchsten Ehre schätzen, ließ sich das Werk auch sehr angelegen sein, und incarminirte mein Irdene zu¬ erst der Frau Generalin. Unterdessen wechselte ich Briefe mit ihm, und erhielt auch bald gute Vertröstung. In Summa die Sache avancirte in kurzer Zeit erwünschter Maßen, daß sie nur noch auf einer persönlichen Visite beruhetc. An einem Montag, nach vorhergeschehener Anrufung Gottes, erhob ich mich zu Pferde nach Nickelstadt, holte den Herrn Pfarrer Pirner dortselbst ab, und ging mit ihm nach Klein-Polewitz, eine Viertelmeile davon gelegen. In dem frei¬ herrlichen Hofe nahm uns der Frau Generalin Tochtermann, Herr Heinrich von Poser, königlicher Obersteuereinnehmer der Fürstenthümer Jauer und Schweidnitz in Empfang, führete uns mit großer Höflichkeit in den Speise¬ saal, divertirete uns daselbst, als ein sehr qualificirter und unterrichteter Cavalier mit allerhand Discursen. Bald hernach ließ mich die Frau Generalin in ihr Zimmer fordern, und bewillkommte mich mit vieler Civilität, wie sie auch mein Kompliment hinwiederum sehr günstig annahm. Mein Anbringen con- tentirte sie sehr wohl, und that auch gute Versicherung eines glückseligen Aus- ganges meines Verlangens. Mittlerweil war die Tafel bereitet, und indem zu derselben die Frau Generalin mit ihrer Fräulein Tochter, und Herr von Poser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/354>, abgerufen am 22.07.2024.