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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Rücksicht aus die spätere Ausführbarkeit in Glasfarben, auf die Maße und
Formen der Architektur, in welche sich das Bild einfügen mußte. Sie forderten
von der Ausführung Farben, welche nicht dauerhaft herzustellen waren, sie
setzten die alten Teppichmuster und Arabesken ihren kunstvoller gruppirten
Figuren nach und forderten für ihre Gruppen wol gar, um sie hervorzuheben,
eine Umgebung von ganz farblosem Glase. Die Bilder wurden reicher, die
Zahl der Figuren größer. Auf die Gliederung des Fensters durch das Stab¬
werk wurde nicht mehr geachtet, und eine und dieselbe Figur ward häufig durch
die Arabesken des Steins zerstückelt. Zuweilen war das Gewimmel der Figu¬
ren so groß, daß sie den ganzen Fensterraum ausfüllten, so daß bei der un¬
vermeidlichen Kreuzung der bunten Strahlen das Verständniß des Dargestellten
sehr erschwert wurde. So brachte die Ausbildung der Technik neben größerer
Virtuosität in der Farbenverbindung und Schattirung, neben einer lebensvollern
und dramatischen Zeichnung, neben sorgfältiger Ausführung des Details auch
Willkürliches, Unkünstlerischcs und eine Auflösung der innigen Verbindung,
welche zwischen der germanischen Architektur und der frühern Glasmalerei ge¬
wesen war, hervor.

Eine neue Periode beginnt für die Glasmalerei in der Reformationszeit. Noch
immer werden Kirchenfenster in Massen gemalt, aber im größten Theile Deutsch¬
lands ist die Pietät gegen die alten Bilder der katholischen Kirche geschwunden,
die Kunst wird immer unabhängiger von den heiligen Bauten und findet ihre Haupt¬
aufgabe darin, die Fenster von profanen Gebäuden, Privatwohnungen, Rath¬
häusern, Zunftstuben, Schützenhäusern u. s. w. zu schmücken. Schon seit der Mitte
des ->i>. Jahrhunderts finden sich gemalte Fenster als Zierde der Wohnhäuser.
Jetzt wird dieser Lurus allgemeiner. , Dadurch werden der Glasmalerei andere
Aufgaben gestellt, denn der Hauptinhalt der bürgerlichen Glasgemälde ist das
Wappenschild, nicht nur bei den edlen, sondern noch häufiger bei den bürgerlichen
Geschlechtern. Freilich beschränkte man sich nicht auf den bloßen Schild, denn
Schildhalter, Herolde mit städtischen Farben, Harnischmänner, Porträts aus den
Geschlechtern oder den Zünften, ja ganze Geschichtsbilder wurden hinzugefügt.
Dazu kam landschaftliches Beiwerk und bei der ganz veränderten Bildung und
Geschmacksrichtung mythologische und allegorische Figuren. Oft verschwand dann
das Wappen fast neben der Zuthat, immer aber ist es vorhanden, in der Mitte oder
an der Seite. Aus den historischen Stoffen war die Glasmalerei in das Genre
getreten. Und während man frühes die größten Fenster aus vielen Stücken
ganz in farbigem Schmuck zusammengesetzt hatte, malte man jetzt vorzugsweise
einzelne Scheiben, ein einziges Feld des Fensters, das Uebrige blieb farblos.
Von den Wohnhäusern drang derselbe Geschmack in die Kirchen, auch dort
wurden häufig nur einzelne Scheiben ohne Blei bemalt, auch diese nicht selten
mit Wappen. Die Freude an solcher Darstellung nahm schnell überHand und

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Rücksicht aus die spätere Ausführbarkeit in Glasfarben, auf die Maße und
Formen der Architektur, in welche sich das Bild einfügen mußte. Sie forderten
von der Ausführung Farben, welche nicht dauerhaft herzustellen waren, sie
setzten die alten Teppichmuster und Arabesken ihren kunstvoller gruppirten
Figuren nach und forderten für ihre Gruppen wol gar, um sie hervorzuheben,
eine Umgebung von ganz farblosem Glase. Die Bilder wurden reicher, die
Zahl der Figuren größer. Auf die Gliederung des Fensters durch das Stab¬
werk wurde nicht mehr geachtet, und eine und dieselbe Figur ward häufig durch
die Arabesken des Steins zerstückelt. Zuweilen war das Gewimmel der Figu¬
ren so groß, daß sie den ganzen Fensterraum ausfüllten, so daß bei der un¬
vermeidlichen Kreuzung der bunten Strahlen das Verständniß des Dargestellten
sehr erschwert wurde. So brachte die Ausbildung der Technik neben größerer
Virtuosität in der Farbenverbindung und Schattirung, neben einer lebensvollern
und dramatischen Zeichnung, neben sorgfältiger Ausführung des Details auch
Willkürliches, Unkünstlerischcs und eine Auflösung der innigen Verbindung,
welche zwischen der germanischen Architektur und der frühern Glasmalerei ge¬
wesen war, hervor.

Eine neue Periode beginnt für die Glasmalerei in der Reformationszeit. Noch
immer werden Kirchenfenster in Massen gemalt, aber im größten Theile Deutsch¬
lands ist die Pietät gegen die alten Bilder der katholischen Kirche geschwunden,
die Kunst wird immer unabhängiger von den heiligen Bauten und findet ihre Haupt¬
aufgabe darin, die Fenster von profanen Gebäuden, Privatwohnungen, Rath¬
häusern, Zunftstuben, Schützenhäusern u. s. w. zu schmücken. Schon seit der Mitte
des ->i>. Jahrhunderts finden sich gemalte Fenster als Zierde der Wohnhäuser.
Jetzt wird dieser Lurus allgemeiner. , Dadurch werden der Glasmalerei andere
Aufgaben gestellt, denn der Hauptinhalt der bürgerlichen Glasgemälde ist das
Wappenschild, nicht nur bei den edlen, sondern noch häufiger bei den bürgerlichen
Geschlechtern. Freilich beschränkte man sich nicht auf den bloßen Schild, denn
Schildhalter, Herolde mit städtischen Farben, Harnischmänner, Porträts aus den
Geschlechtern oder den Zünften, ja ganze Geschichtsbilder wurden hinzugefügt.
Dazu kam landschaftliches Beiwerk und bei der ganz veränderten Bildung und
Geschmacksrichtung mythologische und allegorische Figuren. Oft verschwand dann
das Wappen fast neben der Zuthat, immer aber ist es vorhanden, in der Mitte oder
an der Seite. Aus den historischen Stoffen war die Glasmalerei in das Genre
getreten. Und während man frühes die größten Fenster aus vielen Stücken
ganz in farbigem Schmuck zusammengesetzt hatte, malte man jetzt vorzugsweise
einzelne Scheiben, ein einziges Feld des Fensters, das Uebrige blieb farblos.
Von den Wohnhäusern drang derselbe Geschmack in die Kirchen, auch dort
wurden häufig nur einzelne Scheiben ohne Blei bemalt, auch diese nicht selten
mit Wappen. Die Freude an solcher Darstellung nahm schnell überHand und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/292>, abgerufen am 26.08.2024.