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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Zwischen Himmel und Erde ist indeß ein weiter Raum. Auch ist es
nicht Gebrauch, sich an die oberste Instanz zu wenden, wo an die zweite noch
nicht appellirt ist. Diese zweite Instanz aber ist das klüger gewordene Deutsch¬
land, ist die jetzt allem Anschein nach regere Selbstachtung, ist das National¬
gefühl des deutschen Volkes, dessen Wiege wir nicht für seinen Sarg halten
wollen und' dessen Vertreter wol in einer schwachen Stunde in Verträge willi¬
gen konnten, deren Konsequenzen die Marksteine seiner Nordgrenze um vierzig
Meilen vorrückten, von dem wir aber zu Gott hoffen, es werde bald auch eine
starke Stunde haben, in der es sich ermannt, jene schmachvollen Verträge
zerreißt und mit einem millionenstimmigem: "Nein und nein und nimmermehr!"
vor und wenn es sein muß gegen ganz Europa das Ergebniß jener Fahr¬
lässigkeit widerruft und sür sein erklärt, was das Seine ist.

Wir haben in einer Zeit kläglicher Zerrissenheit zwei deutsche Länder jen¬
seits des Rheins verloren, gewiß auf immer verloren. Sehen wir zu, daß
uns nicht jenseits der Elbe ein Gleiches geschieht. Sorgen wir, daß das Wort
der Pessimisten: "Die Deutschen lassen sich alles bieten" nicht zum Sprichworte
werde. Schon steht die Einverleibung der Herzogthümer in daS Kongerig
Danmark nicht mehr blos auf dem Papiere. Schon ist mehr als der Anfang
zur Verwirklichung dieses alten LieblingsprojectS der dänischen Könige gemacht
und wenn das Ende das Werk noch nicht krönt, so liegt die Schuld sicherlich nicht
am Willen der Herren in Kopenhagen. Ihre Rührigkeit ist groß. Ihre Ent¬
schlossenheit schrickt vor keiner Rechtsverletzung zurück. Nur der Widerspruch
in der Wahl der Mittel zur Danisirung des Landes, nur der zähe Widerstand,
der dem Plane von Seiten des Volkes bis auf die Kinder herab entgegen¬
gesetzt wird, hat die erfolgreiche Ausführung der dahin zielenden Maßregeln bis
zur Stunde vereitelt und wird noch eine Weile hindern, daß die böse Saat
Wurzel faßt und Früchte trägt.

Aber wie lange wird diese Frist währen? Auch der beste Bogen verliert,
zu lange gespannt, seine Kraft. Auch der tiefste und vollste Beutel wirb endlich
leer, wenn er unablässig das Festhalten seines Besitzers an seinem guten Rechte
mit Strafgeldern bezahlen muß. Auch auf den längsten Tag folgt endlich
einmal die Nacht, da niemand wirken kann, auch hier mit raschen Schritten.

Wirken wir, verehrter Freund, vor allem und zunächst, daß man allent¬
halben in Deutschland -- nicht blos wie bisher in der Partei -- wisse und
sich bewußt bleibe, wie Schleswig-Holstein die oberste und ernsteste politische
Frage zum wenigsten für unsern Norden ist. Wirken wir, selbst auf die Ge¬
fahr hin, einigen Kannegießern im Kaffeehause durch Erwähnung von Dingen,
die sie für abgethan halten, langweilig und einigen Diplomaten mit bösem
Gewissen mißfällig zu werden -- wirken wir mit dem unaufhörlichen Lölörum
oknsLo des alten Cato, daß unsre Presse diese Frage nicht wie seither über


Zwischen Himmel und Erde ist indeß ein weiter Raum. Auch ist es
nicht Gebrauch, sich an die oberste Instanz zu wenden, wo an die zweite noch
nicht appellirt ist. Diese zweite Instanz aber ist das klüger gewordene Deutsch¬
land, ist die jetzt allem Anschein nach regere Selbstachtung, ist das National¬
gefühl des deutschen Volkes, dessen Wiege wir nicht für seinen Sarg halten
wollen und' dessen Vertreter wol in einer schwachen Stunde in Verträge willi¬
gen konnten, deren Konsequenzen die Marksteine seiner Nordgrenze um vierzig
Meilen vorrückten, von dem wir aber zu Gott hoffen, es werde bald auch eine
starke Stunde haben, in der es sich ermannt, jene schmachvollen Verträge
zerreißt und mit einem millionenstimmigem: „Nein und nein und nimmermehr!"
vor und wenn es sein muß gegen ganz Europa das Ergebniß jener Fahr¬
lässigkeit widerruft und sür sein erklärt, was das Seine ist.

Wir haben in einer Zeit kläglicher Zerrissenheit zwei deutsche Länder jen¬
seits des Rheins verloren, gewiß auf immer verloren. Sehen wir zu, daß
uns nicht jenseits der Elbe ein Gleiches geschieht. Sorgen wir, daß das Wort
der Pessimisten: „Die Deutschen lassen sich alles bieten" nicht zum Sprichworte
werde. Schon steht die Einverleibung der Herzogthümer in daS Kongerig
Danmark nicht mehr blos auf dem Papiere. Schon ist mehr als der Anfang
zur Verwirklichung dieses alten LieblingsprojectS der dänischen Könige gemacht
und wenn das Ende das Werk noch nicht krönt, so liegt die Schuld sicherlich nicht
am Willen der Herren in Kopenhagen. Ihre Rührigkeit ist groß. Ihre Ent¬
schlossenheit schrickt vor keiner Rechtsverletzung zurück. Nur der Widerspruch
in der Wahl der Mittel zur Danisirung des Landes, nur der zähe Widerstand,
der dem Plane von Seiten des Volkes bis auf die Kinder herab entgegen¬
gesetzt wird, hat die erfolgreiche Ausführung der dahin zielenden Maßregeln bis
zur Stunde vereitelt und wird noch eine Weile hindern, daß die böse Saat
Wurzel faßt und Früchte trägt.

Aber wie lange wird diese Frist währen? Auch der beste Bogen verliert,
zu lange gespannt, seine Kraft. Auch der tiefste und vollste Beutel wirb endlich
leer, wenn er unablässig das Festhalten seines Besitzers an seinem guten Rechte
mit Strafgeldern bezahlen muß. Auch auf den längsten Tag folgt endlich
einmal die Nacht, da niemand wirken kann, auch hier mit raschen Schritten.

Wirken wir, verehrter Freund, vor allem und zunächst, daß man allent¬
halben in Deutschland — nicht blos wie bisher in der Partei — wisse und
sich bewußt bleibe, wie Schleswig-Holstein die oberste und ernsteste politische
Frage zum wenigsten für unsern Norden ist. Wirken wir, selbst auf die Ge¬
fahr hin, einigen Kannegießern im Kaffeehause durch Erwähnung von Dingen,
die sie für abgethan halten, langweilig und einigen Diplomaten mit bösem
Gewissen mißfällig zu werden — wirken wir mit dem unaufhörlichen Lölörum
oknsLo des alten Cato, daß unsre Presse diese Frage nicht wie seither über


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/10>, abgerufen am 24.08.2024.