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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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machen. In jedem Falle wäre ihr bis dahin die Verbindung mit dem Innern
Rußlands gesichert.

Aus diesen Gründen muß die Dobrudscha in letzter Instanz als das
Hauptoperationsobject der verbündeten französisch-englisch-türkischen Armee
sowol, wie der etwa ins Feld tretenden östreichischen betrachtet werden. Mit
diesem gewaltigen Abschnitt würden die Russen ihr strategisches Pivot verlieren,
aber es ist schwer zu sagen, wie demselben beizukommen sein wird. Das eine
ist klar: daß ein Angriff vom linken Donauuser her gegen die Dobrudscha,
wenn der Kern der russischen Armee darin Fuß behält, rein unausführbar ist.
Es verbleiben aber darnach nur zwei Wege: den Trajanswall (vom rechten
Ufer aus) zu formen, oder die Stellung in ihren rückwärtigen Verbindungen
(Bessarabien) anzugreifen, und durch Unterbrechung ihrer Zufuhren zum Fall
zu bringen.

Wenn ich die russischen Vorbereitungen richtig auffasse, so hat man einen
derartigen Fall bereits in ernste Erwägung gezogen und die unermeßlichen
Proviant- und Munitionscolonnen, die seit zwei Monaten, ohne Unterlaß aus
dem Innern Rußlands nach der in Rede stehenden Halbinsel ziehen, sind dazu'
bestimmt, ihm seine Konsequenzen zu nehmen, d. h. eine Abschneidung auf
möglichste Dauer hin unfühlbar zu machen. . '

Man hat fortificirte Terrainabschnitte oft Festungen im Cvlossalmaßstab
genannt. Hier liegt ein Beispiel vor, auf welches das Bild eine guttreffende
Anwendung findet. Die Dobrudscha ist eine Festung von riesigen Dimen¬
sionen, und welche Rußland, einem etwaigen Invasionskrieg gegenüber, reich¬
lich den Mangel an festen Plätzen im ganzen Süden des Reiches ersetzen wird.

Der Schluß, welchen ich nach Voraussendung des allen ziehe, ist der, daß
es zwar genügend wird, Konstantinopel mit den vorhandenen Kräften gegen
einen Handstreich zu sichern, das aber die Durchführung des Krieges An¬
strengungen höherer Ordnung nothwendig machen wird. Die Weltlage ist der
Art, um einen guten Ausgang voraussehen zu lassen, und nie hatte das
Wort mehr Klang als heute: Jetzt oder nie! .




Wochenbericht.

Schon das vorige Ministerium hatte angefangen, in .den
alten Schlendergang der Marineverwaltnng ein lebhafteres Tempo zu bringen, und
der jetzige Chef derselben, Sir James Graham, hat dieses Bestreben mit solcher
Energie und solchem Erfolg sortgesetzt, daß sie unter ihm Ungewöhnliches geleistet
hat, wie vor allem die rasche und ausgezeichnete Ausrüstung der Ostseeflotte, zeigt.
Anders war es mit der Militärverwaltung. Pietät gegen den Herzog von Wel-


machen. In jedem Falle wäre ihr bis dahin die Verbindung mit dem Innern
Rußlands gesichert.

Aus diesen Gründen muß die Dobrudscha in letzter Instanz als das
Hauptoperationsobject der verbündeten französisch-englisch-türkischen Armee
sowol, wie der etwa ins Feld tretenden östreichischen betrachtet werden. Mit
diesem gewaltigen Abschnitt würden die Russen ihr strategisches Pivot verlieren,
aber es ist schwer zu sagen, wie demselben beizukommen sein wird. Das eine
ist klar: daß ein Angriff vom linken Donauuser her gegen die Dobrudscha,
wenn der Kern der russischen Armee darin Fuß behält, rein unausführbar ist.
Es verbleiben aber darnach nur zwei Wege: den Trajanswall (vom rechten
Ufer aus) zu formen, oder die Stellung in ihren rückwärtigen Verbindungen
(Bessarabien) anzugreifen, und durch Unterbrechung ihrer Zufuhren zum Fall
zu bringen.

Wenn ich die russischen Vorbereitungen richtig auffasse, so hat man einen
derartigen Fall bereits in ernste Erwägung gezogen und die unermeßlichen
Proviant- und Munitionscolonnen, die seit zwei Monaten, ohne Unterlaß aus
dem Innern Rußlands nach der in Rede stehenden Halbinsel ziehen, sind dazu'
bestimmt, ihm seine Konsequenzen zu nehmen, d. h. eine Abschneidung auf
möglichste Dauer hin unfühlbar zu machen. . '

Man hat fortificirte Terrainabschnitte oft Festungen im Cvlossalmaßstab
genannt. Hier liegt ein Beispiel vor, auf welches das Bild eine guttreffende
Anwendung findet. Die Dobrudscha ist eine Festung von riesigen Dimen¬
sionen, und welche Rußland, einem etwaigen Invasionskrieg gegenüber, reich¬
lich den Mangel an festen Plätzen im ganzen Süden des Reiches ersetzen wird.

Der Schluß, welchen ich nach Voraussendung des allen ziehe, ist der, daß
es zwar genügend wird, Konstantinopel mit den vorhandenen Kräften gegen
einen Handstreich zu sichern, das aber die Durchführung des Krieges An¬
strengungen höherer Ordnung nothwendig machen wird. Die Weltlage ist der
Art, um einen guten Ausgang voraussehen zu lassen, und nie hatte das
Wort mehr Klang als heute: Jetzt oder nie! .




Wochenbericht.

Schon das vorige Ministerium hatte angefangen, in .den
alten Schlendergang der Marineverwaltnng ein lebhafteres Tempo zu bringen, und
der jetzige Chef derselben, Sir James Graham, hat dieses Bestreben mit solcher
Energie und solchem Erfolg sortgesetzt, daß sie unter ihm Ungewöhnliches geleistet
hat, wie vor allem die rasche und ausgezeichnete Ausrüstung der Ostseeflotte, zeigt.
Anders war es mit der Militärverwaltung. Pietät gegen den Herzog von Wel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/519>, abgerufen am 01.07.2024.