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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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die Zustimmung Napoleons zu der Wahl zu erhalten. Karl XIII. zog ihn
deshalb in Betreff des Herzogs von Augustenburg zu Rathe. Napoleon ant¬
wortete in allgemeinen und unbestimmten Ausdrücken, er wünsche auf die Wahl
nicht einzuwirken, der vom König und Reichstag Gewählte werde ihm gewiß
genehm sein. Die Schweden glaubten, er wünsche die Wahl des König
Friedrich Vl. von Dänemark und in diesem Sinne sprach sich auch ein Artikel
des "Journal de l'Empire" vom -17. Juni -1810 aus. Der französische Ge¬
sandte in Petersburg, Herzog von Vicenza, sagte dem schwedischen Gesandten
Stedingk: "das Project einer Union mit Dänemark verdient Ihre ganze Auf¬
merksamkeit. Bedenken Sie, wie precär Ihre Lage ist und daß Sie von Ru߬
land alles zu fürchten haben, nicht bei Lebzeiten des Kaiser Alexander, aber
unter seinen Nachfolgern. Die Vereinigung der drei Kronen würde Sie stark
machen und gegen die Angriffe Ihres Nachbarn schützen." Ebenso sprach sich
der französische Gesandte in Stockholm, Desaugiers, aus. Er setzte einen
Reichötagsabgeorneten des schwedischen Bürgerstandes du' Vortheile einer scan-
dinavischen Union auseinander; sie würde Schweden dem verderblichen Einfluß
Rußlands, deu schwedischen Handel dem englischen Einfluß entreißen. "Ihr
Land ist jetzt der Gnade Rußlands Preis gegeben. Das gute EinVerständniß
zwischen Rußland und Frankreich kann einmal aufhören. Wenn sie dann nicht
stärker sind, als jetzt, ist es um Schweden geschehen. 40,000 Russen werden
es erobern können, während Sie mit der Union leicht ihnen -100,000 Mann
entgegenstellen würden. Was den Handel betrifft, so würde die Union
Ihnen es ^möglich machen, bie Ostsee zu schließen. Ein Krieg mit Eng¬
land würde alsdann nur theilweise Ihrer Schiffahrt, aber gar nicht
Ihrem Handel schaden, da die Ostsee und der ganze Kontinent Ihnen offen
bleiben. Beseitigen Sie also die Vorurtheile." Lagerbiclke, der schwedische
Gesandte in Paris, theilte seinerseits die Aeußerungen Napoleons mit, als
derselbe den Brief Karls XIII. empfing: "Hüten Sie sich wohl. Der russische
Koloß droht Sie zu vernichten. Auf der einen Seite sehe ich ihn schon an
den Küsten der Ostsee, auf der andern schaut er mit begehrlichen Augen nach
der Donau. Sie müssen sich Dänemark nähern. Es gibt kein anderes Mittel
für Sie, sich gegen Rußland zu schützen. Ich bin zu weit entfernt von Ihnen.
Vergessen Sie alle thörichte Eifersucht und Alles wird gut gehen." Kein
Zweifel: Napoleon wünschte die scandinavische Union. Es war voraus¬
zusehen, daß die Allianz Frankreichs mit Rußland nicht mehr lange dauern
werde. Nachdem Rußland aus der französischen Allianz alle Vortheile gezogen,
nachdem es die Alandsinseln auf das stärkste befestigt hatte, schien es geneigt,
mit Napoleon zu brechen und England sich zu nähern. Aber sein Plan
scheiterte an dem Nationalhaß zwischen Schweden und Dänemark.

Unter diesen Verhältnissen that sich plötzlich eine neue Candidatur aus,


die Zustimmung Napoleons zu der Wahl zu erhalten. Karl XIII. zog ihn
deshalb in Betreff des Herzogs von Augustenburg zu Rathe. Napoleon ant¬
wortete in allgemeinen und unbestimmten Ausdrücken, er wünsche auf die Wahl
nicht einzuwirken, der vom König und Reichstag Gewählte werde ihm gewiß
genehm sein. Die Schweden glaubten, er wünsche die Wahl des König
Friedrich Vl. von Dänemark und in diesem Sinne sprach sich auch ein Artikel
des „Journal de l'Empire" vom -17. Juni -1810 aus. Der französische Ge¬
sandte in Petersburg, Herzog von Vicenza, sagte dem schwedischen Gesandten
Stedingk: „das Project einer Union mit Dänemark verdient Ihre ganze Auf¬
merksamkeit. Bedenken Sie, wie precär Ihre Lage ist und daß Sie von Ru߬
land alles zu fürchten haben, nicht bei Lebzeiten des Kaiser Alexander, aber
unter seinen Nachfolgern. Die Vereinigung der drei Kronen würde Sie stark
machen und gegen die Angriffe Ihres Nachbarn schützen." Ebenso sprach sich
der französische Gesandte in Stockholm, Desaugiers, aus. Er setzte einen
Reichötagsabgeorneten des schwedischen Bürgerstandes du' Vortheile einer scan-
dinavischen Union auseinander; sie würde Schweden dem verderblichen Einfluß
Rußlands, deu schwedischen Handel dem englischen Einfluß entreißen. „Ihr
Land ist jetzt der Gnade Rußlands Preis gegeben. Das gute EinVerständniß
zwischen Rußland und Frankreich kann einmal aufhören. Wenn sie dann nicht
stärker sind, als jetzt, ist es um Schweden geschehen. 40,000 Russen werden
es erobern können, während Sie mit der Union leicht ihnen -100,000 Mann
entgegenstellen würden. Was den Handel betrifft, so würde die Union
Ihnen es ^möglich machen, bie Ostsee zu schließen. Ein Krieg mit Eng¬
land würde alsdann nur theilweise Ihrer Schiffahrt, aber gar nicht
Ihrem Handel schaden, da die Ostsee und der ganze Kontinent Ihnen offen
bleiben. Beseitigen Sie also die Vorurtheile." Lagerbiclke, der schwedische
Gesandte in Paris, theilte seinerseits die Aeußerungen Napoleons mit, als
derselbe den Brief Karls XIII. empfing: „Hüten Sie sich wohl. Der russische
Koloß droht Sie zu vernichten. Auf der einen Seite sehe ich ihn schon an
den Küsten der Ostsee, auf der andern schaut er mit begehrlichen Augen nach
der Donau. Sie müssen sich Dänemark nähern. Es gibt kein anderes Mittel
für Sie, sich gegen Rußland zu schützen. Ich bin zu weit entfernt von Ihnen.
Vergessen Sie alle thörichte Eifersucht und Alles wird gut gehen." Kein
Zweifel: Napoleon wünschte die scandinavische Union. Es war voraus¬
zusehen, daß die Allianz Frankreichs mit Rußland nicht mehr lange dauern
werde. Nachdem Rußland aus der französischen Allianz alle Vortheile gezogen,
nachdem es die Alandsinseln auf das stärkste befestigt hatte, schien es geneigt,
mit Napoleon zu brechen und England sich zu nähern. Aber sein Plan
scheiterte an dem Nationalhaß zwischen Schweden und Dänemark.

Unter diesen Verhältnissen that sich plötzlich eine neue Candidatur aus,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/141>, abgerufen am 26.06.2024.