Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Santa Margheritci, Zeitgemälde der östreichischen und italienischen Kämpfe unter
Radetzky. Von Otto Dijon Freiherrn von Mordedor, 2 Bde. Magde¬
burg, Bausch. --

Der Verfasser dieses Zeitgemäldes ist im ganzen friedseliger, als der des
Volksgemäldes. Er schildert die Feldzüge des Radetzky in Italien ziemlich aus¬
führlich und zwar mit entschieden östreichischer Gcstnunng, mit großer Verach¬
tung gegen die Italiener, und dazwischen eine sanfte Liebesgeschichte nebst kind¬
lichen Gemüthern und Betrachtungen über die von der Natur gepredigte Allmacht
Gottes. In diesem Roman sind wir völlig auf dem bekannten Niveau der
Tromlitz n. f. w. --


Meister Ludwig Tiecks Heimgang, Novelle von Adolph Zeising. Frankfurt,
- Meidinger Sohn. --

Ein wunderliches Buch, bei dem wir nicht recht wissen, was wir daraus
macheu sollen. Zunächst verstehen wir nicht, warum es der Verfasser Novelle ge¬
nannt hat, denn es enthält keine Erzählung, sondern nur eine Reihe von Ge¬
sprächen, vorzüglich zwischen zwei Personen, einem gewissen Noderich, Verehrer
von Tieck,' lyrischer Dichter, leidenschaftlicher Romantiker und Gefühlsmensch,- und
einem gewissen Julian, Kritiker und Literarhistoriker, Erbfeind der Romantik und
Verstandesmensch. Diese beiden Personen sprechen vielerlei Zweckmäßiges und
Unzweckmäßiges über das Wesen der Romantik und über das Leben in Berlin.
Warum sie es eigentlich thun, wird nicht deutlich, da die Unterhaltungen zu kei¬
nem Resultate führen. Einige Liebesgeschichten kommen anch dazwischen, aber
nur episodische. Vollends verlieren wir die Fassung, als wir plötzlich unter Tisch-
rücker und Klopfgeistcr gerathen. Es siud außerdem noch vielfache Beziehungen
ans Dinge darin, die wir nicht kennen. -Kurz, es sind Rhapsodien eines unzwei¬
felhaft gebildeten Mannes, der aber doch zweckmäßiger gethan hätte, sich c,,tweder
für Poesie oder für Prosa zu entscheiden, denn diese Mischung ans beiden, die
freilich sehr romantisch ist, macht doch in unsern Tagen keinen Eindruck mehr. --


Queechy, von Elisabeth Wetherell; deutsch von Ernst Susemichl, Leipzig, Koll¬
mann, 3. und 6. Band. --

Als wir die vier vorhergehenden Bände besprachen, haben wir der Verfas¬
serin Unrecht gethan. Wir glaubten nämlich ganz fest, die Geschichte wäre zu
Ende, da wir von früher her ihre Neigung kannte", mitten in der Erzählung
abzubrechen. Dem ist aber nicht so. Die Liebesgeschichte wird,anf eine solide
Weise erledigt. Fleda, die Heldin des Romans, heirathet den Man", den wir
ihr gleich anfangs zugedacht haben, und es ist gegründete Vermuthung vorhanden,
daß sie miteinander glücklich werden. Kurz vor dem Ende des Romans bringt
die Verfasserin, die eine unangenehme Neigung für Todcsscenen hat, noch unnö-
thigerweise eine von den beteiligten Personen um. Was jene Liebesgeschichte


Santa Margheritci, Zeitgemälde der östreichischen und italienischen Kämpfe unter
Radetzky. Von Otto Dijon Freiherrn von Mordedor, 2 Bde. Magde¬
burg, Bausch. —

Der Verfasser dieses Zeitgemäldes ist im ganzen friedseliger, als der des
Volksgemäldes. Er schildert die Feldzüge des Radetzky in Italien ziemlich aus¬
führlich und zwar mit entschieden östreichischer Gcstnunng, mit großer Verach¬
tung gegen die Italiener, und dazwischen eine sanfte Liebesgeschichte nebst kind¬
lichen Gemüthern und Betrachtungen über die von der Natur gepredigte Allmacht
Gottes. In diesem Roman sind wir völlig auf dem bekannten Niveau der
Tromlitz n. f. w. —


Meister Ludwig Tiecks Heimgang, Novelle von Adolph Zeising. Frankfurt,
- Meidinger Sohn. —

Ein wunderliches Buch, bei dem wir nicht recht wissen, was wir daraus
macheu sollen. Zunächst verstehen wir nicht, warum es der Verfasser Novelle ge¬
nannt hat, denn es enthält keine Erzählung, sondern nur eine Reihe von Ge¬
sprächen, vorzüglich zwischen zwei Personen, einem gewissen Noderich, Verehrer
von Tieck,' lyrischer Dichter, leidenschaftlicher Romantiker und Gefühlsmensch,- und
einem gewissen Julian, Kritiker und Literarhistoriker, Erbfeind der Romantik und
Verstandesmensch. Diese beiden Personen sprechen vielerlei Zweckmäßiges und
Unzweckmäßiges über das Wesen der Romantik und über das Leben in Berlin.
Warum sie es eigentlich thun, wird nicht deutlich, da die Unterhaltungen zu kei¬
nem Resultate führen. Einige Liebesgeschichten kommen anch dazwischen, aber
nur episodische. Vollends verlieren wir die Fassung, als wir plötzlich unter Tisch-
rücker und Klopfgeistcr gerathen. Es siud außerdem noch vielfache Beziehungen
ans Dinge darin, die wir nicht kennen. -Kurz, es sind Rhapsodien eines unzwei¬
felhaft gebildeten Mannes, der aber doch zweckmäßiger gethan hätte, sich c,,tweder
für Poesie oder für Prosa zu entscheiden, denn diese Mischung ans beiden, die
freilich sehr romantisch ist, macht doch in unsern Tagen keinen Eindruck mehr. —


Queechy, von Elisabeth Wetherell; deutsch von Ernst Susemichl, Leipzig, Koll¬
mann, 3. und 6. Band. —

Als wir die vier vorhergehenden Bände besprachen, haben wir der Verfas¬
serin Unrecht gethan. Wir glaubten nämlich ganz fest, die Geschichte wäre zu
Ende, da wir von früher her ihre Neigung kannte», mitten in der Erzählung
abzubrechen. Dem ist aber nicht so. Die Liebesgeschichte wird,anf eine solide
Weise erledigt. Fleda, die Heldin des Romans, heirathet den Man», den wir
ihr gleich anfangs zugedacht haben, und es ist gegründete Vermuthung vorhanden,
daß sie miteinander glücklich werden. Kurz vor dem Ende des Romans bringt
die Verfasserin, die eine unangenehme Neigung für Todcsscenen hat, noch unnö-
thigerweise eine von den beteiligten Personen um. Was jene Liebesgeschichte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0100" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97880"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Santa Margheritci, Zeitgemälde der östreichischen und italienischen Kämpfe unter<lb/>
Radetzky. Von Otto Dijon Freiherrn von Mordedor, 2 Bde. Magde¬<lb/>
burg, Bausch. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_266"> Der Verfasser dieses Zeitgemäldes ist im ganzen friedseliger, als der des<lb/>
Volksgemäldes. Er schildert die Feldzüge des Radetzky in Italien ziemlich aus¬<lb/>
führlich und zwar mit entschieden östreichischer Gcstnunng, mit großer Verach¬<lb/>
tung gegen die Italiener, und dazwischen eine sanfte Liebesgeschichte nebst kind¬<lb/>
lichen Gemüthern und Betrachtungen über die von der Natur gepredigte Allmacht<lb/>
Gottes. In diesem Roman sind wir völlig auf dem bekannten Niveau der<lb/>
Tromlitz n. f. w. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Meister Ludwig Tiecks Heimgang, Novelle von Adolph Zeising. Frankfurt,<lb/>
- Meidinger Sohn. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_267"> Ein wunderliches Buch, bei dem wir nicht recht wissen, was wir daraus<lb/>
macheu sollen. Zunächst verstehen wir nicht, warum es der Verfasser Novelle ge¬<lb/>
nannt hat, denn es enthält keine Erzählung, sondern nur eine Reihe von Ge¬<lb/>
sprächen, vorzüglich zwischen zwei Personen, einem gewissen Noderich, Verehrer<lb/>
von Tieck,' lyrischer Dichter, leidenschaftlicher Romantiker und Gefühlsmensch,- und<lb/>
einem gewissen Julian, Kritiker und Literarhistoriker, Erbfeind der Romantik und<lb/>
Verstandesmensch. Diese beiden Personen sprechen vielerlei Zweckmäßiges und<lb/>
Unzweckmäßiges über das Wesen der Romantik und über das Leben in Berlin.<lb/>
Warum sie es eigentlich thun, wird nicht deutlich, da die Unterhaltungen zu kei¬<lb/>
nem Resultate führen. Einige Liebesgeschichten kommen anch dazwischen, aber<lb/>
nur episodische. Vollends verlieren wir die Fassung, als wir plötzlich unter Tisch-<lb/>
rücker und Klopfgeistcr gerathen. Es siud außerdem noch vielfache Beziehungen<lb/>
ans Dinge darin, die wir nicht kennen. -Kurz, es sind Rhapsodien eines unzwei¬<lb/>
felhaft gebildeten Mannes, der aber doch zweckmäßiger gethan hätte, sich c,,tweder<lb/>
für Poesie oder für Prosa zu entscheiden, denn diese Mischung ans beiden, die<lb/>
freilich sehr romantisch ist, macht doch in unsern Tagen keinen Eindruck mehr. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Queechy, von Elisabeth Wetherell; deutsch von Ernst Susemichl, Leipzig, Koll¬<lb/>
mann, 3. und 6. Band. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_268" next="#ID_269"> Als wir die vier vorhergehenden Bände besprachen, haben wir der Verfas¬<lb/>
serin Unrecht gethan. Wir glaubten nämlich ganz fest, die Geschichte wäre zu<lb/>
Ende, da wir von früher her ihre Neigung kannte», mitten in der Erzählung<lb/>
abzubrechen. Dem ist aber nicht so. Die Liebesgeschichte wird,anf eine solide<lb/>
Weise erledigt. Fleda, die Heldin des Romans, heirathet den Man», den wir<lb/>
ihr gleich anfangs zugedacht haben, und es ist gegründete Vermuthung vorhanden,<lb/>
daß sie miteinander glücklich werden. Kurz vor dem Ende des Romans bringt<lb/>
die Verfasserin, die eine unangenehme Neigung für Todcsscenen hat, noch unnö-<lb/>
thigerweise eine von den beteiligten Personen um.  Was jene Liebesgeschichte</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0100] Santa Margheritci, Zeitgemälde der östreichischen und italienischen Kämpfe unter Radetzky. Von Otto Dijon Freiherrn von Mordedor, 2 Bde. Magde¬ burg, Bausch. — Der Verfasser dieses Zeitgemäldes ist im ganzen friedseliger, als der des Volksgemäldes. Er schildert die Feldzüge des Radetzky in Italien ziemlich aus¬ führlich und zwar mit entschieden östreichischer Gcstnunng, mit großer Verach¬ tung gegen die Italiener, und dazwischen eine sanfte Liebesgeschichte nebst kind¬ lichen Gemüthern und Betrachtungen über die von der Natur gepredigte Allmacht Gottes. In diesem Roman sind wir völlig auf dem bekannten Niveau der Tromlitz n. f. w. — Meister Ludwig Tiecks Heimgang, Novelle von Adolph Zeising. Frankfurt, - Meidinger Sohn. — Ein wunderliches Buch, bei dem wir nicht recht wissen, was wir daraus macheu sollen. Zunächst verstehen wir nicht, warum es der Verfasser Novelle ge¬ nannt hat, denn es enthält keine Erzählung, sondern nur eine Reihe von Ge¬ sprächen, vorzüglich zwischen zwei Personen, einem gewissen Noderich, Verehrer von Tieck,' lyrischer Dichter, leidenschaftlicher Romantiker und Gefühlsmensch,- und einem gewissen Julian, Kritiker und Literarhistoriker, Erbfeind der Romantik und Verstandesmensch. Diese beiden Personen sprechen vielerlei Zweckmäßiges und Unzweckmäßiges über das Wesen der Romantik und über das Leben in Berlin. Warum sie es eigentlich thun, wird nicht deutlich, da die Unterhaltungen zu kei¬ nem Resultate führen. Einige Liebesgeschichten kommen anch dazwischen, aber nur episodische. Vollends verlieren wir die Fassung, als wir plötzlich unter Tisch- rücker und Klopfgeistcr gerathen. Es siud außerdem noch vielfache Beziehungen ans Dinge darin, die wir nicht kennen. -Kurz, es sind Rhapsodien eines unzwei¬ felhaft gebildeten Mannes, der aber doch zweckmäßiger gethan hätte, sich c,,tweder für Poesie oder für Prosa zu entscheiden, denn diese Mischung ans beiden, die freilich sehr romantisch ist, macht doch in unsern Tagen keinen Eindruck mehr. — Queechy, von Elisabeth Wetherell; deutsch von Ernst Susemichl, Leipzig, Koll¬ mann, 3. und 6. Band. — Als wir die vier vorhergehenden Bände besprachen, haben wir der Verfas¬ serin Unrecht gethan. Wir glaubten nämlich ganz fest, die Geschichte wäre zu Ende, da wir von früher her ihre Neigung kannte», mitten in der Erzählung abzubrechen. Dem ist aber nicht so. Die Liebesgeschichte wird,anf eine solide Weise erledigt. Fleda, die Heldin des Romans, heirathet den Man», den wir ihr gleich anfangs zugedacht haben, und es ist gegründete Vermuthung vorhanden, daß sie miteinander glücklich werden. Kurz vor dem Ende des Romans bringt die Verfasserin, die eine unangenehme Neigung für Todcsscenen hat, noch unnö- thigerweise eine von den beteiligten Personen um. Was jene Liebesgeschichte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/99
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/99>, abgerufen am 03.07.2024.