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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Tag noch zum Carneval und nennen ihn Carnevaletto. So aß ich denn, ohne
etwas zu merken, und als ich schon ein halbes Huhn verzehrt hatte, fiel es mir
erst ein. D. Da habt Ihr keine Sünde begangen; denn wo kein Bewußtsein
ist, ist auch keine Sünde. Aber sobald es Euch einfiel, müßtet Ihr aufhören.
I. Aber da hatte ich ja schon den Magen voll, was nützt es denn'da noch?
D. Nichtsdestoweniger, denn von dem Augenblick fingt Ihr erst an zu sündigen.
I. Wenn ich nur wüßte wozu das Fasten überhaupt gut ist. Es schwächt die
Kräfte, und auch die Börse; denn Ihr könnt mir glauben, es ist jetzt noch theurer
magro als grasso zu essen. D. Wenn Ihr nnr nicht Leckereien haben wollt,
werdet Ihr es nicht theurer finden. Und auch übrigens werdet Ihr Euch wohl
dabei befinden. Man schadet sich viel öfter durch zuviel als durch zuwenig
essen. Einer von den Alten hat gesagt, es kommen mehr Menschen dnrch den
Gaumen als. dnrch das Schwert um. I. Aber warum hat es Gott verordnet?
D. Aus drei Gründen hauptsächlich. Erstens hat es den Zweck die Begierden
des Fleisches zu schwächen. Zweitens. Wir haben gesündigt und sollen für
unsre Sünden büßen, und als Buße ist es uns auferlegt. Drittens. Wir solle"
Gottes Gnade erwerben. Wie aber können wir das? Durch Gebet. Für das
Gebet ist nun Fasten die beste Vorbereitung. Mit vollem Magen betet man
nicht gut, dann ist der Kopf voll von Dünsten. Christus blieb vierzig Tage in
der Wüste, und während dieser Zeit that er nichts als fasten und beten. I.
Das Beispiel von Christus genügt mir. Man sagt zwar, daß jetzt wenige die
Fasten halten. D. Müßt Ihr denn thun was die Mehrzahl thut? I. Einer
von meinen Freunden hat mir gesagt, in zweifelhaften Fällen frage er niemand
um Rath, sondern handle nach seinem Gewissen. D. Das ist nicht wohlgethan.
Ihr mögt das Latein nicht, doch will ich Euch ein lateinisches Sprichwort darauf
erwidern: Nemo est Korns Mäex in oausa propria. I. Ich verstehe schou.
D. Niemand, heißt es, ist ein guter Richter in seiner eignen Sache. Man muß
vielmehr in solche" Fällen sich an seinen Beichtvater wenden. I. So, das will
ich denn ans Ostern thun. (Gelächter). D. Das ist viel zu spät. Wo steht
denn geschrieben, daß Ihr erst Ostern beichten sollt? Vielmehr müßt Ihr'es
jedesmal thun, wenn Ihr in Sünde verfallen seid. I. So will ich denn die
Fasten halten und zu Gott beten, daß er uns mit den schweren Züchtigungen
verschone, mit denen er uns bedroht. D. Jetzt sprecht Ihr als guter Christ.
Thut so und Ihr werdet Euch wohl befinden.




Tag noch zum Carneval und nennen ihn Carnevaletto. So aß ich denn, ohne
etwas zu merken, und als ich schon ein halbes Huhn verzehrt hatte, fiel es mir
erst ein. D. Da habt Ihr keine Sünde begangen; denn wo kein Bewußtsein
ist, ist auch keine Sünde. Aber sobald es Euch einfiel, müßtet Ihr aufhören.
I. Aber da hatte ich ja schon den Magen voll, was nützt es denn'da noch?
D. Nichtsdestoweniger, denn von dem Augenblick fingt Ihr erst an zu sündigen.
I. Wenn ich nur wüßte wozu das Fasten überhaupt gut ist. Es schwächt die
Kräfte, und auch die Börse; denn Ihr könnt mir glauben, es ist jetzt noch theurer
magro als grasso zu essen. D. Wenn Ihr nnr nicht Leckereien haben wollt,
werdet Ihr es nicht theurer finden. Und auch übrigens werdet Ihr Euch wohl
dabei befinden. Man schadet sich viel öfter durch zuviel als durch zuwenig
essen. Einer von den Alten hat gesagt, es kommen mehr Menschen dnrch den
Gaumen als. dnrch das Schwert um. I. Aber warum hat es Gott verordnet?
D. Aus drei Gründen hauptsächlich. Erstens hat es den Zweck die Begierden
des Fleisches zu schwächen. Zweitens. Wir haben gesündigt und sollen für
unsre Sünden büßen, und als Buße ist es uns auferlegt. Drittens. Wir solle»
Gottes Gnade erwerben. Wie aber können wir das? Durch Gebet. Für das
Gebet ist nun Fasten die beste Vorbereitung. Mit vollem Magen betet man
nicht gut, dann ist der Kopf voll von Dünsten. Christus blieb vierzig Tage in
der Wüste, und während dieser Zeit that er nichts als fasten und beten. I.
Das Beispiel von Christus genügt mir. Man sagt zwar, daß jetzt wenige die
Fasten halten. D. Müßt Ihr denn thun was die Mehrzahl thut? I. Einer
von meinen Freunden hat mir gesagt, in zweifelhaften Fällen frage er niemand
um Rath, sondern handle nach seinem Gewissen. D. Das ist nicht wohlgethan.
Ihr mögt das Latein nicht, doch will ich Euch ein lateinisches Sprichwort darauf
erwidern: Nemo est Korns Mäex in oausa propria. I. Ich verstehe schou.
D. Niemand, heißt es, ist ein guter Richter in seiner eignen Sache. Man muß
vielmehr in solche» Fällen sich an seinen Beichtvater wenden. I. So, das will
ich denn ans Ostern thun. (Gelächter). D. Das ist viel zu spät. Wo steht
denn geschrieben, daß Ihr erst Ostern beichten sollt? Vielmehr müßt Ihr'es
jedesmal thun, wenn Ihr in Sünde verfallen seid. I. So will ich denn die
Fasten halten und zu Gott beten, daß er uns mit den schweren Züchtigungen
verschone, mit denen er uns bedroht. D. Jetzt sprecht Ihr als guter Christ.
Thut so und Ihr werdet Euch wohl befinden.




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[0095] Tag noch zum Carneval und nennen ihn Carnevaletto. So aß ich denn, ohne etwas zu merken, und als ich schon ein halbes Huhn verzehrt hatte, fiel es mir erst ein. D. Da habt Ihr keine Sünde begangen; denn wo kein Bewußtsein ist, ist auch keine Sünde. Aber sobald es Euch einfiel, müßtet Ihr aufhören. I. Aber da hatte ich ja schon den Magen voll, was nützt es denn'da noch? D. Nichtsdestoweniger, denn von dem Augenblick fingt Ihr erst an zu sündigen. I. Wenn ich nur wüßte wozu das Fasten überhaupt gut ist. Es schwächt die Kräfte, und auch die Börse; denn Ihr könnt mir glauben, es ist jetzt noch theurer magro als grasso zu essen. D. Wenn Ihr nnr nicht Leckereien haben wollt, werdet Ihr es nicht theurer finden. Und auch übrigens werdet Ihr Euch wohl dabei befinden. Man schadet sich viel öfter durch zuviel als durch zuwenig essen. Einer von den Alten hat gesagt, es kommen mehr Menschen dnrch den Gaumen als. dnrch das Schwert um. I. Aber warum hat es Gott verordnet? D. Aus drei Gründen hauptsächlich. Erstens hat es den Zweck die Begierden des Fleisches zu schwächen. Zweitens. Wir haben gesündigt und sollen für unsre Sünden büßen, und als Buße ist es uns auferlegt. Drittens. Wir solle» Gottes Gnade erwerben. Wie aber können wir das? Durch Gebet. Für das Gebet ist nun Fasten die beste Vorbereitung. Mit vollem Magen betet man nicht gut, dann ist der Kopf voll von Dünsten. Christus blieb vierzig Tage in der Wüste, und während dieser Zeit that er nichts als fasten und beten. I. Das Beispiel von Christus genügt mir. Man sagt zwar, daß jetzt wenige die Fasten halten. D. Müßt Ihr denn thun was die Mehrzahl thut? I. Einer von meinen Freunden hat mir gesagt, in zweifelhaften Fällen frage er niemand um Rath, sondern handle nach seinem Gewissen. D. Das ist nicht wohlgethan. Ihr mögt das Latein nicht, doch will ich Euch ein lateinisches Sprichwort darauf erwidern: Nemo est Korns Mäex in oausa propria. I. Ich verstehe schou. D. Niemand, heißt es, ist ein guter Richter in seiner eignen Sache. Man muß vielmehr in solche» Fällen sich an seinen Beichtvater wenden. I. So, das will ich denn ans Ostern thun. (Gelächter). D. Das ist viel zu spät. Wo steht denn geschrieben, daß Ihr erst Ostern beichten sollt? Vielmehr müßt Ihr'es jedesmal thun, wenn Ihr in Sünde verfallen seid. I. So will ich denn die Fasten halten und zu Gott beten, daß er uns mit den schweren Züchtigungen verschone, mit denen er uns bedroht. D. Jetzt sprecht Ihr als guter Christ. Thut so und Ihr werdet Euch wohl befinden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/94>, abgerufen am 23.07.2024.