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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Der Rcnnasan.

Die Türken befinden sich jetzt mitten in der Fastenzeit, im Monat Ra-
masan (nicht Ramadan), wo das Gesetz verbietet, von Sonnenaufgang an bis
zum Niedergang weder den Tschibuck, noch einen Trunk Wasser, noch endlich
einen Bissen Speise an die Lippen zu bringen, indeß die Abende und Nächte
in Saus und Braus verlebt werden. Aehnlich wie die katholischen Fasten mit
dem Osterfest, schließen die türkischen mit dem Bairam, einer Feier, die mehre
Tage ausfüllt. Da das türkische Jahr nicht die Dauer des astronomischen
hat, im Gegentheil um ein Bedeutendes kürzer ist, so weicht Ramasan und
Bairam mit jedem neuen Jahre immer weiter zurück. Während ersterer vor
fünf Jahren im Juli begann, nimmt er gegenwärtig im Mai seinen Anfang.
In den dreißiger Jahren fiel der Bairam in den December.

Ramasan und Bairam sind die Zeit, wo nach Aussage der Türken Kor- '
stantinopel sich in seinem Schmucke zeigt. Mit Einbruch der Nacht stammen
tausend Lampen in vielfachen Reihen von den hundert und aberhundert Mi¬
narets, die hoch über die Kuppeln der Moscheen hinausragen; auch die beiden
mächtigsten Thürme der Hauptstadt, der Gangin-Kutte (Seriaskerthurm) und
der Spitzthurm von Galata sind erleuchtet und die Lampen von Skutari in
Asien grüßen hellflammend die Miriaden Lichter, welche über den sieben Hü¬
geln Stambuls und aus den Höhen von Pera stammen. Wandeln Sie in
diesen Stunden durch die engen Straßen der Türkenviertel, so tönen, wohin
Sie sich auch wenden mögen, unablässig Gesang und Pauken- und Cymbel-
klang in Ihren Ohren. Aber welch eine Musik I Die türkischen Concerte
bewegen sich frei und an keine Regel gebunden in der Welt der Töne, oder
besser zu sagen/ in einem Chaos schreiender Dissonanzen. In Bezug auf den
Gesang weiß ich nicht, ob es wirkliche Lieder, mit einem gedankenausdrücken¬
den Text, oder eben nur eine Folge von Lauten sind, welche hervorgestoßen
werden. Eintönig sind sie unter allen Umständen, denn von jedweder Seite
höre ich nur das eintönige: ^LksoKam! -- -- ^eksekxu"! -- (am Abend --
am Abend!!) oder ^marin, -- ^mannü (Vorsicht! -- Vorsicht!!!)

Der Türke ist, wie allbekannt, sehr gastfrei, aber niemals bewirthet er
lieber und splendider wie im Ramasan. Wer eine Einladung cnlpfängt, muß
indeß pünktlich sein, und genau die Stunde halten, denn in den Fasten harrt
kein Osman Abends gern auf seine Mahlzeit. Punkt 12 Uhr (mit Sonnen¬
untergang) nach türkischer Stundenrechnung erscheint der kleine Schemel im
Zimmer, von einem Diener getragen, und wird in die gemüthlichste Ecke des
längs den Wänden hinlaufenden Divans geschoben. Der Tschibuckschi wirft
ein buntseidenes Laken darüber, und erscheint alsbald mit einem großen Pra-


Der Rcnnasan.

Die Türken befinden sich jetzt mitten in der Fastenzeit, im Monat Ra-
masan (nicht Ramadan), wo das Gesetz verbietet, von Sonnenaufgang an bis
zum Niedergang weder den Tschibuck, noch einen Trunk Wasser, noch endlich
einen Bissen Speise an die Lippen zu bringen, indeß die Abende und Nächte
in Saus und Braus verlebt werden. Aehnlich wie die katholischen Fasten mit
dem Osterfest, schließen die türkischen mit dem Bairam, einer Feier, die mehre
Tage ausfüllt. Da das türkische Jahr nicht die Dauer des astronomischen
hat, im Gegentheil um ein Bedeutendes kürzer ist, so weicht Ramasan und
Bairam mit jedem neuen Jahre immer weiter zurück. Während ersterer vor
fünf Jahren im Juli begann, nimmt er gegenwärtig im Mai seinen Anfang.
In den dreißiger Jahren fiel der Bairam in den December.

Ramasan und Bairam sind die Zeit, wo nach Aussage der Türken Kor- '
stantinopel sich in seinem Schmucke zeigt. Mit Einbruch der Nacht stammen
tausend Lampen in vielfachen Reihen von den hundert und aberhundert Mi¬
narets, die hoch über die Kuppeln der Moscheen hinausragen; auch die beiden
mächtigsten Thürme der Hauptstadt, der Gangin-Kutte (Seriaskerthurm) und
der Spitzthurm von Galata sind erleuchtet und die Lampen von Skutari in
Asien grüßen hellflammend die Miriaden Lichter, welche über den sieben Hü¬
geln Stambuls und aus den Höhen von Pera stammen. Wandeln Sie in
diesen Stunden durch die engen Straßen der Türkenviertel, so tönen, wohin
Sie sich auch wenden mögen, unablässig Gesang und Pauken- und Cymbel-
klang in Ihren Ohren. Aber welch eine Musik I Die türkischen Concerte
bewegen sich frei und an keine Regel gebunden in der Welt der Töne, oder
besser zu sagen/ in einem Chaos schreiender Dissonanzen. In Bezug auf den
Gesang weiß ich nicht, ob es wirkliche Lieder, mit einem gedankenausdrücken¬
den Text, oder eben nur eine Folge von Lauten sind, welche hervorgestoßen
werden. Eintönig sind sie unter allen Umständen, denn von jedweder Seite
höre ich nur das eintönige: ^LksoKam! — — ^eksekxu»! — (am Abend —
am Abend!!) oder ^marin, — ^mannü (Vorsicht! — Vorsicht!!!)

Der Türke ist, wie allbekannt, sehr gastfrei, aber niemals bewirthet er
lieber und splendider wie im Ramasan. Wer eine Einladung cnlpfängt, muß
indeß pünktlich sein, und genau die Stunde halten, denn in den Fasten harrt
kein Osman Abends gern auf seine Mahlzeit. Punkt 12 Uhr (mit Sonnen¬
untergang) nach türkischer Stundenrechnung erscheint der kleine Schemel im
Zimmer, von einem Diener getragen, und wird in die gemüthlichste Ecke des
längs den Wänden hinlaufenden Divans geschoben. Der Tschibuckschi wirft
ein buntseidenes Laken darüber, und erscheint alsbald mit einem großen Pra-


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[0509] Der Rcnnasan. Die Türken befinden sich jetzt mitten in der Fastenzeit, im Monat Ra- masan (nicht Ramadan), wo das Gesetz verbietet, von Sonnenaufgang an bis zum Niedergang weder den Tschibuck, noch einen Trunk Wasser, noch endlich einen Bissen Speise an die Lippen zu bringen, indeß die Abende und Nächte in Saus und Braus verlebt werden. Aehnlich wie die katholischen Fasten mit dem Osterfest, schließen die türkischen mit dem Bairam, einer Feier, die mehre Tage ausfüllt. Da das türkische Jahr nicht die Dauer des astronomischen hat, im Gegentheil um ein Bedeutendes kürzer ist, so weicht Ramasan und Bairam mit jedem neuen Jahre immer weiter zurück. Während ersterer vor fünf Jahren im Juli begann, nimmt er gegenwärtig im Mai seinen Anfang. In den dreißiger Jahren fiel der Bairam in den December. Ramasan und Bairam sind die Zeit, wo nach Aussage der Türken Kor- ' stantinopel sich in seinem Schmucke zeigt. Mit Einbruch der Nacht stammen tausend Lampen in vielfachen Reihen von den hundert und aberhundert Mi¬ narets, die hoch über die Kuppeln der Moscheen hinausragen; auch die beiden mächtigsten Thürme der Hauptstadt, der Gangin-Kutte (Seriaskerthurm) und der Spitzthurm von Galata sind erleuchtet und die Lampen von Skutari in Asien grüßen hellflammend die Miriaden Lichter, welche über den sieben Hü¬ geln Stambuls und aus den Höhen von Pera stammen. Wandeln Sie in diesen Stunden durch die engen Straßen der Türkenviertel, so tönen, wohin Sie sich auch wenden mögen, unablässig Gesang und Pauken- und Cymbel- klang in Ihren Ohren. Aber welch eine Musik I Die türkischen Concerte bewegen sich frei und an keine Regel gebunden in der Welt der Töne, oder besser zu sagen/ in einem Chaos schreiender Dissonanzen. In Bezug auf den Gesang weiß ich nicht, ob es wirkliche Lieder, mit einem gedankenausdrücken¬ den Text, oder eben nur eine Folge von Lauten sind, welche hervorgestoßen werden. Eintönig sind sie unter allen Umständen, denn von jedweder Seite höre ich nur das eintönige: ^LksoKam! — — ^eksekxu»! — (am Abend — am Abend!!) oder ^marin, — ^mannü (Vorsicht! — Vorsicht!!!) Der Türke ist, wie allbekannt, sehr gastfrei, aber niemals bewirthet er lieber und splendider wie im Ramasan. Wer eine Einladung cnlpfängt, muß indeß pünktlich sein, und genau die Stunde halten, denn in den Fasten harrt kein Osman Abends gern auf seine Mahlzeit. Punkt 12 Uhr (mit Sonnen¬ untergang) nach türkischer Stundenrechnung erscheint der kleine Schemel im Zimmer, von einem Diener getragen, und wird in die gemüthlichste Ecke des längs den Wänden hinlaufenden Divans geschoben. Der Tschibuckschi wirft ein buntseidenes Laken darüber, und erscheint alsbald mit einem großen Pra-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/508>, abgerufen am 23.07.2024.