Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zehnten Jahrhundert konnten gute Wohnhäuser solche Fenster haben. Ja man
ließ die Fenster sehr häufig ganz unverschlossen und verhängte sie blos mit
Teppichen. Glasfenster waren noch am Ende des Mittelalters etwas beson¬
ders Werthvolles. Die Kunst, das Glas von beliebiger Form und Größe
und in durchsichtiger Farblosigkeit herzustellen, entwickelte sich langsam und
schwer, das farblose Glas war im Mittelalter geschätzter und theurer, als
selbst das kostbar gefärbte. Wenn man das Glas in Tafelform blies, so
brachte man doch nur kleine runde Scheiben mit einem erhöhten Ansatz in der
Mitte zu Stande.

Glasfenster werden einzeln vom vierten Jahrhundert an, aber nur bei
Kirchen, als eine besondere Kostbarkeit erwähnt. Da man noch keine Scheiben
verfertigen konnte, so setzte man bunte Glasstückchen mustvisch zusammen, in
Deutschland schon im achten und neunten Jahrhundert, zuerst noch nicht in
geordnetem Muster, aber doch zum bunten Farbenispiel. Es war dieselbe Zeit,
in der man auch die Kirchenwände mit Glasmosaik überzog. In Deutschland,
und zwar in Baiern, wurden um das Jahr -I000 die ersten Fenster gemacht,
in denen die bunten Glasstücke so verbunden sind, daß sie ein Bild darstellen.
Von da ab werden Glasmaler immer häusiger erwähnt, ihre Kunst machte sich
aber bis zum Ausgange des Mittelalters nur an kirchlichen Gebäuden geltend,
zunächst am Chor, am Schiff, dann auch an der fensterartigen Bogenreihe der
Kreuzgänge. In der ersten Zeit wurde die Glasmalerei der Gestalt des Fensters
vollständig anbequemt, indem man die Fläche des Fensters mit einem Muster
aus gebrochenen und netzartig verschränkten Linien und Bändern überzog, oder
mit Arabesken aus Blättern und Blumen und Früchten. So wurden zunächst
nur die Muster der Teppiche nachgeahmt, welche in früherer Zeit die Oeffnun-
gen der Fenster verschlossen hatten. Bescheiden ordnete sich diese Malerei den
Leisten und Feldern des Fensters unter, und da man auch die innere Chor¬
wand mit Teppichen zu verhängen liebte und mit Teppichen auch den Fu߬
boden belegte oder Wände und Fenster mit Mosaik überzog, so hat der ganze
Schmuck der alten Kirche im Basiliken- oder romantischen Stil eine innere
Einheit. Immer aber, auch in der spätern Zeit, haben die Muster der Teppiche
aus die Glasmalerei großen Einfluß geübt.

Auch als der germanische Stil die Fenster durch Stabwerk gliederte, fügt
sich dieser architektonischen Grundform noch lange Zeit die bemalte Fläche
gehorsam an. In einer Einfassung von Mosaik und Arabesken, durch diese
getrennt und wieder verbunden, liegen die wenigen Figurenfelder, auf ihnen
Christus, Maria, die Apostel, Evangelisten, einzelne Heilige, meist nur eine Figur,
selten mehre. Die Zeichnung der Figuren ist streng wie "die der Arabesken.
Immer beabsichtigt man beim Schmuck der Fenster eine kräftige und ungebro¬
chene, durch die Gegenfarben gehobene Farbengebung. Die Farben sind ein-


zehnten Jahrhundert konnten gute Wohnhäuser solche Fenster haben. Ja man
ließ die Fenster sehr häufig ganz unverschlossen und verhängte sie blos mit
Teppichen. Glasfenster waren noch am Ende des Mittelalters etwas beson¬
ders Werthvolles. Die Kunst, das Glas von beliebiger Form und Größe
und in durchsichtiger Farblosigkeit herzustellen, entwickelte sich langsam und
schwer, das farblose Glas war im Mittelalter geschätzter und theurer, als
selbst das kostbar gefärbte. Wenn man das Glas in Tafelform blies, so
brachte man doch nur kleine runde Scheiben mit einem erhöhten Ansatz in der
Mitte zu Stande.

Glasfenster werden einzeln vom vierten Jahrhundert an, aber nur bei
Kirchen, als eine besondere Kostbarkeit erwähnt. Da man noch keine Scheiben
verfertigen konnte, so setzte man bunte Glasstückchen mustvisch zusammen, in
Deutschland schon im achten und neunten Jahrhundert, zuerst noch nicht in
geordnetem Muster, aber doch zum bunten Farbenispiel. Es war dieselbe Zeit,
in der man auch die Kirchenwände mit Glasmosaik überzog. In Deutschland,
und zwar in Baiern, wurden um das Jahr -I000 die ersten Fenster gemacht,
in denen die bunten Glasstücke so verbunden sind, daß sie ein Bild darstellen.
Von da ab werden Glasmaler immer häusiger erwähnt, ihre Kunst machte sich
aber bis zum Ausgange des Mittelalters nur an kirchlichen Gebäuden geltend,
zunächst am Chor, am Schiff, dann auch an der fensterartigen Bogenreihe der
Kreuzgänge. In der ersten Zeit wurde die Glasmalerei der Gestalt des Fensters
vollständig anbequemt, indem man die Fläche des Fensters mit einem Muster
aus gebrochenen und netzartig verschränkten Linien und Bändern überzog, oder
mit Arabesken aus Blättern und Blumen und Früchten. So wurden zunächst
nur die Muster der Teppiche nachgeahmt, welche in früherer Zeit die Oeffnun-
gen der Fenster verschlossen hatten. Bescheiden ordnete sich diese Malerei den
Leisten und Feldern des Fensters unter, und da man auch die innere Chor¬
wand mit Teppichen zu verhängen liebte und mit Teppichen auch den Fu߬
boden belegte oder Wände und Fenster mit Mosaik überzog, so hat der ganze
Schmuck der alten Kirche im Basiliken- oder romantischen Stil eine innere
Einheit. Immer aber, auch in der spätern Zeit, haben die Muster der Teppiche
aus die Glasmalerei großen Einfluß geübt.

Auch als der germanische Stil die Fenster durch Stabwerk gliederte, fügt
sich dieser architektonischen Grundform noch lange Zeit die bemalte Fläche
gehorsam an. In einer Einfassung von Mosaik und Arabesken, durch diese
getrennt und wieder verbunden, liegen die wenigen Figurenfelder, auf ihnen
Christus, Maria, die Apostel, Evangelisten, einzelne Heilige, meist nur eine Figur,
selten mehre. Die Zeichnung der Figuren ist streng wie „die der Arabesken.
Immer beabsichtigt man beim Schmuck der Fenster eine kräftige und ungebro¬
chene, durch die Gegenfarben gehobene Farbengebung. Die Farben sind ein-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100744"/>
          <p xml:id="ID_823" prev="#ID_822"> zehnten Jahrhundert konnten gute Wohnhäuser solche Fenster haben. Ja man<lb/>
ließ die Fenster sehr häufig ganz unverschlossen und verhängte sie blos mit<lb/>
Teppichen. Glasfenster waren noch am Ende des Mittelalters etwas beson¬<lb/>
ders Werthvolles. Die Kunst, das Glas von beliebiger Form und Größe<lb/>
und in durchsichtiger Farblosigkeit herzustellen, entwickelte sich langsam und<lb/>
schwer, das farblose Glas war im Mittelalter geschätzter und theurer, als<lb/>
selbst das kostbar gefärbte. Wenn man das Glas in Tafelform blies, so<lb/>
brachte man doch nur kleine runde Scheiben mit einem erhöhten Ansatz in der<lb/>
Mitte zu Stande.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_824"> Glasfenster werden einzeln vom vierten Jahrhundert an, aber nur bei<lb/>
Kirchen, als eine besondere Kostbarkeit erwähnt. Da man noch keine Scheiben<lb/>
verfertigen konnte, so setzte man bunte Glasstückchen mustvisch zusammen, in<lb/>
Deutschland schon im achten und neunten Jahrhundert, zuerst noch nicht in<lb/>
geordnetem Muster, aber doch zum bunten Farbenispiel. Es war dieselbe Zeit,<lb/>
in der man auch die Kirchenwände mit Glasmosaik überzog. In Deutschland,<lb/>
und zwar in Baiern, wurden um das Jahr -I000 die ersten Fenster gemacht,<lb/>
in denen die bunten Glasstücke so verbunden sind, daß sie ein Bild darstellen.<lb/>
Von da ab werden Glasmaler immer häusiger erwähnt, ihre Kunst machte sich<lb/>
aber bis zum Ausgange des Mittelalters nur an kirchlichen Gebäuden geltend,<lb/>
zunächst am Chor, am Schiff, dann auch an der fensterartigen Bogenreihe der<lb/>
Kreuzgänge. In der ersten Zeit wurde die Glasmalerei der Gestalt des Fensters<lb/>
vollständig anbequemt, indem man die Fläche des Fensters mit einem Muster<lb/>
aus gebrochenen und netzartig verschränkten Linien und Bändern überzog, oder<lb/>
mit Arabesken aus Blättern und Blumen und Früchten. So wurden zunächst<lb/>
nur die Muster der Teppiche nachgeahmt, welche in früherer Zeit die Oeffnun-<lb/>
gen der Fenster verschlossen hatten. Bescheiden ordnete sich diese Malerei den<lb/>
Leisten und Feldern des Fensters unter, und da man auch die innere Chor¬<lb/>
wand mit Teppichen zu verhängen liebte und mit Teppichen auch den Fu߬<lb/>
boden belegte oder Wände und Fenster mit Mosaik überzog, so hat der ganze<lb/>
Schmuck der alten Kirche im Basiliken- oder romantischen Stil eine innere<lb/>
Einheit. Immer aber, auch in der spätern Zeit, haben die Muster der Teppiche<lb/>
aus die Glasmalerei großen Einfluß geübt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_825" next="#ID_826"> Auch als der germanische Stil die Fenster durch Stabwerk gliederte, fügt<lb/>
sich dieser architektonischen Grundform noch lange Zeit die bemalte Fläche<lb/>
gehorsam an. In einer Einfassung von Mosaik und Arabesken, durch diese<lb/>
getrennt und wieder verbunden, liegen die wenigen Figurenfelder, auf ihnen<lb/>
Christus, Maria, die Apostel, Evangelisten, einzelne Heilige, meist nur eine Figur,<lb/>
selten mehre. Die Zeichnung der Figuren ist streng wie &#x201E;die der Arabesken.<lb/>
Immer beabsichtigt man beim Schmuck der Fenster eine kräftige und ungebro¬<lb/>
chene, durch die Gegenfarben gehobene Farbengebung. Die Farben sind ein-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0290] zehnten Jahrhundert konnten gute Wohnhäuser solche Fenster haben. Ja man ließ die Fenster sehr häufig ganz unverschlossen und verhängte sie blos mit Teppichen. Glasfenster waren noch am Ende des Mittelalters etwas beson¬ ders Werthvolles. Die Kunst, das Glas von beliebiger Form und Größe und in durchsichtiger Farblosigkeit herzustellen, entwickelte sich langsam und schwer, das farblose Glas war im Mittelalter geschätzter und theurer, als selbst das kostbar gefärbte. Wenn man das Glas in Tafelform blies, so brachte man doch nur kleine runde Scheiben mit einem erhöhten Ansatz in der Mitte zu Stande. Glasfenster werden einzeln vom vierten Jahrhundert an, aber nur bei Kirchen, als eine besondere Kostbarkeit erwähnt. Da man noch keine Scheiben verfertigen konnte, so setzte man bunte Glasstückchen mustvisch zusammen, in Deutschland schon im achten und neunten Jahrhundert, zuerst noch nicht in geordnetem Muster, aber doch zum bunten Farbenispiel. Es war dieselbe Zeit, in der man auch die Kirchenwände mit Glasmosaik überzog. In Deutschland, und zwar in Baiern, wurden um das Jahr -I000 die ersten Fenster gemacht, in denen die bunten Glasstücke so verbunden sind, daß sie ein Bild darstellen. Von da ab werden Glasmaler immer häusiger erwähnt, ihre Kunst machte sich aber bis zum Ausgange des Mittelalters nur an kirchlichen Gebäuden geltend, zunächst am Chor, am Schiff, dann auch an der fensterartigen Bogenreihe der Kreuzgänge. In der ersten Zeit wurde die Glasmalerei der Gestalt des Fensters vollständig anbequemt, indem man die Fläche des Fensters mit einem Muster aus gebrochenen und netzartig verschränkten Linien und Bändern überzog, oder mit Arabesken aus Blättern und Blumen und Früchten. So wurden zunächst nur die Muster der Teppiche nachgeahmt, welche in früherer Zeit die Oeffnun- gen der Fenster verschlossen hatten. Bescheiden ordnete sich diese Malerei den Leisten und Feldern des Fensters unter, und da man auch die innere Chor¬ wand mit Teppichen zu verhängen liebte und mit Teppichen auch den Fu߬ boden belegte oder Wände und Fenster mit Mosaik überzog, so hat der ganze Schmuck der alten Kirche im Basiliken- oder romantischen Stil eine innere Einheit. Immer aber, auch in der spätern Zeit, haben die Muster der Teppiche aus die Glasmalerei großen Einfluß geübt. Auch als der germanische Stil die Fenster durch Stabwerk gliederte, fügt sich dieser architektonischen Grundform noch lange Zeit die bemalte Fläche gehorsam an. In einer Einfassung von Mosaik und Arabesken, durch diese getrennt und wieder verbunden, liegen die wenigen Figurenfelder, auf ihnen Christus, Maria, die Apostel, Evangelisten, einzelne Heilige, meist nur eine Figur, selten mehre. Die Zeichnung der Figuren ist streng wie „die der Arabesken. Immer beabsichtigt man beim Schmuck der Fenster eine kräftige und ungebro¬ chene, durch die Gegenfarben gehobene Farbengebung. Die Farben sind ein-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/290
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/290>, abgerufen am 23.07.2024.