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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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der ihrigen nach und nach erweiterte, bis ihre leise Discantstimme zu dem
vollen und weithin rollenden Tenor anwuchs, init dem schon seit mehren Jahren
das Geläute der Hauptkirchen und Klöster sich vernehmen läßt.

Diese Verhältnisse, wie unwichtig sie immerhin auch scheinen mögen, haben
nichtsdestoweniger ihre tiefe Bedeutung, und wäre es auch nur darum, weil
letztere ihnen von einem großen Theile der hiesigen Bevölkerung beigelegt wird,
welche sie unmittelbar angehen und die in dem Klang, der aus ihren Kirchen
schallt, die laute Verkündigung ihrer religiösen Rechte erkennt. Indeß ist damit
nur eine verhältnißmäßig geringfügige Wirkung bezeichnet. Die wahre Bedeu¬
tung des christlichen Glockengeläutes in Stambul, der Metropole des Osmanen-
thums, beruht wol darauf, daß es ein Wahrzeichen für die Millionen Christen
im Innern des Landes ist, die dasselbe noch nicht erreicht haben, ein laut
sprechendes Zeugniß für die Absicht, welche die obere Leitung der Regierung
beseelt, und die schließlich dazu gelangen wird, das allgemein zu geben, was
nun erst ausnahmsweise verliehen ist.

Der absichtliche Pomp, mit dem vor zwei Monaten eine Glocke von Seiten
eines russischen Gknerals an die bulgarischen Christen in Matschin verliehen wurde,
verliert durch derartige Thatsachen seine Nachwirkung. Wer Silistria innerhalb
der letzten Jahre besuchte, wird sich erinnern, daß über die türkischen Holzhäuser
und die Dächer der meistens aus Fachwerk aufgeführten Moscheen ein noch
unvollendeter Bau sich emporhebt, der von Grund aus massiv aus dem
weißen Sandstein der Umgegend aufgeführt, mit seinen hohen gewölbten Fen¬
stern, den weiten Eingangspforten und dem Thurme, der schon zur Höhe an¬
strebt, als das ankündigt, was er'wirklich ist -- als eine Kirche. Dicht
daneben steht ein mit blankem Eisenblech gedeckter Glockenthurm, von dem aus
die griechische Gemeinde, solange ich die Stadt kenne, zum Gebet und zur
Messe gerufen wird. In diesem Augenblicke mögen freilich russische Kanonen
Kirche und Thurm längst niedergelegt haben, auch die Wohnung des Bischofs
dicht daneben, des gern gesehenen Gastes Mussa Paschas, mag längst ein
Trümmerhaufen sein, aber wenn die Regimenter vom Don und der Wolga hier
demnächst ihren Einzug halten sollten, so wird auch das unter ihren Kugeln
zum Sturz gekommene Mauerwerk ihnen sagen, was die Märchen von reli¬
giöser Unterdrückung selbst für die Provinzen bedeuten wollen.

Wenn Sie gestern durch Pera wanderten, zumal zur Kirchenstunde, Vor¬
oder Nachmittags, hätten Sie Gelegenheit gefunden, den jugendlichen Damen¬
flor in den ausgewähltesten und reichsten Toiletten, und die,j"une88v clorL,^
zu der das untere Personal der Legationen, die IiAutv Nnanvv, der Gro߬
handel, die Literatur ihre Contingente liefern, diesmal allerdings nicht zu
Pferde, aber dafür in unmittelbarster Nghe zu mustern. Die "grande Rue"
ist so eng, daß die Herrn an den meisten Stellen Spalier bilden müssen, um


der ihrigen nach und nach erweiterte, bis ihre leise Discantstimme zu dem
vollen und weithin rollenden Tenor anwuchs, init dem schon seit mehren Jahren
das Geläute der Hauptkirchen und Klöster sich vernehmen läßt.

Diese Verhältnisse, wie unwichtig sie immerhin auch scheinen mögen, haben
nichtsdestoweniger ihre tiefe Bedeutung, und wäre es auch nur darum, weil
letztere ihnen von einem großen Theile der hiesigen Bevölkerung beigelegt wird,
welche sie unmittelbar angehen und die in dem Klang, der aus ihren Kirchen
schallt, die laute Verkündigung ihrer religiösen Rechte erkennt. Indeß ist damit
nur eine verhältnißmäßig geringfügige Wirkung bezeichnet. Die wahre Bedeu¬
tung des christlichen Glockengeläutes in Stambul, der Metropole des Osmanen-
thums, beruht wol darauf, daß es ein Wahrzeichen für die Millionen Christen
im Innern des Landes ist, die dasselbe noch nicht erreicht haben, ein laut
sprechendes Zeugniß für die Absicht, welche die obere Leitung der Regierung
beseelt, und die schließlich dazu gelangen wird, das allgemein zu geben, was
nun erst ausnahmsweise verliehen ist.

Der absichtliche Pomp, mit dem vor zwei Monaten eine Glocke von Seiten
eines russischen Gknerals an die bulgarischen Christen in Matschin verliehen wurde,
verliert durch derartige Thatsachen seine Nachwirkung. Wer Silistria innerhalb
der letzten Jahre besuchte, wird sich erinnern, daß über die türkischen Holzhäuser
und die Dächer der meistens aus Fachwerk aufgeführten Moscheen ein noch
unvollendeter Bau sich emporhebt, der von Grund aus massiv aus dem
weißen Sandstein der Umgegend aufgeführt, mit seinen hohen gewölbten Fen¬
stern, den weiten Eingangspforten und dem Thurme, der schon zur Höhe an¬
strebt, als das ankündigt, was er'wirklich ist — als eine Kirche. Dicht
daneben steht ein mit blankem Eisenblech gedeckter Glockenthurm, von dem aus
die griechische Gemeinde, solange ich die Stadt kenne, zum Gebet und zur
Messe gerufen wird. In diesem Augenblicke mögen freilich russische Kanonen
Kirche und Thurm längst niedergelegt haben, auch die Wohnung des Bischofs
dicht daneben, des gern gesehenen Gastes Mussa Paschas, mag längst ein
Trümmerhaufen sein, aber wenn die Regimenter vom Don und der Wolga hier
demnächst ihren Einzug halten sollten, so wird auch das unter ihren Kugeln
zum Sturz gekommene Mauerwerk ihnen sagen, was die Märchen von reli¬
giöser Unterdrückung selbst für die Provinzen bedeuten wollen.

Wenn Sie gestern durch Pera wanderten, zumal zur Kirchenstunde, Vor¬
oder Nachmittags, hätten Sie Gelegenheit gefunden, den jugendlichen Damen¬
flor in den ausgewähltesten und reichsten Toiletten, und die,j«une88v clorL,^
zu der das untere Personal der Legationen, die IiAutv Nnanvv, der Gro߬
handel, die Literatur ihre Contingente liefern, diesmal allerdings nicht zu
Pferde, aber dafür in unmittelbarster Nghe zu mustern. Die „grande Rue"
ist so eng, daß die Herrn an den meisten Stellen Spalier bilden müssen, um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/505>, abgerufen am 22.12.2024.