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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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der Kutscher einige Stunden im Gefängniß gewesen, vom Obergericht cassirt
wurde. Von einer Bestrafung der Soldaten aber verlautete nichts.

In Kiel hat das Austreten des Militärs den Bürgern gegenüber bisher
keine Veranlassung zu Klagen gegeben. Das achte Bataillon besteht meist aus
Juten, und der Jute ist zwar in der Regel ein plumper, täppischer Gesell,
aber eine gute Haut. Zudem hält General Krogh, ein durchaus humaner und
ehrenwerther Mann, strenge Manneszucht, und wo ja Provocationen von
Seiten der Dänen vorkommen, werden sie bestraft. Auch die übrigen Offiziere
hüten sich vor Zusammenstößen mit dem Publicum.

Dennoch macht ein Blick auf das Verhältniß der Besatzung zu der Stadt
sehr deutlich den Eindruck einer Occupation. Um zunächst nur eine Aeußer-
lichkeit anzuführen, so standen die Wachen stets mit dem Tornister auf dem
Rücken vor den Schilderhäusern. Ob dies hier immer so gehalten wird, ob
dies überhaupt Gebrauch bei der dänischen Armee ist, weiß ich nicht. Mir
kam dieses omnig, weg, use-um porto anfänglich beinahe vor, als ob man
an die Möglichkeit eines gezwungnen plötzlichen Rückzugs dächte. Wichtiger
aber und ausgemachter ist, daß durchaus kein gesellschaftlicher Verkehr zwischen
den Bürgern einerseits und den dänischen Truppen und etwaigen Beamten
andrerseits herrscht. Eine streng aufrecht erhaltene Scheidewand trennt die letztern
vom General bis zum Gemeinen und vom Curator bis zum Schreiber von
den Einwohnern. Keiner der Eindringlinge, und wäre er noch so achtungs¬
werth und liebenswürdig, hat Zutritt in ein deutsches Haus. Man duldet sie
soweit man muß, aber mit keinem werden mehr Worte gewechselt als unum¬
gänglich nöthig sind. Eine weiß und rothe Cocarde an der Mütze, eine
Danebrogsfahne auf dem Hause heißt die Kieler ausweichen, als ob sie Zeichen
der Pest wären. Sogar der gemeine Mann läßt sich nicht leicht mit einem
der Fremden aus dem Norden ein. Ein Tagelöhner würde sich eines Ver¬
gehens schuldig zu machen glauben, wenn er mit einem Soldaten Arm in
Arm über die Gasse gehen sollte. Kaum ein oder zwei Mal sah ich in den
vier Wochen meines Aufenthalts in Kiel ein Dienstmädchen, mit einem Blau¬
rocke sprechen, obwol nicht anzunehmen ist, daß zweierlei Tuch mit blanken
Knöpfen auf diese Classe des schönen Geschlechts in Holstein eine geringere
Anziehungskraft ausübe als bei uns daheim. Einmal bemerkte ich in einer
Bierwirthschaft, wie der Wirth einem abschiednehmenden Soldaten die Hand
schüttelte. Ich mochte dem braven Manne erstaunt vorkommen, als er sich
umdrehte, und so sagte er verlegen lächelnd: "'s war keiner von die Dänen,
's ist einer von unsre schleöwigholsteinische Musik, die jetzt den Jütländern hier
ausspielen muß."

Daß den Siegern dieser Stolz der Besiegten, der ihrer sprichwörtlichen
grenzenlosen Höflichkeit eine solche beleidigende Kälte entgegensetzt, sie wie


der Kutscher einige Stunden im Gefängniß gewesen, vom Obergericht cassirt
wurde. Von einer Bestrafung der Soldaten aber verlautete nichts.

In Kiel hat das Austreten des Militärs den Bürgern gegenüber bisher
keine Veranlassung zu Klagen gegeben. Das achte Bataillon besteht meist aus
Juten, und der Jute ist zwar in der Regel ein plumper, täppischer Gesell,
aber eine gute Haut. Zudem hält General Krogh, ein durchaus humaner und
ehrenwerther Mann, strenge Manneszucht, und wo ja Provocationen von
Seiten der Dänen vorkommen, werden sie bestraft. Auch die übrigen Offiziere
hüten sich vor Zusammenstößen mit dem Publicum.

Dennoch macht ein Blick auf das Verhältniß der Besatzung zu der Stadt
sehr deutlich den Eindruck einer Occupation. Um zunächst nur eine Aeußer-
lichkeit anzuführen, so standen die Wachen stets mit dem Tornister auf dem
Rücken vor den Schilderhäusern. Ob dies hier immer so gehalten wird, ob
dies überhaupt Gebrauch bei der dänischen Armee ist, weiß ich nicht. Mir
kam dieses omnig, weg, use-um porto anfänglich beinahe vor, als ob man
an die Möglichkeit eines gezwungnen plötzlichen Rückzugs dächte. Wichtiger
aber und ausgemachter ist, daß durchaus kein gesellschaftlicher Verkehr zwischen
den Bürgern einerseits und den dänischen Truppen und etwaigen Beamten
andrerseits herrscht. Eine streng aufrecht erhaltene Scheidewand trennt die letztern
vom General bis zum Gemeinen und vom Curator bis zum Schreiber von
den Einwohnern. Keiner der Eindringlinge, und wäre er noch so achtungs¬
werth und liebenswürdig, hat Zutritt in ein deutsches Haus. Man duldet sie
soweit man muß, aber mit keinem werden mehr Worte gewechselt als unum¬
gänglich nöthig sind. Eine weiß und rothe Cocarde an der Mütze, eine
Danebrogsfahne auf dem Hause heißt die Kieler ausweichen, als ob sie Zeichen
der Pest wären. Sogar der gemeine Mann läßt sich nicht leicht mit einem
der Fremden aus dem Norden ein. Ein Tagelöhner würde sich eines Ver¬
gehens schuldig zu machen glauben, wenn er mit einem Soldaten Arm in
Arm über die Gasse gehen sollte. Kaum ein oder zwei Mal sah ich in den
vier Wochen meines Aufenthalts in Kiel ein Dienstmädchen, mit einem Blau¬
rocke sprechen, obwol nicht anzunehmen ist, daß zweierlei Tuch mit blanken
Knöpfen auf diese Classe des schönen Geschlechts in Holstein eine geringere
Anziehungskraft ausübe als bei uns daheim. Einmal bemerkte ich in einer
Bierwirthschaft, wie der Wirth einem abschiednehmenden Soldaten die Hand
schüttelte. Ich mochte dem braven Manne erstaunt vorkommen, als er sich
umdrehte, und so sagte er verlegen lächelnd: „'s war keiner von die Dänen,
's ist einer von unsre schleöwigholsteinische Musik, die jetzt den Jütländern hier
ausspielen muß."

Daß den Siegern dieser Stolz der Besiegten, der ihrer sprichwörtlichen
grenzenlosen Höflichkeit eine solche beleidigende Kälte entgegensetzt, sie wie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/20>, abgerufen am 24.08.2024.