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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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und Blumen auf die Vorübergehenden herabblicken zu sehen. Einen reizenden
Ueberblick über die Stadt hat man vom "Wißmannsberge" aus. Leider ent¬
behrt sie der zahlreichen Thürme, mit denen sie früher geschmückt gewesen, mit¬
hin eines großartigen kraftvollen Eindrucks, sieht aber trotzdem anmuthig
und heiter in das Land. Die Gruppirung ist malerisch; voran Gärten, dann
die freundliche Stadt, gehoben durch die altersgraue Pfarrkirche und die
großen Gebäude der Herkulesmühlen, welche der Seehandlung zugehören,
dahinter ein lebenvolles Thal, dessen saftiges Grün von der Eisenbahn und
Chaussee und vom Kanäle durchschnitten wird, dann der stattliche Bahnhof
in leuchtendem Hcllroth aus dunkler Waldung hervortretend. Alles vies zu¬
sammengenommen gewährt ein Bild von großer Naturschönheit. Längs dem
Kanäle führen hübsche Spaziergänge durch schattige Laubholzalleen und An¬
lagen voll Ruheplätze und Vergnügungölocale, wohl eine halbe Meile
weit. Auch nach der andern Seite zu ist die Lage der Stadt eine gefällige zu
nennen.

Von Bromberg aus trug mich der Dampfwagen weiter dem Norden zu, an-'
Sargs über grüne hügelige Landstriche fort, dann aber den Hochgelegenen Ufern
des majestätischenWeichselstromes zu, und es ist ein Glück für den'Reisenden, daß
die Ostbahn nicht weiter westlich gezogen worden, sonst würde sie die unwirthbare
tucheler Haide durchschneiden, die sprichwörtlich ist ihrer Unfruchtbarkeit wegen.
Zwar hat man in neuester Zeit jene Wüstenei durch Ueberrieselungen cultur¬
fähig zu machen gesucht, aber das Werk nicht zweckmäßig genug geleitet, so
daß Herr von Vincke nicht übertrieb, wenn er in der Kammer sagte, daß ein
Pfund Heu von dort so billig sei, als ein Pfund Thee. Die plötzliche Aussicht
vom hohen Weichselufer hinab in das tiefe, weite Thal der fruchtbaren culmer
Niederung ist entzückend schön. Das jenseitige User umgrenzt in weiter Ferne
mit Hügeln in Bogenform diesen gesegneten Landstrich, auf dem in bunter Ab¬
wechslung saftige Wiesenflächen, mit weidenden Herden belebt, Baumgruppen
und Gärten um strohgedeckte Landhäuser, schwarze Acker- und gelbe Getreive-
feldcr, schnurgerade Alleen von Weivenbäumen und eine Menge kleiner Ka¬
näle sich ausbreiten, während mitten durch die grüne Landschaft der mäch¬
tige Strom der Weichsel feierlich dahinrauscht, aus seinen breiten Rücken hier
polnische Hochflöße, dort lange Oderkähne mit blendendweißen Segeln oder
wol gar ein in Rauch gehülltes Dampfschiff mit sich führend; keiner der
deutschen Flüsse kann sich im untern Gebiet seines Laufes einer fortdauernd
so malerischen Landschaft rühmen. Auch Monumente einer großen Vergan¬
genheit bieten sich hier unserm Blick dar. Als Hermann von Salza den
trotzigen Ritter Ball von dem fernen Venedig nach dem Preußenlande
sandte, 1228, da war es das culmer Land, in welchem die eisengeharnischten
Ordensbrüder zuerst sich festsetzten. Wer heute aus dem Süden dort hinaus-


Grenzbote". IV. 48lis. 23

und Blumen auf die Vorübergehenden herabblicken zu sehen. Einen reizenden
Ueberblick über die Stadt hat man vom „Wißmannsberge" aus. Leider ent¬
behrt sie der zahlreichen Thürme, mit denen sie früher geschmückt gewesen, mit¬
hin eines großartigen kraftvollen Eindrucks, sieht aber trotzdem anmuthig
und heiter in das Land. Die Gruppirung ist malerisch; voran Gärten, dann
die freundliche Stadt, gehoben durch die altersgraue Pfarrkirche und die
großen Gebäude der Herkulesmühlen, welche der Seehandlung zugehören,
dahinter ein lebenvolles Thal, dessen saftiges Grün von der Eisenbahn und
Chaussee und vom Kanäle durchschnitten wird, dann der stattliche Bahnhof
in leuchtendem Hcllroth aus dunkler Waldung hervortretend. Alles vies zu¬
sammengenommen gewährt ein Bild von großer Naturschönheit. Längs dem
Kanäle führen hübsche Spaziergänge durch schattige Laubholzalleen und An¬
lagen voll Ruheplätze und Vergnügungölocale, wohl eine halbe Meile
weit. Auch nach der andern Seite zu ist die Lage der Stadt eine gefällige zu
nennen.

Von Bromberg aus trug mich der Dampfwagen weiter dem Norden zu, an-'
Sargs über grüne hügelige Landstriche fort, dann aber den Hochgelegenen Ufern
des majestätischenWeichselstromes zu, und es ist ein Glück für den'Reisenden, daß
die Ostbahn nicht weiter westlich gezogen worden, sonst würde sie die unwirthbare
tucheler Haide durchschneiden, die sprichwörtlich ist ihrer Unfruchtbarkeit wegen.
Zwar hat man in neuester Zeit jene Wüstenei durch Ueberrieselungen cultur¬
fähig zu machen gesucht, aber das Werk nicht zweckmäßig genug geleitet, so
daß Herr von Vincke nicht übertrieb, wenn er in der Kammer sagte, daß ein
Pfund Heu von dort so billig sei, als ein Pfund Thee. Die plötzliche Aussicht
vom hohen Weichselufer hinab in das tiefe, weite Thal der fruchtbaren culmer
Niederung ist entzückend schön. Das jenseitige User umgrenzt in weiter Ferne
mit Hügeln in Bogenform diesen gesegneten Landstrich, auf dem in bunter Ab¬
wechslung saftige Wiesenflächen, mit weidenden Herden belebt, Baumgruppen
und Gärten um strohgedeckte Landhäuser, schwarze Acker- und gelbe Getreive-
feldcr, schnurgerade Alleen von Weivenbäumen und eine Menge kleiner Ka¬
näle sich ausbreiten, während mitten durch die grüne Landschaft der mäch¬
tige Strom der Weichsel feierlich dahinrauscht, aus seinen breiten Rücken hier
polnische Hochflöße, dort lange Oderkähne mit blendendweißen Segeln oder
wol gar ein in Rauch gehülltes Dampfschiff mit sich führend; keiner der
deutschen Flüsse kann sich im untern Gebiet seines Laufes einer fortdauernd
so malerischen Landschaft rühmen. Auch Monumente einer großen Vergan¬
genheit bieten sich hier unserm Blick dar. Als Hermann von Salza den
trotzigen Ritter Ball von dem fernen Venedig nach dem Preußenlande
sandte, 1228, da war es das culmer Land, in welchem die eisengeharnischten
Ordensbrüder zuerst sich festsetzten. Wer heute aus dem Süden dort hinaus-


Grenzbote». IV. 48lis. 23
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/185>, abgerufen am 25.08.2024.