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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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kurzem konnte nur in Anwesenheit des Sprechers Sitzung gehalten werden, und
merkwürdigerweise sind Fälle, daß das Hans wegen Krankheit des Sprechers seine
Geschäfte hätte unterbrechen müssen, fast unerhört. Seit voriger Session hat
man jedoch für einen Stellvertreter gesorgt. i>0 Mitglieder bilden ein berathungs¬
fähiges Haus; sind sie Schlag i Uhr nicht anwesend, so verläßt der Sprecher
sofort seinen Platz, das Hans vertagt sich und es können nnter keiner Bedingung
an diesem Abend wieder Verhandlungen stattfinden. Daß dies nicht an den
Abenden geschieht, wo die Regierung Anträge aus der Tagesordnung hat -- zu
Anfang der Session siud ihr ausschließlich die Freitage und Montage vorbe-
halten, gegen das Ende derselben beansprucht sie aber auch noch Mittwoch "ut
Donnerstag, und nur der Dienstag muß stets den Privatmitgliedern bleiben.
Sonnabends ist niemals Sitzung -- ist eine Sache des Einpeitschers, der mi¬
nisteriellen Partei. Manchmal aber, wenn ein Antrag die Regierung in Ver¬
legenheit setzen könnte und Erklärungen forderte, welche ihr nicht augenehm sind,
wendet dieser Beamte seine Beredtsamkeit in einer ganz andern Nichtung an.
Ist jedoch der Sprecher glücklich auf seinem Sitz angelangt, so beginnt sofort das
Geschäft des Abends. Zuerst findet die Vereidigung neuer Mitglieder statt, wenn
welche vorhanden sind. Das neue Mitglied sitzt vorläufig nnter der Galerie vor
den Schranken, bis der Sprecher ausruft: "zu vereidigende Mitglieder an die
Tafel." Hieraus tritt es an die Schranken, geleitet von zwei Mitgliedern --
meistens ein persönlicher Freund und der Einpeitscher der Partei, zu der es gehört
-- tritt mit den drei vorgeschriebenen Verbeugungen an die Tafel, wo es die
Beweise seiner Qualification einreicht, den Hnldignngs- und Supremativeid schwört,
die Parlamentsacten unterzeichnet und nachdem ihm der sehr ehrenwerthe Sprecher
die Hand geschüttelt, ein vollsberechligtes Mitglied ist. Voriges Jahr sollte
Baron Rothschild eingeschworen werden. Als er an die Tasel trat, verlangte er
ans das alte Testament vereidigt zu werden. Die Frage mußte erst in seiner
Abwesenheit debattirt werden "ut es war spaßhaft, zu sehen, wie der kurze
Befehl: "Sie können abtreten", den der Sprecher bei ähnlichen Gelegenheiten
stets anwendet, ans den reichsten Mann in Enropa wirkte. Hinsichtlich des alten
Testaments wurde ihm zwar gewillfahrtet, aber als er an die Schlußworte des
Schwurs kam: "bei dem wahren Glauben eines Christen", blieb er stecken und
mußte abermals abtreten. Wie bekannt, ist das Hinderniß, das ihn nicht Mit¬
glied des Unterhauses werden ließ, noch nicht gehoben. Nach der Vereidigung
von neuen Mitgliedern werden die Privatbills on-genommen. Jetzt sieht das
Hans bis gegen fünf Uhr ans, als ob rs ein Saal voller Wahnsinniger wäre.
Alles spricht untereinander -- alles läuft hin und her, zur Thür hinaus und
herein, während andere an die, Tafel treten und ihre Namen als Einreicher von
Petitionen oder Antragsteller auf eine Liste schreiben. Der Tumult übertönt die
Stimme deö Sprechers, der beständig ausruft: Mr. Brvthertvn, und bei jedem


kurzem konnte nur in Anwesenheit des Sprechers Sitzung gehalten werden, und
merkwürdigerweise sind Fälle, daß das Hans wegen Krankheit des Sprechers seine
Geschäfte hätte unterbrechen müssen, fast unerhört. Seit voriger Session hat
man jedoch für einen Stellvertreter gesorgt. i>0 Mitglieder bilden ein berathungs¬
fähiges Haus; sind sie Schlag i Uhr nicht anwesend, so verläßt der Sprecher
sofort seinen Platz, das Hans vertagt sich und es können nnter keiner Bedingung
an diesem Abend wieder Verhandlungen stattfinden. Daß dies nicht an den
Abenden geschieht, wo die Regierung Anträge aus der Tagesordnung hat — zu
Anfang der Session siud ihr ausschließlich die Freitage und Montage vorbe-
halten, gegen das Ende derselben beansprucht sie aber auch noch Mittwoch »ut
Donnerstag, und nur der Dienstag muß stets den Privatmitgliedern bleiben.
Sonnabends ist niemals Sitzung — ist eine Sache des Einpeitschers, der mi¬
nisteriellen Partei. Manchmal aber, wenn ein Antrag die Regierung in Ver¬
legenheit setzen könnte und Erklärungen forderte, welche ihr nicht augenehm sind,
wendet dieser Beamte seine Beredtsamkeit in einer ganz andern Nichtung an.
Ist jedoch der Sprecher glücklich auf seinem Sitz angelangt, so beginnt sofort das
Geschäft des Abends. Zuerst findet die Vereidigung neuer Mitglieder statt, wenn
welche vorhanden sind. Das neue Mitglied sitzt vorläufig nnter der Galerie vor
den Schranken, bis der Sprecher ausruft: „zu vereidigende Mitglieder an die
Tafel." Hieraus tritt es an die Schranken, geleitet von zwei Mitgliedern —
meistens ein persönlicher Freund und der Einpeitscher der Partei, zu der es gehört
— tritt mit den drei vorgeschriebenen Verbeugungen an die Tafel, wo es die
Beweise seiner Qualification einreicht, den Hnldignngs- und Supremativeid schwört,
die Parlamentsacten unterzeichnet und nachdem ihm der sehr ehrenwerthe Sprecher
die Hand geschüttelt, ein vollsberechligtes Mitglied ist. Voriges Jahr sollte
Baron Rothschild eingeschworen werden. Als er an die Tasel trat, verlangte er
ans das alte Testament vereidigt zu werden. Die Frage mußte erst in seiner
Abwesenheit debattirt werden »ut es war spaßhaft, zu sehen, wie der kurze
Befehl: „Sie können abtreten", den der Sprecher bei ähnlichen Gelegenheiten
stets anwendet, ans den reichsten Mann in Enropa wirkte. Hinsichtlich des alten
Testaments wurde ihm zwar gewillfahrtet, aber als er an die Schlußworte des
Schwurs kam: „bei dem wahren Glauben eines Christen", blieb er stecken und
mußte abermals abtreten. Wie bekannt, ist das Hinderniß, das ihn nicht Mit¬
glied des Unterhauses werden ließ, noch nicht gehoben. Nach der Vereidigung
von neuen Mitgliedern werden die Privatbills on-genommen. Jetzt sieht das
Hans bis gegen fünf Uhr ans, als ob rs ein Saal voller Wahnsinniger wäre.
Alles spricht untereinander — alles läuft hin und her, zur Thür hinaus und
herein, während andere an die, Tafel treten und ihre Namen als Einreicher von
Petitionen oder Antragsteller auf eine Liste schreiben. Der Tumult übertönt die
Stimme deö Sprechers, der beständig ausruft: Mr. Brvthertvn, und bei jedem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/9>, abgerufen am 22.12.2024.