Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.neigenden Stimmung des serbischen Landvolkes, entweder keine Sympathien für diese Von der Bastion in Rissa aus sah ich viele serbische Reiter draußen, Ich weiß nicht, ob die Annahme sür berechtigt gelten kann, wonach Rissa, in Verbindung mit der Citadelle von Belgrad und mit Widdin, sind neigenden Stimmung des serbischen Landvolkes, entweder keine Sympathien für diese Von der Bastion in Rissa aus sah ich viele serbische Reiter draußen, Ich weiß nicht, ob die Annahme sür berechtigt gelten kann, wonach Rissa, in Verbindung mit der Citadelle von Belgrad und mit Widdin, sind <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100602"/> <p xml:id="ID_427" prev="#ID_426"> neigenden Stimmung des serbischen Landvolkes, entweder keine Sympathien für diese<lb/> Nation vor, entschieden aber geringere, wie sür die ihr verwandten Bulgaren. Die<lb/> Serben sind, mit diesen verglichen, ein stolzer und entschieden kriegerischer<lb/> Volksstamm; man darf sagen, der voraussichtliche Kern, um den, wie sich schon<lb/> jetzt nicht verkennen läßt, das slawische Element in diesen Landen dereinst sich<lb/> gruppiren wird, wenn es, in historischen Fluß gerathen, sich zur Vollbringung<lb/> größrer staatlicher Gestaltungen aufraffen sollte. Belgrad, die politische, nicht<lb/> geographische Mitte des heutigen Serbien, wäre das bleibende Centrum, von<lb/> dem aus das Ganze seine Leitung empfangen würde. Aber die Zeiten, in<lb/> denen diese Voraussicht sich erfüllen könnte, liegen allem Anschein nach sehr<lb/> fern.</p><lb/> <p xml:id="ID_428"> Von der Bastion in Rissa aus sah ich viele serbische Reiter draußen,<lb/> jenseits des Grabens, an der Festung entlang des Weges ziehen. Sie weichen<lb/> in ihrem Costüm merklich von den Arnauten ab, die, von hier südwärts, nach<lb/> Makedonien und Albanien zu in den Bergen wohnen. Es spricht sich in<lb/> ihrem Anzüge, möchte ich sagen, eine jener Grundbeziehungen des slawischen<lb/> Charakters aus, ich meine das Verhältniß dieses Volkes zum Pferde und<lb/> vermöge welches sie eine Neiternation genannt werden können. In dem Berg¬<lb/> terrain, welches dem Tummeln des Rosses einen nur beschränkten Spielraum<lb/> läßt, ist dieser Grundzug nicht untergegangen und er spricht sich nicht minder<lb/> in der Kopfbedeckung mit dem unter dem Kinn zusammengezogenen Sturmband,<lb/> wie in der knappen Neitjacke mit weiten Aermeln und in den an die ungari¬<lb/> schen erinnernden, reich besetzten Beinkleidern aus. Der Kamtschik (Peitsche)<lb/> ist fast in jedes Serben Hand. Aber als eine Zugabe der Berge in der gute<lb/> Schützen sich am leichtesten bilden, hängt über des Reiters Schulter die lang¬<lb/> läufige Flinte hernieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_429"> Ich weiß nicht, ob die Annahme sür berechtigt gelten kann, wonach<lb/> Serbien als fähig erachtet wird, eine Armee von 30,000 Mann aufzustellen,<lb/> wenn die Landesinteressen eine Gewaltanstrengung erheischen sollten. Der<lb/> Umstand, daß diese Masse aus guten Reitern und Schützen bestehen würde,<lb/> bürgt indeß für ihren Werth. Nach dem türkischen Urtheil sind die Serben<lb/> listig und feig und wenig zu Wagnissen geneigt; indeß erscheint mir dieses<lb/> Urtheil mehr wie ein Ausfluß der zwischen beiden Völkern bestehenden Anti¬<lb/> pathien, als eine unparteiische Meinungsäußerung.</p><lb/> <p xml:id="ID_430" next="#ID_431"> Rissa, in Verbindung mit der Citadelle von Belgrad und mit Widdin, sind<lb/> die drei befestigten Positionen, von denen aus der osmanische Staat das auf¬<lb/> strebende Serbenthum in seiner Mitte wie auf seiner Umfangslinie umfaßt hält, und<lb/> wo die Kräfte einst ihre Stütze finden würden, die berufen sein möchten, zur Auf¬<lb/> rechterhaltung der türkischen Kriegsobergewalt in den Kampf zu treten. Rissa wie<lb/> Widdin hat indeß noch eine andere' Bestimmung. Diese beiden Festungen sind</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0148]
neigenden Stimmung des serbischen Landvolkes, entweder keine Sympathien für diese
Nation vor, entschieden aber geringere, wie sür die ihr verwandten Bulgaren. Die
Serben sind, mit diesen verglichen, ein stolzer und entschieden kriegerischer
Volksstamm; man darf sagen, der voraussichtliche Kern, um den, wie sich schon
jetzt nicht verkennen läßt, das slawische Element in diesen Landen dereinst sich
gruppiren wird, wenn es, in historischen Fluß gerathen, sich zur Vollbringung
größrer staatlicher Gestaltungen aufraffen sollte. Belgrad, die politische, nicht
geographische Mitte des heutigen Serbien, wäre das bleibende Centrum, von
dem aus das Ganze seine Leitung empfangen würde. Aber die Zeiten, in
denen diese Voraussicht sich erfüllen könnte, liegen allem Anschein nach sehr
fern.
Von der Bastion in Rissa aus sah ich viele serbische Reiter draußen,
jenseits des Grabens, an der Festung entlang des Weges ziehen. Sie weichen
in ihrem Costüm merklich von den Arnauten ab, die, von hier südwärts, nach
Makedonien und Albanien zu in den Bergen wohnen. Es spricht sich in
ihrem Anzüge, möchte ich sagen, eine jener Grundbeziehungen des slawischen
Charakters aus, ich meine das Verhältniß dieses Volkes zum Pferde und
vermöge welches sie eine Neiternation genannt werden können. In dem Berg¬
terrain, welches dem Tummeln des Rosses einen nur beschränkten Spielraum
läßt, ist dieser Grundzug nicht untergegangen und er spricht sich nicht minder
in der Kopfbedeckung mit dem unter dem Kinn zusammengezogenen Sturmband,
wie in der knappen Neitjacke mit weiten Aermeln und in den an die ungari¬
schen erinnernden, reich besetzten Beinkleidern aus. Der Kamtschik (Peitsche)
ist fast in jedes Serben Hand. Aber als eine Zugabe der Berge in der gute
Schützen sich am leichtesten bilden, hängt über des Reiters Schulter die lang¬
läufige Flinte hernieder.
Ich weiß nicht, ob die Annahme sür berechtigt gelten kann, wonach
Serbien als fähig erachtet wird, eine Armee von 30,000 Mann aufzustellen,
wenn die Landesinteressen eine Gewaltanstrengung erheischen sollten. Der
Umstand, daß diese Masse aus guten Reitern und Schützen bestehen würde,
bürgt indeß für ihren Werth. Nach dem türkischen Urtheil sind die Serben
listig und feig und wenig zu Wagnissen geneigt; indeß erscheint mir dieses
Urtheil mehr wie ein Ausfluß der zwischen beiden Völkern bestehenden Anti¬
pathien, als eine unparteiische Meinungsäußerung.
Rissa, in Verbindung mit der Citadelle von Belgrad und mit Widdin, sind
die drei befestigten Positionen, von denen aus der osmanische Staat das auf¬
strebende Serbenthum in seiner Mitte wie auf seiner Umfangslinie umfaßt hält, und
wo die Kräfte einst ihre Stütze finden würden, die berufen sein möchten, zur Auf¬
rechterhaltung der türkischen Kriegsobergewalt in den Kampf zu treten. Rissa wie
Widdin hat indeß noch eine andere' Bestimmung. Diese beiden Festungen sind
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |