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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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zeugt werden, von hohem Interesse sein. Zu dieser Kenntnißnahme ist nun die gegen¬
wärtige Ausgabe die bequemste Gelegenheit, da sie so außerordentlich wohlfeil ist. Und
wenn sie also keinen andern Zweck hat, so würde schon dieser das Unternehmen berechtigen
Ob einmal die kritische Auffassung eine andere Wendung nehmen wird, ob es sich noch
Heransstellen wird, daß Colliers Fund eine größere Bedeutung hat, als die geistreicher
Coujecturcn, das muß dahingestellt bleiben. Denn wenn auch der Federkrieg jetzt eine
Pause gemacht hat, so muß man doch sagen: "ni> Mlios lis -- Das hinzugefügte
Porträt Shakespeares ist das bekannte. Die Biographie ist von Symmons. Die An¬
merkungen sind, wie schon gesagt, nicht zahlreich. Von den streitigen Dramen sind nur
Titus Andronicus und Perikles aufgenommen, die lyrischen und epischen Gedichte sind
sämmtlich da. Das Wörterbuch ist nicht sehr groß, aber es ist zweckmäßig, leicht über¬
sichtlich und im wesentlichen vollständig. --


Wanderungen zwischen Hudson und Mississippi

-I86-I und -I8S2,
von Moritz Busch. 2 Bde, Stuttgart und Tübingen, Cotta. -- Das Buch ist
überreich an neuem und interessantem Stoffe. Vor allem haben uns die Schilderungen
von den religiösen Zuständen Nordamerikas angezogen, auf welche im ganzen die Reise-
beschreiber zu wenig Aufmerksamkeit verwendet haben. So werden im ersten Bande die
Shaker, im zweiten die Mormonen und die Spiritualistcn geschildert. Namentlich um
die Kenntniß der Mormonen hat sich der Verfasser ein großes Verdienst erworben. Er
hat mit großem Fleiß eine Menge einzelner unbekannter Notizen zusammengestellt und
er hat auch den richtigen Schlüssel sür die Erklärung dieser im -19. Jahrhundert aller¬
dings unerhörten Erscheinung gefunden. "Die Mormonen," sagt er, "sind eine Anoma¬
lie unserer Zeit, aber sie sind keine Anomalie der Zustände Amerikas. Der Mormo-
nismus ist eine Frucht des Uankeethums, ein Conglomerat "nvermittcltcr Widersprüche,
worin sich scharfer, häufig bis zur Verschlagenheit und Arglist gesteigerter Verstand mit
Rohheit der Begriffe und Kritiklosigkeit, Sucht nach Neuerungen in religiösen Dingen
mit starrem Buchstabenglauben, Eroberungslust mit ungemeinem Organisationstalent,
staunenswerthe Zähigkeit mit überschwenglichster Windbeutelei, endlich Leichtgläubigkeit
mit jenem himmelsüchtigcn Triebe gepaart finden, welcher ein Erbtheil der ganzen anglo-
sächsischen Na<!e ist." Zunächst werden uns die Mythen und Legenden der neuen Re¬
ligion erzählt, und dann versucht der Versasser in das prosaische Gebiet der Geschichte
überzugehen. Der Mormonismus ist noch 'nicht viel über 20 Jahre alt, und trotzdem
bietet er bereits eine Reihe von Erscheinungen, die sehr viel dazu beitragen können,
uns die Entstehung einer Religion überhaupt zu versinnlichen, denn anch ans der Ca-
ricatur kann man ans das Urbild zurückschließen. Von allen Seiten auf das leiden¬
schaftlichste angefochten, ohne irgend welche äußere Hilfsquellen, selbst nicht von einem
mächtigem Geiste getragen, haben die Mormonen schnell eine ungeheure Ausbreitung
gewonnen und was mehr sagen will, vroductiv auf die Entwickelung Amerikas ein¬
gewirkt. 'Denn sie haben wüste Gegenden urbar gemacht und auf den wildesten Aber-
glauben eine wenigstens leiblich verständige Staatsentwickeluug basirt. Was sür ein
Ende diese Anomalie haben wird, darüber enthält sich freilich der Verfasser wie billig
jedes Urtheils. -- Ein spaßhaftes Gegenstück zu diesen Schilderungen ist die Beschrei¬
bung der Gcistcrklopfcr, auch ein Phänomen der im Westen ausgehenden Sonne. --
Nächst diesen Genrebildern aus dem religiösen Leben dürften die Darstellungen aus dem


zeugt werden, von hohem Interesse sein. Zu dieser Kenntnißnahme ist nun die gegen¬
wärtige Ausgabe die bequemste Gelegenheit, da sie so außerordentlich wohlfeil ist. Und
wenn sie also keinen andern Zweck hat, so würde schon dieser das Unternehmen berechtigen
Ob einmal die kritische Auffassung eine andere Wendung nehmen wird, ob es sich noch
Heransstellen wird, daß Colliers Fund eine größere Bedeutung hat, als die geistreicher
Coujecturcn, das muß dahingestellt bleiben. Denn wenn auch der Federkrieg jetzt eine
Pause gemacht hat, so muß man doch sagen: »ni> Mlios lis — Das hinzugefügte
Porträt Shakespeares ist das bekannte. Die Biographie ist von Symmons. Die An¬
merkungen sind, wie schon gesagt, nicht zahlreich. Von den streitigen Dramen sind nur
Titus Andronicus und Perikles aufgenommen, die lyrischen und epischen Gedichte sind
sämmtlich da. Das Wörterbuch ist nicht sehr groß, aber es ist zweckmäßig, leicht über¬
sichtlich und im wesentlichen vollständig. —


Wanderungen zwischen Hudson und Mississippi

-I86-I und -I8S2,
von Moritz Busch. 2 Bde, Stuttgart und Tübingen, Cotta. — Das Buch ist
überreich an neuem und interessantem Stoffe. Vor allem haben uns die Schilderungen
von den religiösen Zuständen Nordamerikas angezogen, auf welche im ganzen die Reise-
beschreiber zu wenig Aufmerksamkeit verwendet haben. So werden im ersten Bande die
Shaker, im zweiten die Mormonen und die Spiritualistcn geschildert. Namentlich um
die Kenntniß der Mormonen hat sich der Verfasser ein großes Verdienst erworben. Er
hat mit großem Fleiß eine Menge einzelner unbekannter Notizen zusammengestellt und
er hat auch den richtigen Schlüssel sür die Erklärung dieser im -19. Jahrhundert aller¬
dings unerhörten Erscheinung gefunden. „Die Mormonen," sagt er, „sind eine Anoma¬
lie unserer Zeit, aber sie sind keine Anomalie der Zustände Amerikas. Der Mormo-
nismus ist eine Frucht des Uankeethums, ein Conglomerat »nvermittcltcr Widersprüche,
worin sich scharfer, häufig bis zur Verschlagenheit und Arglist gesteigerter Verstand mit
Rohheit der Begriffe und Kritiklosigkeit, Sucht nach Neuerungen in religiösen Dingen
mit starrem Buchstabenglauben, Eroberungslust mit ungemeinem Organisationstalent,
staunenswerthe Zähigkeit mit überschwenglichster Windbeutelei, endlich Leichtgläubigkeit
mit jenem himmelsüchtigcn Triebe gepaart finden, welcher ein Erbtheil der ganzen anglo-
sächsischen Na<!e ist." Zunächst werden uns die Mythen und Legenden der neuen Re¬
ligion erzählt, und dann versucht der Versasser in das prosaische Gebiet der Geschichte
überzugehen. Der Mormonismus ist noch 'nicht viel über 20 Jahre alt, und trotzdem
bietet er bereits eine Reihe von Erscheinungen, die sehr viel dazu beitragen können,
uns die Entstehung einer Religion überhaupt zu versinnlichen, denn anch ans der Ca-
ricatur kann man ans das Urbild zurückschließen. Von allen Seiten auf das leiden¬
schaftlichste angefochten, ohne irgend welche äußere Hilfsquellen, selbst nicht von einem
mächtigem Geiste getragen, haben die Mormonen schnell eine ungeheure Ausbreitung
gewonnen und was mehr sagen will, vroductiv auf die Entwickelung Amerikas ein¬
gewirkt. 'Denn sie haben wüste Gegenden urbar gemacht und auf den wildesten Aber-
glauben eine wenigstens leiblich verständige Staatsentwickeluug basirt. Was sür ein
Ende diese Anomalie haben wird, darüber enthält sich freilich der Verfasser wie billig
jedes Urtheils. — Ein spaßhaftes Gegenstück zu diesen Schilderungen ist die Beschrei¬
bung der Gcistcrklopfcr, auch ein Phänomen der im Westen ausgehenden Sonne. —
Nächst diesen Genrebildern aus dem religiösen Leben dürften die Darstellungen aus dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/83>, abgerufen am 22.12.2024.