Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.der Superintendent, besonders das Decorum nicht aus den Augen zu setzen; Auch der alte Gebrauch des Klingbeutels gab zu einigen Erkundigungen Auf dem Kirchhofe betrachtete darauf der Visitator die Grabverzierungcn, las Bei Betrachtung der Kirchen und Schulgebäude warnte derselbe vor einer Der Katechisation folgte die Inspection der Schule. Da der Super¬ der Superintendent, besonders das Decorum nicht aus den Augen zu setzen; Auch der alte Gebrauch des Klingbeutels gab zu einigen Erkundigungen Auf dem Kirchhofe betrachtete darauf der Visitator die Grabverzierungcn, las Bei Betrachtung der Kirchen und Schulgebäude warnte derselbe vor einer Der Katechisation folgte die Inspection der Schule. Da der Super¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100787"/> <p xml:id="ID_953" prev="#ID_952"> der Superintendent, besonders das Decorum nicht aus den Augen zu setzen;<lb/> bei einer Visitation fand er mehre Weinflaschen mit den Etiketten auf dem Altar<lb/> stehen, aus denen der Wein in den Kelch gegossen werden sollte. Die Etiketten<lb/> konnten leicht allerlei profane Gedanken erregen und ein dicht am Altar sitzen¬<lb/> der Gutsinspector hatte bereits mit scharfem Auge dieselben betrachtet, als wäre<lb/> es für ihn auch ein wesentliches Stück des Genusses, zu wissen, von welcher<lb/> Weinsorte er trinken würde. Die katholische Geistlichkeit hatte nach des Super¬<lb/> intendenten Ansicht einen weil> bessern Takt in Beobachtung der angemessenen<lb/> Formen des Gottesdienstes.</p><lb/> <p xml:id="ID_954"> Auch der alte Gebrauch des Klingbeutels gab zu einigen Erkundigungen<lb/> Veranlassung. In der Stadt waren nicht selten Bonbons, alte Hosenknöpfe:c.<lb/> in denselben hineingeworfen worden; es erging die Anfrage, ob eine solche ner-<lb/> .höhnu,ng auch bereits bis zu den Dorfkirchen gedrungen sei. Diese Frage<lb/> konnte dreist verneint werden, obwol für Münzsammler sich von Zeit zu. Zeit<lb/> merkwürdige Kupferstücke vorfanden, deren Ursprung vollständig apokryphisch<lb/> war. Diese Reliquien wurden dann eingewechselt, auf der Schwelle des<lb/> Pfarrhauses angenagelt und so außer Cours gesetzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_955"> Auf dem Kirchhofe betrachtete darauf der Visitator die Grabverzierungcn, las<lb/> die Inschriften auf den Kreuzen und Epitaphien, um die Gedanken der Ge¬<lb/> meinde über Tod und Unsterblichkeit zu erfahren. Der Dorftischler hatte eine<lb/> kleine Anzahl Verse für Gräber geerbt, diese legte er bei Bestellungen vor und<lb/> darnach erfolgte die Auswahl. Die Inschriften rührten so aus einer Quelle, -<lb/> welche füglich nicht verantwortlich für geschmacklose Verse gemacht werden<lb/> konnte. Der Superintendent empfahl darauf dem Geistlichen, durch kernhafte,<lb/> kurze Gedanken dem Tischler beizuspringen und so auch den Gang zwischen<lb/> den Gräbern zu einem mehr erbaulichen umzugestalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_956"> Bei Betrachtung der Kirchen und Schulgebäude warnte derselbe vor einer<lb/> zu großen Baulust. Mancher Geistliche glaube sich dadurch ein Verdienst zu<lb/> erwerben, wenn während seiner Amtsführung große Bauten ausgeführt our-'<lb/> den, bedenke aber nicht, daß eine leere Kirchenkasse und große Opfer seitens<lb/> der Gemeinde die Folge solcher Baulust seien. Die Erhaltung und der Aus¬<lb/> bau alter Kirchen, welche in ihrem alten Gemäuer manches Geschlecht vor uns<lb/> gegen Wind und Wetter beim Gottesdienste beschützt hätten, empfehle ^sich<lb/> "icht wenig, sie erweckten durch ihr Alter schon erbauliche Gedanken und man<lb/> müsse sie deshalb nicht ohne Noth niederreißen.</p><lb/> <p xml:id="ID_957" next="#ID_958"> Der Katechisation folgte die Inspection der Schule. Da der Super¬<lb/> intendent früher selbst Schulmann gewesen war und mit Liebe unterrichtet hatte,<lb/> so unterzog er sich der Schulvisitation mit Vorliebe. Der Lehrer fragte bibli¬<lb/> sche Geschichte und trug eine Erzählung vor, die wiederholt werden mußte.<lb/> Die Brieftasche des Visitators erhielt viele Striche, deren Sinn mir später</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0333]
der Superintendent, besonders das Decorum nicht aus den Augen zu setzen;
bei einer Visitation fand er mehre Weinflaschen mit den Etiketten auf dem Altar
stehen, aus denen der Wein in den Kelch gegossen werden sollte. Die Etiketten
konnten leicht allerlei profane Gedanken erregen und ein dicht am Altar sitzen¬
der Gutsinspector hatte bereits mit scharfem Auge dieselben betrachtet, als wäre
es für ihn auch ein wesentliches Stück des Genusses, zu wissen, von welcher
Weinsorte er trinken würde. Die katholische Geistlichkeit hatte nach des Super¬
intendenten Ansicht einen weil> bessern Takt in Beobachtung der angemessenen
Formen des Gottesdienstes.
Auch der alte Gebrauch des Klingbeutels gab zu einigen Erkundigungen
Veranlassung. In der Stadt waren nicht selten Bonbons, alte Hosenknöpfe:c.
in denselben hineingeworfen worden; es erging die Anfrage, ob eine solche ner-
.höhnu,ng auch bereits bis zu den Dorfkirchen gedrungen sei. Diese Frage
konnte dreist verneint werden, obwol für Münzsammler sich von Zeit zu. Zeit
merkwürdige Kupferstücke vorfanden, deren Ursprung vollständig apokryphisch
war. Diese Reliquien wurden dann eingewechselt, auf der Schwelle des
Pfarrhauses angenagelt und so außer Cours gesetzt.
Auf dem Kirchhofe betrachtete darauf der Visitator die Grabverzierungcn, las
die Inschriften auf den Kreuzen und Epitaphien, um die Gedanken der Ge¬
meinde über Tod und Unsterblichkeit zu erfahren. Der Dorftischler hatte eine
kleine Anzahl Verse für Gräber geerbt, diese legte er bei Bestellungen vor und
darnach erfolgte die Auswahl. Die Inschriften rührten so aus einer Quelle, -
welche füglich nicht verantwortlich für geschmacklose Verse gemacht werden
konnte. Der Superintendent empfahl darauf dem Geistlichen, durch kernhafte,
kurze Gedanken dem Tischler beizuspringen und so auch den Gang zwischen
den Gräbern zu einem mehr erbaulichen umzugestalten.
Bei Betrachtung der Kirchen und Schulgebäude warnte derselbe vor einer
zu großen Baulust. Mancher Geistliche glaube sich dadurch ein Verdienst zu
erwerben, wenn während seiner Amtsführung große Bauten ausgeführt our-'
den, bedenke aber nicht, daß eine leere Kirchenkasse und große Opfer seitens
der Gemeinde die Folge solcher Baulust seien. Die Erhaltung und der Aus¬
bau alter Kirchen, welche in ihrem alten Gemäuer manches Geschlecht vor uns
gegen Wind und Wetter beim Gottesdienste beschützt hätten, empfehle ^sich
"icht wenig, sie erweckten durch ihr Alter schon erbauliche Gedanken und man
müsse sie deshalb nicht ohne Noth niederreißen.
Der Katechisation folgte die Inspection der Schule. Da der Super¬
intendent früher selbst Schulmann gewesen war und mit Liebe unterrichtet hatte,
so unterzog er sich der Schulvisitation mit Vorliebe. Der Lehrer fragte bibli¬
sche Geschichte und trug eine Erzählung vor, die wiederholt werden mußte.
Die Brieftasche des Visitators erhielt viele Striche, deren Sinn mir später
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |