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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Brücke durch Rustschuck, und eine dritte, dazwischen gelegene durch einen starken
Brückenkopf bei Turtokan. Desgleichen lag es wol in der Absicht, Brücken¬
köpfe vor den Brückenspitzen auf dem walachischen User anzulegen, und man
rechnete darauf, inmittelst dieser drei festen Punkte die Donau, gleich einem
trennenden Keil, zwischen den in Bulgarien und der großen Walachei operi-
renden Streitkräften, d. h. zwischen die östreichische Armee einerseits und die
verbündete türkisch-französisch-englische andrerseits mitten einzuschieben. Schlie߬
lich ließ sich diese Linie bis Sistöwa und Widdin verlängern, in welchem letz¬
teren Falle sie außerdem die Bedeutung einer Verbindungslinie mit Serbien
und den dem Aufstande sich zuneigenden türkischen Westprovinzen erlangt haben
würde.

Ich setze den Fall, der Plan käme zrtt Ausführung, was bei der neuer¬
lichen Machtentfaltung der Westmächte wol nicht zu fürchten ist, und nur ge¬
schehen könnte, wenn Oestreich mit seinem bewaffneten Einschreiten in der
Walachei bis zum Winter zauderte, so würden dadurch folgende unermeßliche
Vortheile für die russische Kriegführung .gewonnen sein: Sie, bedrohte den
Balkan seiner ganzen Ausdehnung nach, vom schwarzen Meer an bis Sophia
und darüber hinaus, und hielt die zu seiner Vertheidigung bestimmten Streit¬
kräfte beständig strategisch in Allarm; jede von den Verbündeten in der Bul¬
garei eingenommene, ihren Operationen zu Grunde gelegte Basis wäre unter
allen Umständen überflügelt '-- wenn sie sich rechts an den Pontus lehnte,
auf einem (dem linken) Flügel, wenn nicht, auf beiden; einem etwaigen
Aufstande in Serbien wäre eine starke Hand dargeboten und letztlich, nach
gegebener Entscheidung, wo es auch immer sei, in ganz Bulgarien, jedwede
Operation gegen den Balkan und demnächst auf Konstantinopel, aufs .beste
basirt. Mischte sich endlich Oestreich ein, so hätte man eine Linie in der
Hand, die, je nach Umständen, Operationslinie und Basis zugleich werden
könnte. Ein Rückzug von Widdin aus zur Dobrudscha wäre durch die Flanken¬
stellung in Siebenbürgen nicht mehr wie vordem gefährdet, weil man möglicher¬
weise die Wahl hätte, auf dein rechten Donauufer, anstatt auf dem linken zu
operiren, im besonderen aber wäre man gegen einen etwaigen Stoß von Orsowa
her stark, weil man einen doppelten Rückweg, hinter der Fronte und in der
linken Flanke (inmittelst der Brückenköpfe) offen hätte. Hinter den centralen
Abschnitt an den Donaumündungen (Dobrudscha) zurückgeworfen, wäre die
Position, welche die russische Armee einnähme, aber immer noch eine impo¬
sante. Sie hätte, aus dem Kriegstheater der Walachei hinausgeworfen, zur
rechten Hand die Freiheit, sich nach der Moldau oder Bessarabien hin auszu¬
dehnen, nach der linken in Bulgarien, wenn sie es überhaupt aufgegeben,
einzubrechen, und auf dem rechten Donauufer vordringend, den Vorgang der
Oestreicher durch die Drohung eines Flußüberganges oberhalb rückgängig zu


Brücke durch Rustschuck, und eine dritte, dazwischen gelegene durch einen starken
Brückenkopf bei Turtokan. Desgleichen lag es wol in der Absicht, Brücken¬
köpfe vor den Brückenspitzen auf dem walachischen User anzulegen, und man
rechnete darauf, inmittelst dieser drei festen Punkte die Donau, gleich einem
trennenden Keil, zwischen den in Bulgarien und der großen Walachei operi-
renden Streitkräften, d. h. zwischen die östreichische Armee einerseits und die
verbündete türkisch-französisch-englische andrerseits mitten einzuschieben. Schlie߬
lich ließ sich diese Linie bis Sistöwa und Widdin verlängern, in welchem letz¬
teren Falle sie außerdem die Bedeutung einer Verbindungslinie mit Serbien
und den dem Aufstande sich zuneigenden türkischen Westprovinzen erlangt haben
würde.

Ich setze den Fall, der Plan käme zrtt Ausführung, was bei der neuer¬
lichen Machtentfaltung der Westmächte wol nicht zu fürchten ist, und nur ge¬
schehen könnte, wenn Oestreich mit seinem bewaffneten Einschreiten in der
Walachei bis zum Winter zauderte, so würden dadurch folgende unermeßliche
Vortheile für die russische Kriegführung .gewonnen sein: Sie, bedrohte den
Balkan seiner ganzen Ausdehnung nach, vom schwarzen Meer an bis Sophia
und darüber hinaus, und hielt die zu seiner Vertheidigung bestimmten Streit¬
kräfte beständig strategisch in Allarm; jede von den Verbündeten in der Bul¬
garei eingenommene, ihren Operationen zu Grunde gelegte Basis wäre unter
allen Umständen überflügelt '— wenn sie sich rechts an den Pontus lehnte,
auf einem (dem linken) Flügel, wenn nicht, auf beiden; einem etwaigen
Aufstande in Serbien wäre eine starke Hand dargeboten und letztlich, nach
gegebener Entscheidung, wo es auch immer sei, in ganz Bulgarien, jedwede
Operation gegen den Balkan und demnächst auf Konstantinopel, aufs .beste
basirt. Mischte sich endlich Oestreich ein, so hätte man eine Linie in der
Hand, die, je nach Umständen, Operationslinie und Basis zugleich werden
könnte. Ein Rückzug von Widdin aus zur Dobrudscha wäre durch die Flanken¬
stellung in Siebenbürgen nicht mehr wie vordem gefährdet, weil man möglicher¬
weise die Wahl hätte, auf dein rechten Donauufer, anstatt auf dem linken zu
operiren, im besonderen aber wäre man gegen einen etwaigen Stoß von Orsowa
her stark, weil man einen doppelten Rückweg, hinter der Fronte und in der
linken Flanke (inmittelst der Brückenköpfe) offen hätte. Hinter den centralen
Abschnitt an den Donaumündungen (Dobrudscha) zurückgeworfen, wäre die
Position, welche die russische Armee einnähme, aber immer noch eine impo¬
sante. Sie hätte, aus dem Kriegstheater der Walachei hinausgeworfen, zur
rechten Hand die Freiheit, sich nach der Moldau oder Bessarabien hin auszu¬
dehnen, nach der linken in Bulgarien, wenn sie es überhaupt aufgegeben,
einzubrechen, und auf dem rechten Donauufer vordringend, den Vorgang der
Oestreicher durch die Drohung eines Flußüberganges oberhalb rückgängig zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/518>, abgerufen am 03.07.2024.