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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Herzen, wie ein alter Bekannter ward ich unter ihnen aufgenommen. Sie alle,
geben den Mündeln den Vorzug.

Klopstock, ist bis zum Heftigwerden gegen Adelung aufgebracht, wegen seines
anmaaßlichcn Tones, und ihm gehäßigen Behauptungen. Er sagt "wie kann
Adelung den Herold einer Aussprache machen, die nicht i noch ü hat? Unser
Niedersächsisch, reines deutsch, ist einfach und hat weniger Ackzent, als das Ober-
sächsische.

Ganz besonders hat er mir einen Auftrag, an den Hr. Baron, Domherr
von Dalberg gegeben.

"Herr von Dalberg, hat mir eine würdige Komposition meiner Arbeit geschickt
-- sagte er -- und ich habe die Sünde begangen, Ihm hierüber noch nicht ge¬
schrieben zu haben. Sagen Sie, daß ich diese Sünde ganz fühle.

"Man muß meine Art zu leben kennen, um mir manches zu verzeihen. So wie
die Musik ankam wurde sie unter Liebhabern und meinen Freunden gleich gegeben.
Verschiedene Tone der Leidenschaft, haben mich hingcrißen. Nur dünkte mir als
wäre manchmal durch zu schnelle und ofte' Unterbrechung die Wirkung des Ganzen
gehindert. Sagen Sie dem Hr. Baron meinen herzlichen Dank.

Ueber das bearbeitete Vardiet, hat er ärgerlich gelacht und es verachtet.

Ich horte hier die Neuigkeit, daß Schiller eine Frau von L0000 si., die der
Fiesko so enthusiasmirt hatte, geheirathet habe.

(Hamburg, 30. August 1783.)


6.

Jhro Excellenz
Hochgeborener Gnädiger Herr!

Das Schreiben, womit Jhro Excellenz die Gnade gehabt haben, mich zu er¬
freuen; erhielt ich in Hamburg am letzten Tage meines Aufenthalts dort.

Ich habe diesen mir so werthen Briefs, gelesen -- gelesen und wieder gelesen
und meine Freude ist nicht alt geworden. Mögtcn Jhro Excellenz wißen welche
herzliche Empfindung dieser gütige Briefs bei den Meinigen erregt hat!

Sie erkennen so sehr, als ich die Wichtigkeit des Geschenks, dieser verlängerten
Erlaubniß; ich werde nie vergessen, wie viel Jhro Excellenz mir damit gewährt haben.

Freilich war diese Reise mir nöthig, und wäre der Ehre der Mannheimer
Bühne wegen, Madam Nennschüb und Herrn Beil und Beck eben so nöthig. Man
wird zulezt so bekannt mit dem Publikum, und die Güte desselben verzeiht so leicht,
daß bei der äußersten Aufmerksamkeit, schiefe Richtung des Künstlers fast nicht ver-
meidlich ist. Dazu -- ich weiß nicht wie diese Ungerechtigkeit, entstanden ist --
ist das Mannheimer Theater zu wenig bekannt, eine Reise derer Schauspieler, welche
den Beifall des dortigen Publikums haben würde am schnellsten im Stande
seyn, diesen Zustand aufzuheben. So wie überhaupt .es ernstliche Rücksicht seyn


laute Vogt und Siveking, sind ungewöhnliche Männer, besonders der Erste. Überhaupt,
welch ein Unterschied, zwischen den hiesigen Kaufflentcu und den Frankfurtern? Die'Schwelgerei
der GontardS, und die plumpe Pracht der Bcttmannö, gegen das Anständige, Edle und Un¬
gesuchte dieser beiden Männer? Es ist ein Motto der Hamburger geworden, "Wir verstehen Handlung und Theater-

Herzen, wie ein alter Bekannter ward ich unter ihnen aufgenommen. Sie alle,
geben den Mündeln den Vorzug.

Klopstock, ist bis zum Heftigwerden gegen Adelung aufgebracht, wegen seines
anmaaßlichcn Tones, und ihm gehäßigen Behauptungen. Er sagt „wie kann
Adelung den Herold einer Aussprache machen, die nicht i noch ü hat? Unser
Niedersächsisch, reines deutsch, ist einfach und hat weniger Ackzent, als das Ober-
sächsische.

Ganz besonders hat er mir einen Auftrag, an den Hr. Baron, Domherr
von Dalberg gegeben.

„Herr von Dalberg, hat mir eine würdige Komposition meiner Arbeit geschickt
— sagte er — und ich habe die Sünde begangen, Ihm hierüber noch nicht ge¬
schrieben zu haben. Sagen Sie, daß ich diese Sünde ganz fühle.

„Man muß meine Art zu leben kennen, um mir manches zu verzeihen. So wie
die Musik ankam wurde sie unter Liebhabern und meinen Freunden gleich gegeben.
Verschiedene Tone der Leidenschaft, haben mich hingcrißen. Nur dünkte mir als
wäre manchmal durch zu schnelle und ofte' Unterbrechung die Wirkung des Ganzen
gehindert. Sagen Sie dem Hr. Baron meinen herzlichen Dank.

Ueber das bearbeitete Vardiet, hat er ärgerlich gelacht und es verachtet.

Ich horte hier die Neuigkeit, daß Schiller eine Frau von L0000 si., die der
Fiesko so enthusiasmirt hatte, geheirathet habe.

(Hamburg, 30. August 1783.)


6.

Jhro Excellenz
Hochgeborener Gnädiger Herr!

Das Schreiben, womit Jhro Excellenz die Gnade gehabt haben, mich zu er¬
freuen; erhielt ich in Hamburg am letzten Tage meines Aufenthalts dort.

Ich habe diesen mir so werthen Briefs, gelesen — gelesen und wieder gelesen
und meine Freude ist nicht alt geworden. Mögtcn Jhro Excellenz wißen welche
herzliche Empfindung dieser gütige Briefs bei den Meinigen erregt hat!

Sie erkennen so sehr, als ich die Wichtigkeit des Geschenks, dieser verlängerten
Erlaubniß; ich werde nie vergessen, wie viel Jhro Excellenz mir damit gewährt haben.

Freilich war diese Reise mir nöthig, und wäre der Ehre der Mannheimer
Bühne wegen, Madam Nennschüb und Herrn Beil und Beck eben so nöthig. Man
wird zulezt so bekannt mit dem Publikum, und die Güte desselben verzeiht so leicht,
daß bei der äußersten Aufmerksamkeit, schiefe Richtung des Künstlers fast nicht ver-
meidlich ist. Dazu — ich weiß nicht wie diese Ungerechtigkeit, entstanden ist —
ist das Mannheimer Theater zu wenig bekannt, eine Reise derer Schauspieler, welche
den Beifall des dortigen Publikums haben würde am schnellsten im Stande
seyn, diesen Zustand aufzuheben. So wie überhaupt .es ernstliche Rücksicht seyn


laute Vogt und Siveking, sind ungewöhnliche Männer, besonders der Erste. Überhaupt,
welch ein Unterschied, zwischen den hiesigen Kaufflentcu und den Frankfurtern? Die'Schwelgerei
der GontardS, und die plumpe Pracht der Bcttmannö, gegen das Anständige, Edle und Un¬
gesuchte dieser beiden Männer? Es ist ein Motto der Hamburger geworden, „Wir verstehen Handlung und Theater-
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[0487] Herzen, wie ein alter Bekannter ward ich unter ihnen aufgenommen. Sie alle, geben den Mündeln den Vorzug. Klopstock, ist bis zum Heftigwerden gegen Adelung aufgebracht, wegen seines anmaaßlichcn Tones, und ihm gehäßigen Behauptungen. Er sagt „wie kann Adelung den Herold einer Aussprache machen, die nicht i noch ü hat? Unser Niedersächsisch, reines deutsch, ist einfach und hat weniger Ackzent, als das Ober- sächsische. Ganz besonders hat er mir einen Auftrag, an den Hr. Baron, Domherr von Dalberg gegeben. „Herr von Dalberg, hat mir eine würdige Komposition meiner Arbeit geschickt — sagte er — und ich habe die Sünde begangen, Ihm hierüber noch nicht ge¬ schrieben zu haben. Sagen Sie, daß ich diese Sünde ganz fühle. „Man muß meine Art zu leben kennen, um mir manches zu verzeihen. So wie die Musik ankam wurde sie unter Liebhabern und meinen Freunden gleich gegeben. Verschiedene Tone der Leidenschaft, haben mich hingcrißen. Nur dünkte mir als wäre manchmal durch zu schnelle und ofte' Unterbrechung die Wirkung des Ganzen gehindert. Sagen Sie dem Hr. Baron meinen herzlichen Dank. Ueber das bearbeitete Vardiet, hat er ärgerlich gelacht und es verachtet. Ich horte hier die Neuigkeit, daß Schiller eine Frau von L0000 si., die der Fiesko so enthusiasmirt hatte, geheirathet habe. (Hamburg, 30. August 1783.) 6. Jhro Excellenz Hochgeborener Gnädiger Herr! Das Schreiben, womit Jhro Excellenz die Gnade gehabt haben, mich zu er¬ freuen; erhielt ich in Hamburg am letzten Tage meines Aufenthalts dort. Ich habe diesen mir so werthen Briefs, gelesen — gelesen und wieder gelesen und meine Freude ist nicht alt geworden. Mögtcn Jhro Excellenz wißen welche herzliche Empfindung dieser gütige Briefs bei den Meinigen erregt hat! Sie erkennen so sehr, als ich die Wichtigkeit des Geschenks, dieser verlängerten Erlaubniß; ich werde nie vergessen, wie viel Jhro Excellenz mir damit gewährt haben. Freilich war diese Reise mir nöthig, und wäre der Ehre der Mannheimer Bühne wegen, Madam Nennschüb und Herrn Beil und Beck eben so nöthig. Man wird zulezt so bekannt mit dem Publikum, und die Güte desselben verzeiht so leicht, daß bei der äußersten Aufmerksamkeit, schiefe Richtung des Künstlers fast nicht ver- meidlich ist. Dazu — ich weiß nicht wie diese Ungerechtigkeit, entstanden ist — ist das Mannheimer Theater zu wenig bekannt, eine Reise derer Schauspieler, welche den Beifall des dortigen Publikums haben würde am schnellsten im Stande seyn, diesen Zustand aufzuheben. So wie überhaupt .es ernstliche Rücksicht seyn laute Vogt und Siveking, sind ungewöhnliche Männer, besonders der Erste. Überhaupt, welch ein Unterschied, zwischen den hiesigen Kaufflentcu und den Frankfurtern? Die'Schwelgerei der GontardS, und die plumpe Pracht der Bcttmannö, gegen das Anständige, Edle und Un¬ gesuchte dieser beiden Männer? Es ist ein Motto der Hamburger geworden, „Wir verstehen Handlung und Theater-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/486>, abgerufen am 23.07.2024.