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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Bromberg, der Sitz einer Negierung, eines Appellationsgerichts, einer
Oberpost- und Ostbahndirection, liegt zwar t^/s Meilen von der Weichsel ab,
ist aber durch die Lebhaftigkeit des Wasserverkehrs beinahe zu einer Weichsel¬
stadt geworden. Die Stadt, auch von den deutschen Kreuzherren erbaut, war
Jahrhunderte durch äußerst blühend durch Getreidehandel nach Danzig hin und
besaß das Münzrecht, sank aber in der Folge so herab, daß sie bei der Besitz¬
nahme durch Preußen, nachdem sie vorher durch Kriege, Feuersbrünste und
die Pest furchtbar entvölkert worden, einem Schutthaufen glich und nur von
600 Menschen bewohnt war. Und noch heute schließt man aus den vielen
gepflasterten Straßen, Fundamenten und mächtigen Kellern, welche an beiden
Ufern der Brahe, tief unter der Erde verschüttet aufgefunden werden, mit
Recht, daß die Stadt vor ihrer Zerstörung sehr bedeutend gewesen sein muß.
Auch weisen die beim Aufräumen verschütteter Keller in regelloser Aufhäufung
vorgefundenen Menschen- und Thiergerippe aus eine wahrhaft furchtbare
Katastrophe der Vorzeit hin. Vor 20 Jahren ward auch das alte Münzhaus
aufgesunden, indem man bei Aufführung eines neuen Kanaldammes aus ein
altes Gemäuer stieß, worin sich Münzstempel und Silberplatten im Werthe
von einigen tausend Thalern befanden. Seit der preußischen Herrschaft nun
hat die Stadt sich gehoben, wie keine andere, wozu besonders ihre glückliche
Lage am bromberger Kanal, durch den sie mit der Weichsel und Oder in Ver¬
bindung gekommen ist, beigetragen hat; und neuerdings hat sie durch die Ost¬
bahn noch bedeutend an Ausschwung und Lebendigkeit gewonnen. Der Bahn¬
hof, ein imposantes Gebäude, liegt leider eine Viertelmeile von der Stadt,
und man wird, wenn man mit der Post ankommt, nicht in der Stadt, sondern
hier abgesetzt, was zu vielen Unbequemlichkeiten und bereits auch zu einem
Prozesse mit dem Postamte geführt hat, worin dasselbe den Kürzern gezogen
haben soll. Welche wichtige Rolle der Bahnhof im Leben Brombergö führt, zeigt
am deutlichsten der Umstand, daß die Häuser der Stadt ihm immer näher
rücken, ja ihn bald erreicht haben werden. Schon ist das Dorf, worin er
liegt, mit der Stadt vereinigt und eine neue Vorstadt von Bromberg gewor¬
den, und außer der "Bahnhofstraße"^ mit höchst eleganten Häusern sind nach
dem Grundriß des neu zu erbauenden Stadttheiles noch 20 Straßen im Ent¬
stehen begriffen. Die ganze Stadt macht einen überaus freundlichen Eindruck
auf den Fremden, und was mich besonders ansprach, war die Menge moderner
zweistöckiger Häuser, besonders in den Vorstädten, die alle in der Fronte säulen¬
getragene Portale haben, zu welchen steinerne Stufen hinaufführen. Zu jeder
Seite solchen TreppenbalkonS steht eine Bank unter einer Laube von Epheu
mit einem Tischchen davor, und hier pflegen bei günstigem Wetter die Bewohner
des Hauses zu sitzen, zu arbeiten und zu plaudern, und es gewährt ein angenehmes
Bild, die hübschen und heitern Frauengestalten zwischen grünem Blätterschmuck


Bromberg, der Sitz einer Negierung, eines Appellationsgerichts, einer
Oberpost- und Ostbahndirection, liegt zwar t^/s Meilen von der Weichsel ab,
ist aber durch die Lebhaftigkeit des Wasserverkehrs beinahe zu einer Weichsel¬
stadt geworden. Die Stadt, auch von den deutschen Kreuzherren erbaut, war
Jahrhunderte durch äußerst blühend durch Getreidehandel nach Danzig hin und
besaß das Münzrecht, sank aber in der Folge so herab, daß sie bei der Besitz¬
nahme durch Preußen, nachdem sie vorher durch Kriege, Feuersbrünste und
die Pest furchtbar entvölkert worden, einem Schutthaufen glich und nur von
600 Menschen bewohnt war. Und noch heute schließt man aus den vielen
gepflasterten Straßen, Fundamenten und mächtigen Kellern, welche an beiden
Ufern der Brahe, tief unter der Erde verschüttet aufgefunden werden, mit
Recht, daß die Stadt vor ihrer Zerstörung sehr bedeutend gewesen sein muß.
Auch weisen die beim Aufräumen verschütteter Keller in regelloser Aufhäufung
vorgefundenen Menschen- und Thiergerippe aus eine wahrhaft furchtbare
Katastrophe der Vorzeit hin. Vor 20 Jahren ward auch das alte Münzhaus
aufgesunden, indem man bei Aufführung eines neuen Kanaldammes aus ein
altes Gemäuer stieß, worin sich Münzstempel und Silberplatten im Werthe
von einigen tausend Thalern befanden. Seit der preußischen Herrschaft nun
hat die Stadt sich gehoben, wie keine andere, wozu besonders ihre glückliche
Lage am bromberger Kanal, durch den sie mit der Weichsel und Oder in Ver¬
bindung gekommen ist, beigetragen hat; und neuerdings hat sie durch die Ost¬
bahn noch bedeutend an Ausschwung und Lebendigkeit gewonnen. Der Bahn¬
hof, ein imposantes Gebäude, liegt leider eine Viertelmeile von der Stadt,
und man wird, wenn man mit der Post ankommt, nicht in der Stadt, sondern
hier abgesetzt, was zu vielen Unbequemlichkeiten und bereits auch zu einem
Prozesse mit dem Postamte geführt hat, worin dasselbe den Kürzern gezogen
haben soll. Welche wichtige Rolle der Bahnhof im Leben Brombergö führt, zeigt
am deutlichsten der Umstand, daß die Häuser der Stadt ihm immer näher
rücken, ja ihn bald erreicht haben werden. Schon ist das Dorf, worin er
liegt, mit der Stadt vereinigt und eine neue Vorstadt von Bromberg gewor¬
den, und außer der „Bahnhofstraße"^ mit höchst eleganten Häusern sind nach
dem Grundriß des neu zu erbauenden Stadttheiles noch 20 Straßen im Ent¬
stehen begriffen. Die ganze Stadt macht einen überaus freundlichen Eindruck
auf den Fremden, und was mich besonders ansprach, war die Menge moderner
zweistöckiger Häuser, besonders in den Vorstädten, die alle in der Fronte säulen¬
getragene Portale haben, zu welchen steinerne Stufen hinaufführen. Zu jeder
Seite solchen TreppenbalkonS steht eine Bank unter einer Laube von Epheu
mit einem Tischchen davor, und hier pflegen bei günstigem Wetter die Bewohner
des Hauses zu sitzen, zu arbeiten und zu plaudern, und es gewährt ein angenehmes
Bild, die hübschen und heitern Frauengestalten zwischen grünem Blätterschmuck


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[0184] Bromberg, der Sitz einer Negierung, eines Appellationsgerichts, einer Oberpost- und Ostbahndirection, liegt zwar t^/s Meilen von der Weichsel ab, ist aber durch die Lebhaftigkeit des Wasserverkehrs beinahe zu einer Weichsel¬ stadt geworden. Die Stadt, auch von den deutschen Kreuzherren erbaut, war Jahrhunderte durch äußerst blühend durch Getreidehandel nach Danzig hin und besaß das Münzrecht, sank aber in der Folge so herab, daß sie bei der Besitz¬ nahme durch Preußen, nachdem sie vorher durch Kriege, Feuersbrünste und die Pest furchtbar entvölkert worden, einem Schutthaufen glich und nur von 600 Menschen bewohnt war. Und noch heute schließt man aus den vielen gepflasterten Straßen, Fundamenten und mächtigen Kellern, welche an beiden Ufern der Brahe, tief unter der Erde verschüttet aufgefunden werden, mit Recht, daß die Stadt vor ihrer Zerstörung sehr bedeutend gewesen sein muß. Auch weisen die beim Aufräumen verschütteter Keller in regelloser Aufhäufung vorgefundenen Menschen- und Thiergerippe aus eine wahrhaft furchtbare Katastrophe der Vorzeit hin. Vor 20 Jahren ward auch das alte Münzhaus aufgesunden, indem man bei Aufführung eines neuen Kanaldammes aus ein altes Gemäuer stieß, worin sich Münzstempel und Silberplatten im Werthe von einigen tausend Thalern befanden. Seit der preußischen Herrschaft nun hat die Stadt sich gehoben, wie keine andere, wozu besonders ihre glückliche Lage am bromberger Kanal, durch den sie mit der Weichsel und Oder in Ver¬ bindung gekommen ist, beigetragen hat; und neuerdings hat sie durch die Ost¬ bahn noch bedeutend an Ausschwung und Lebendigkeit gewonnen. Der Bahn¬ hof, ein imposantes Gebäude, liegt leider eine Viertelmeile von der Stadt, und man wird, wenn man mit der Post ankommt, nicht in der Stadt, sondern hier abgesetzt, was zu vielen Unbequemlichkeiten und bereits auch zu einem Prozesse mit dem Postamte geführt hat, worin dasselbe den Kürzern gezogen haben soll. Welche wichtige Rolle der Bahnhof im Leben Brombergö führt, zeigt am deutlichsten der Umstand, daß die Häuser der Stadt ihm immer näher rücken, ja ihn bald erreicht haben werden. Schon ist das Dorf, worin er liegt, mit der Stadt vereinigt und eine neue Vorstadt von Bromberg gewor¬ den, und außer der „Bahnhofstraße"^ mit höchst eleganten Häusern sind nach dem Grundriß des neu zu erbauenden Stadttheiles noch 20 Straßen im Ent¬ stehen begriffen. Die ganze Stadt macht einen überaus freundlichen Eindruck auf den Fremden, und was mich besonders ansprach, war die Menge moderner zweistöckiger Häuser, besonders in den Vorstädten, die alle in der Fronte säulen¬ getragene Portale haben, zu welchen steinerne Stufen hinaufführen. Zu jeder Seite solchen TreppenbalkonS steht eine Bank unter einer Laube von Epheu mit einem Tischchen davor, und hier pflegen bei günstigem Wetter die Bewohner des Hauses zu sitzen, zu arbeiten und zu plaudern, und es gewährt ein angenehmes Bild, die hübschen und heitern Frauengestalten zwischen grünem Blätterschmuck

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/184>, abgerufen am 25.08.2024.