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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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damit endete, daß der Bürgermeister Nößner und mit ihm viele angesehene
Bürger hingerichtet wurden. Als im Jahre 1772 Westpreußen an die preußi¬
sche Krone kam, verblieb Thorn wie Danzig noch unter polnischer Herrschaft.
Indeß sank hier wie dort der Wohlstand durch die vielfachen Handelsbedrückun¬
gen , die für die Weichselbeschiffung von Seiten Friedrichs des Großen an¬
geordnet waren und erst seit der Vereinigung mit Preußen, 1793, blühte der
Handel und mit ihm der Wohlstand der Bürger neu auf. Seit dem Jahre 1809
ward die Stadt mit großen Kosten wieder zu einer Festung gemacht und nimmt
als solche eine wichtige Stelle ein.

Dem Fremden, der sich der Stadt von der Wasserseite her nähert, tritt
Thorn, mit Ring- und Festungsmauern umgeben, recht imposant entgegen
und zeigt seinem Hauptcharakter nach noch viel Alterthümliches. Doch ver¬
mißt man ungern an ihm hohe und kühn sich erhebende Thürme, an denen
Danzig z. B. noch so reich ist. Nur hohe Kirchdächer und einzelne klotzartig
abgestumpfte Thürme ragen über die übrige Häusermasse empor. Weniger an¬
sprechend war früher die Annäherung von andern Seiten der Stadt her. Rings¬
herum lagerte sich meilenweiter Sand, der gegenwärtig der Cultur schon ganz
gewichen und von freundlichen Anpflanzungen, Landhäusern und Villen ver¬
drängt ist. Ein echt alterthümliches Gepräge zeigen aber noch die meisten Stra¬
ßen der Stadt. Wir erblicken in ihnen noch jene alten gothischen Giebelhäuser,
i>--S Stockwerk hoch, von altersgrauer Farbe und mit Zinnen, thurmartigen
Pfeilern und Wetterfahnen versehen; doch greifen moderne Neubauten leider
auch hier immermehr störend um sich. Die Stadt zerfällt in die Alt- und Neu¬
stadt, beide noch durch eine alte Stadtmauer geschieden und besonders reich an
schmucken Thürmen war die Ringmauer, durch welche neun stattliche Thore
zur Stadt führten. Jeder der Hauptstadttheile enthält einen sehr geräuirtigen
Marktplatz und zeichnet sich der der Altstadt durch die besondere Stattlichkeit
der ihn umgebenden Häuser aus. Aus seiner Mitte erhebt sich das imposante
Rathhaus, im Jahre 1602 nach dem Muster des amsterdamer erbaut und
erinnern seine mit Ebenholz und Elfenbein ausgelegten Thürme, die Marmor¬
tische und reichen Wandgemälde an den ehemaligen Wohlstand der Bürgerschaft.
Vor ihm prangt Thorrs Stolz, das strahlend vergoldete Erzbild des großen
Köper nicus von Tieck. Solange Thorn im vollen Glänze des Reichthums
war, dachte es kaum daran, die Ehrenschuld an den Mann abzutragen, der
hier geboren, später als Reformator der Astronomie auftrat; erst in unsrer Zeit
haben die Thorner, ihn ehrend, sich selbst geehrt und ihrer Stadt zugleich ein
stattlich Werk der Kunst gegeben. Unter den S Kirchen der Stadt zeichnet
sich die dreischiffige Pfarrkirche zu Se. Johann durch einfache Würde aus;
jedoch erscheint der Thurm am Haupteingange plump und geschmacklos: er
ist zu mächtig gegründet und konnte nicht ausgeführt werden, wie man Mit


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damit endete, daß der Bürgermeister Nößner und mit ihm viele angesehene
Bürger hingerichtet wurden. Als im Jahre 1772 Westpreußen an die preußi¬
sche Krone kam, verblieb Thorn wie Danzig noch unter polnischer Herrschaft.
Indeß sank hier wie dort der Wohlstand durch die vielfachen Handelsbedrückun¬
gen , die für die Weichselbeschiffung von Seiten Friedrichs des Großen an¬
geordnet waren und erst seit der Vereinigung mit Preußen, 1793, blühte der
Handel und mit ihm der Wohlstand der Bürger neu auf. Seit dem Jahre 1809
ward die Stadt mit großen Kosten wieder zu einer Festung gemacht und nimmt
als solche eine wichtige Stelle ein.

Dem Fremden, der sich der Stadt von der Wasserseite her nähert, tritt
Thorn, mit Ring- und Festungsmauern umgeben, recht imposant entgegen
und zeigt seinem Hauptcharakter nach noch viel Alterthümliches. Doch ver¬
mißt man ungern an ihm hohe und kühn sich erhebende Thürme, an denen
Danzig z. B. noch so reich ist. Nur hohe Kirchdächer und einzelne klotzartig
abgestumpfte Thürme ragen über die übrige Häusermasse empor. Weniger an¬
sprechend war früher die Annäherung von andern Seiten der Stadt her. Rings¬
herum lagerte sich meilenweiter Sand, der gegenwärtig der Cultur schon ganz
gewichen und von freundlichen Anpflanzungen, Landhäusern und Villen ver¬
drängt ist. Ein echt alterthümliches Gepräge zeigen aber noch die meisten Stra¬
ßen der Stadt. Wir erblicken in ihnen noch jene alten gothischen Giebelhäuser,
i>—S Stockwerk hoch, von altersgrauer Farbe und mit Zinnen, thurmartigen
Pfeilern und Wetterfahnen versehen; doch greifen moderne Neubauten leider
auch hier immermehr störend um sich. Die Stadt zerfällt in die Alt- und Neu¬
stadt, beide noch durch eine alte Stadtmauer geschieden und besonders reich an
schmucken Thürmen war die Ringmauer, durch welche neun stattliche Thore
zur Stadt führten. Jeder der Hauptstadttheile enthält einen sehr geräuirtigen
Marktplatz und zeichnet sich der der Altstadt durch die besondere Stattlichkeit
der ihn umgebenden Häuser aus. Aus seiner Mitte erhebt sich das imposante
Rathhaus, im Jahre 1602 nach dem Muster des amsterdamer erbaut und
erinnern seine mit Ebenholz und Elfenbein ausgelegten Thürme, die Marmor¬
tische und reichen Wandgemälde an den ehemaligen Wohlstand der Bürgerschaft.
Vor ihm prangt Thorrs Stolz, das strahlend vergoldete Erzbild des großen
Köper nicus von Tieck. Solange Thorn im vollen Glänze des Reichthums
war, dachte es kaum daran, die Ehrenschuld an den Mann abzutragen, der
hier geboren, später als Reformator der Astronomie auftrat; erst in unsrer Zeit
haben die Thorner, ihn ehrend, sich selbst geehrt und ihrer Stadt zugleich ein
stattlich Werk der Kunst gegeben. Unter den S Kirchen der Stadt zeichnet
sich die dreischiffige Pfarrkirche zu Se. Johann durch einfache Würde aus;
jedoch erscheint der Thurm am Haupteingange plump und geschmacklos: er
ist zu mächtig gegründet und konnte nicht ausgeführt werden, wie man Mit


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[0179] damit endete, daß der Bürgermeister Nößner und mit ihm viele angesehene Bürger hingerichtet wurden. Als im Jahre 1772 Westpreußen an die preußi¬ sche Krone kam, verblieb Thorn wie Danzig noch unter polnischer Herrschaft. Indeß sank hier wie dort der Wohlstand durch die vielfachen Handelsbedrückun¬ gen , die für die Weichselbeschiffung von Seiten Friedrichs des Großen an¬ geordnet waren und erst seit der Vereinigung mit Preußen, 1793, blühte der Handel und mit ihm der Wohlstand der Bürger neu auf. Seit dem Jahre 1809 ward die Stadt mit großen Kosten wieder zu einer Festung gemacht und nimmt als solche eine wichtige Stelle ein. Dem Fremden, der sich der Stadt von der Wasserseite her nähert, tritt Thorn, mit Ring- und Festungsmauern umgeben, recht imposant entgegen und zeigt seinem Hauptcharakter nach noch viel Alterthümliches. Doch ver¬ mißt man ungern an ihm hohe und kühn sich erhebende Thürme, an denen Danzig z. B. noch so reich ist. Nur hohe Kirchdächer und einzelne klotzartig abgestumpfte Thürme ragen über die übrige Häusermasse empor. Weniger an¬ sprechend war früher die Annäherung von andern Seiten der Stadt her. Rings¬ herum lagerte sich meilenweiter Sand, der gegenwärtig der Cultur schon ganz gewichen und von freundlichen Anpflanzungen, Landhäusern und Villen ver¬ drängt ist. Ein echt alterthümliches Gepräge zeigen aber noch die meisten Stra¬ ßen der Stadt. Wir erblicken in ihnen noch jene alten gothischen Giebelhäuser, i>—S Stockwerk hoch, von altersgrauer Farbe und mit Zinnen, thurmartigen Pfeilern und Wetterfahnen versehen; doch greifen moderne Neubauten leider auch hier immermehr störend um sich. Die Stadt zerfällt in die Alt- und Neu¬ stadt, beide noch durch eine alte Stadtmauer geschieden und besonders reich an schmucken Thürmen war die Ringmauer, durch welche neun stattliche Thore zur Stadt führten. Jeder der Hauptstadttheile enthält einen sehr geräuirtigen Marktplatz und zeichnet sich der der Altstadt durch die besondere Stattlichkeit der ihn umgebenden Häuser aus. Aus seiner Mitte erhebt sich das imposante Rathhaus, im Jahre 1602 nach dem Muster des amsterdamer erbaut und erinnern seine mit Ebenholz und Elfenbein ausgelegten Thürme, die Marmor¬ tische und reichen Wandgemälde an den ehemaligen Wohlstand der Bürgerschaft. Vor ihm prangt Thorrs Stolz, das strahlend vergoldete Erzbild des großen Köper nicus von Tieck. Solange Thorn im vollen Glänze des Reichthums war, dachte es kaum daran, die Ehrenschuld an den Mann abzutragen, der hier geboren, später als Reformator der Astronomie auftrat; erst in unsrer Zeit haben die Thorner, ihn ehrend, sich selbst geehrt und ihrer Stadt zugleich ein stattlich Werk der Kunst gegeben. Unter den S Kirchen der Stadt zeichnet sich die dreischiffige Pfarrkirche zu Se. Johann durch einfache Würde aus; jedoch erscheint der Thurm am Haupteingange plump und geschmacklos: er ist zu mächtig gegründet und konnte nicht ausgeführt werden, wie man Mit 22 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/179>, abgerufen am 02.10.2024.