Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.Seele de.S Kaisers schildern. Z. B. "i. August zwei Uhr früh. Er hat ein Einen merkwürdigen Eindruck macht Narbonne in einer Schilderung eines Seele de.S Kaisers schildern. Z. B. „i. August zwei Uhr früh. Er hat ein Einen merkwürdigen Eindruck macht Narbonne in einer Schilderung eines <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100700"/> <p xml:id="ID_693" prev="#ID_692"> Seele de.S Kaisers schildern. Z. B. „i. August zwei Uhr früh. Er hat ein<lb/> Bad genommen; große Aufregung. Wir müssen vorwärts, — die Verlorne<lb/> Zeit wiedergewinnen'. Wir können nicht ewig in diesem jämmerlichen Palast<lb/> des Herzogs von Würtemberg bleiben. S. August ein Uhr früh. Er dictirte<lb/> einen Rapport über die Bewegungen der verschiedenen Armeecorps. Der Ver¬<lb/> such ist fehlgeschlagen! Gebrannte, unreife Roggenkörner gebieten der Seuche<lb/> keinen Stillstand! Dombrowski kann die Festung nicht mit 1200 Pferden ein¬<lb/> nehmen; was nützte uns die Einnahme von Riga? Das einzig mögliche wäre<lb/> jetzt ein ungeheurer Sieg; eine Einnahme von Moskau, welche die Welt in<lb/> Erstaunen setzte. — Der Kaiser hat zwei Stunden geschlafen; er zeigte mir<lb/> den Schimmer des grauenden Morgens'am Horizonte. „„Wir haben immer<lb/> noch fast drei Monate lang schönes Wetter, sagte er. Ich brauchte nicht soviel<lb/> für Austerlitz und Tilsit."" 7. August. Der Kaiser ist wieder sehr unwohl<lb/> gewesen; er hat Opium genommen. „„Duroc"" sagte er, „„wir müssen vorwärts<lb/> oder sterben. Ein Kaiser stirbt stehend und in diesem Falle stirbt er eigentlich<lb/> nicht. Sie furchten die Preußen zwischen Moskau und Frankreich. Gedenken<lb/> Sie an Jena und rechnen Sie lieber auf ihre Furcht als auf ihren Haß.<lb/> Aber wir müssen vorwärts, wir müssen uns rühren."" Der Kaiser ist abermals<lb/> unwohl, dieses Fieber der Ungewißheit muß aufhören!"</p><lb/> <p xml:id="ID_694" next="#ID_695"> Einen merkwürdigen Eindruck macht Narbonne in einer Schilderung eines<lb/> Abends in dem noch brennenden Moskau. In einem großen Salon des<lb/> Kremlin, von einem riesigen Ofen erwärmt und wie zu einem Feste erleuchtet,<lb/> stand Napoleon, umgeben, von einigen der vornehmsten Würdenträger seines<lb/> Hoff. Er ging rasch im Zimmer auf und ab und versuchte eine Unterhaltung<lb/> in Gang zu bringen, an welcher jeder Theil nehmen sollte, die aber wegen<lb/> der trüben Gedanken, die jeden beschäftigten, zu einem beständigen Monolog<lb/> wurde. Der Kaiser sprach von dem zur Verherrlichung eines großen Reichs<lb/> dienenden Glänze, von der Wichtigkeit der Kunst und des Dramas insbe¬<lb/> sondere und von dem Decret über die Organisation des Ilival-rL krautig, daS<lb/> er an demselben Tage (am Is. October) unterzeichnet hatte. „Ich hätte Sie<lb/> um Rath fragen sollen" rief er plötzlich aus, als wäre er entschlossen jeman¬<lb/> den zum Antworten zu nöthigen; Sie sind ein Liebhaber des Theaters, wenn<lb/> ich nicht irre. Doch ziehen Sie die Komödie vor, glaube ich; die Manieren<lb/> der Grand monde, Cellimene, Mademoiselle Contat; nicht wahr? Ich meines-<lb/> theils ziehe die Tragödie allem vor — die"hohe und classische Tragödie, wie<lb/> Corneille sie geschrieben hat.... Ich möchte nur wissen, wovon die Dichter<lb/> meiner Regierung besessen sind; Chenier hat mir mit seinem Kambyses alle<lb/> Geduld vertrieben. Warum stellen sie nicht Karl den Großen, Ludwig den<lb/> Heiligen oder Philipp August dar? Gegen Stoffe aus der Geschichte anderer<lb/> Länder habe ich auch nichts. Warum nehmen sie nicht z. B. Peter den Gro-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0246]
Seele de.S Kaisers schildern. Z. B. „i. August zwei Uhr früh. Er hat ein
Bad genommen; große Aufregung. Wir müssen vorwärts, — die Verlorne
Zeit wiedergewinnen'. Wir können nicht ewig in diesem jämmerlichen Palast
des Herzogs von Würtemberg bleiben. S. August ein Uhr früh. Er dictirte
einen Rapport über die Bewegungen der verschiedenen Armeecorps. Der Ver¬
such ist fehlgeschlagen! Gebrannte, unreife Roggenkörner gebieten der Seuche
keinen Stillstand! Dombrowski kann die Festung nicht mit 1200 Pferden ein¬
nehmen; was nützte uns die Einnahme von Riga? Das einzig mögliche wäre
jetzt ein ungeheurer Sieg; eine Einnahme von Moskau, welche die Welt in
Erstaunen setzte. — Der Kaiser hat zwei Stunden geschlafen; er zeigte mir
den Schimmer des grauenden Morgens'am Horizonte. „„Wir haben immer
noch fast drei Monate lang schönes Wetter, sagte er. Ich brauchte nicht soviel
für Austerlitz und Tilsit."" 7. August. Der Kaiser ist wieder sehr unwohl
gewesen; er hat Opium genommen. „„Duroc"" sagte er, „„wir müssen vorwärts
oder sterben. Ein Kaiser stirbt stehend und in diesem Falle stirbt er eigentlich
nicht. Sie furchten die Preußen zwischen Moskau und Frankreich. Gedenken
Sie an Jena und rechnen Sie lieber auf ihre Furcht als auf ihren Haß.
Aber wir müssen vorwärts, wir müssen uns rühren."" Der Kaiser ist abermals
unwohl, dieses Fieber der Ungewißheit muß aufhören!"
Einen merkwürdigen Eindruck macht Narbonne in einer Schilderung eines
Abends in dem noch brennenden Moskau. In einem großen Salon des
Kremlin, von einem riesigen Ofen erwärmt und wie zu einem Feste erleuchtet,
stand Napoleon, umgeben, von einigen der vornehmsten Würdenträger seines
Hoff. Er ging rasch im Zimmer auf und ab und versuchte eine Unterhaltung
in Gang zu bringen, an welcher jeder Theil nehmen sollte, die aber wegen
der trüben Gedanken, die jeden beschäftigten, zu einem beständigen Monolog
wurde. Der Kaiser sprach von dem zur Verherrlichung eines großen Reichs
dienenden Glänze, von der Wichtigkeit der Kunst und des Dramas insbe¬
sondere und von dem Decret über die Organisation des Ilival-rL krautig, daS
er an demselben Tage (am Is. October) unterzeichnet hatte. „Ich hätte Sie
um Rath fragen sollen" rief er plötzlich aus, als wäre er entschlossen jeman¬
den zum Antworten zu nöthigen; Sie sind ein Liebhaber des Theaters, wenn
ich nicht irre. Doch ziehen Sie die Komödie vor, glaube ich; die Manieren
der Grand monde, Cellimene, Mademoiselle Contat; nicht wahr? Ich meines-
theils ziehe die Tragödie allem vor — die"hohe und classische Tragödie, wie
Corneille sie geschrieben hat.... Ich möchte nur wissen, wovon die Dichter
meiner Regierung besessen sind; Chenier hat mir mit seinem Kambyses alle
Geduld vertrieben. Warum stellen sie nicht Karl den Großen, Ludwig den
Heiligen oder Philipp August dar? Gegen Stoffe aus der Geschichte anderer
Länder habe ich auch nichts. Warum nehmen sie nicht z. B. Peter den Gro-
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