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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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ten unsre Dichter dem größern Publicum durch freie Nachbildung in einem eignen
lyrischen Versmaß bekannt machen, zu einer wirklichen Uebersetzung eignet sie
sich in keiner Weise.-- Den wahren Genuß aus Byron hat man nur, wenn
man ihn im Original liest, und er ist es schon allein werth, daß man seinet¬
wegen englisch lernt, denn er ist im Grunde doch nur für die feinere Bildung
geschrieben; für die Fassung des Volkes enthält er kein unentbehrliches poeti¬
sches Moment. >




Briefe Ifflands an den Freiherrn v. Dalberg.

(Fortsetzung.)

'3^

Jhro Excellenz!

Der Gewinn den Ihre Gnade mich machen läßt, ist sehr beträchtlich; aber die
Eigenheit, die Art, die Edelmuth, die Herzens-Größe -- womit Sie mir das Geschenk
machen, setzt mich in Rürung und Bewunderung.

Ich bekenne, daß die Kälte, womit das Publikum gestern den aufnahm, ---
den es doch "seinen Gerngesehenen Schauspieler" nennt; daß mir diese, eine schlaf¬
lose Nacht, eine bittre Träne, gekränkten Künstler-Gefühl gewidmet, kostete!

Das Nichthcraus Kommen war nicht Schuld an dieser Kälte. Ich war von den
Graden dieser Stimmung unterrichtet. Es ist ein unläugbarer Satz, daß aller
Enthusiasmus,der Mannheimer Strohfeuer ist. Und doch unterscheide ich, die
Volksklasse ist durchaus die Bessere. Zum Volk, zähle ich jeden, der durch Nicht-
verläugnung seines Herzens, Simplizität seiner Äußerungen sich ankündigt.

Civil Parterre und Gallerte waren voll. Das Militair kommt und kam
bei.mir ohnehin nie in Betracht. Freilich sollten Staabsofficier, sich im Betragen
von Fahujunkern scheiden -- indeß das bin ich gewohnt. Aber was mich über
mein Urtheil berichtigte, waren die Logen. Die Mittelgattung, die -- ich will sie
distinguirte Gattung nennen -- betrug sich kläglich -- Stolz, Kälte -- Dünkel,
Vorurtheil und Dummheit, ist die Farbe dieser Klasse, die durchaus hier stärker
besetzt ist, als irgendwo. Diese Leute, deren Gegenwart, kaum bei dem politischen
Kannengießer wünschenswert!) ist, machten das Vacuum des Hauses aus. Und von
diesen ist in Sachen des Geschmacks und Herzens nie etwas zu hoffen. Es ist
meine Pflicht, das Publikum überall zu studiren, und was ich hier sage, ist
Resultat fünfiariger . mühsamer Betrachtung. Beleidigtes Ehrgefühl war mein
Gram, nicht verfehltes Interesse. Ihre Excellenz haben mich für das Letzte, gro߬
müthigst für das Erste Ganz entschädigt. Verstatten Sie mir, meinen Dank
wiederholen, den ich in jedem Vorfall, so heilig fühlen werde als heut^


Jhro Excellenzunterthänigster A. W. Jffland.

Mannheim den 3. Okt. -I78i.


ten unsre Dichter dem größern Publicum durch freie Nachbildung in einem eignen
lyrischen Versmaß bekannt machen, zu einer wirklichen Uebersetzung eignet sie
sich in keiner Weise.— Den wahren Genuß aus Byron hat man nur, wenn
man ihn im Original liest, und er ist es schon allein werth, daß man seinet¬
wegen englisch lernt, denn er ist im Grunde doch nur für die feinere Bildung
geschrieben; für die Fassung des Volkes enthält er kein unentbehrliches poeti¬
sches Moment. >




Briefe Ifflands an den Freiherrn v. Dalberg.

(Fortsetzung.)

'3^

Jhro Excellenz!

Der Gewinn den Ihre Gnade mich machen läßt, ist sehr beträchtlich; aber die
Eigenheit, die Art, die Edelmuth, die Herzens-Größe — womit Sie mir das Geschenk
machen, setzt mich in Rürung und Bewunderung.

Ich bekenne, daß die Kälte, womit das Publikum gestern den aufnahm, —-
den es doch „seinen Gerngesehenen Schauspieler" nennt; daß mir diese, eine schlaf¬
lose Nacht, eine bittre Träne, gekränkten Künstler-Gefühl gewidmet, kostete!

Das Nichthcraus Kommen war nicht Schuld an dieser Kälte. Ich war von den
Graden dieser Stimmung unterrichtet. Es ist ein unläugbarer Satz, daß aller
Enthusiasmus,der Mannheimer Strohfeuer ist. Und doch unterscheide ich, die
Volksklasse ist durchaus die Bessere. Zum Volk, zähle ich jeden, der durch Nicht-
verläugnung seines Herzens, Simplizität seiner Äußerungen sich ankündigt.

Civil Parterre und Gallerte waren voll. Das Militair kommt und kam
bei.mir ohnehin nie in Betracht. Freilich sollten Staabsofficier, sich im Betragen
von Fahujunkern scheiden — indeß das bin ich gewohnt. Aber was mich über
mein Urtheil berichtigte, waren die Logen. Die Mittelgattung, die — ich will sie
distinguirte Gattung nennen — betrug sich kläglich — Stolz, Kälte — Dünkel,
Vorurtheil und Dummheit, ist die Farbe dieser Klasse, die durchaus hier stärker
besetzt ist, als irgendwo. Diese Leute, deren Gegenwart, kaum bei dem politischen
Kannengießer wünschenswert!) ist, machten das Vacuum des Hauses aus. Und von
diesen ist in Sachen des Geschmacks und Herzens nie etwas zu hoffen. Es ist
meine Pflicht, das Publikum überall zu studiren, und was ich hier sage, ist
Resultat fünfiariger . mühsamer Betrachtung. Beleidigtes Ehrgefühl war mein
Gram, nicht verfehltes Interesse. Ihre Excellenz haben mich für das Letzte, gro߬
müthigst für das Erste Ganz entschädigt. Verstatten Sie mir, meinen Dank
wiederholen, den ich in jedem Vorfall, so heilig fühlen werde als heut^


Jhro Excellenzunterthänigster A. W. Jffland.

Mannheim den 3. Okt. -I78i.


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[0484] ten unsre Dichter dem größern Publicum durch freie Nachbildung in einem eignen lyrischen Versmaß bekannt machen, zu einer wirklichen Uebersetzung eignet sie sich in keiner Weise.— Den wahren Genuß aus Byron hat man nur, wenn man ihn im Original liest, und er ist es schon allein werth, daß man seinet¬ wegen englisch lernt, denn er ist im Grunde doch nur für die feinere Bildung geschrieben; für die Fassung des Volkes enthält er kein unentbehrliches poeti¬ sches Moment. > Briefe Ifflands an den Freiherrn v. Dalberg. (Fortsetzung.) '3^ Jhro Excellenz! Der Gewinn den Ihre Gnade mich machen läßt, ist sehr beträchtlich; aber die Eigenheit, die Art, die Edelmuth, die Herzens-Größe — womit Sie mir das Geschenk machen, setzt mich in Rürung und Bewunderung. Ich bekenne, daß die Kälte, womit das Publikum gestern den aufnahm, —- den es doch „seinen Gerngesehenen Schauspieler" nennt; daß mir diese, eine schlaf¬ lose Nacht, eine bittre Träne, gekränkten Künstler-Gefühl gewidmet, kostete! Das Nichthcraus Kommen war nicht Schuld an dieser Kälte. Ich war von den Graden dieser Stimmung unterrichtet. Es ist ein unläugbarer Satz, daß aller Enthusiasmus,der Mannheimer Strohfeuer ist. Und doch unterscheide ich, die Volksklasse ist durchaus die Bessere. Zum Volk, zähle ich jeden, der durch Nicht- verläugnung seines Herzens, Simplizität seiner Äußerungen sich ankündigt. Civil Parterre und Gallerte waren voll. Das Militair kommt und kam bei.mir ohnehin nie in Betracht. Freilich sollten Staabsofficier, sich im Betragen von Fahujunkern scheiden — indeß das bin ich gewohnt. Aber was mich über mein Urtheil berichtigte, waren die Logen. Die Mittelgattung, die — ich will sie distinguirte Gattung nennen — betrug sich kläglich — Stolz, Kälte — Dünkel, Vorurtheil und Dummheit, ist die Farbe dieser Klasse, die durchaus hier stärker besetzt ist, als irgendwo. Diese Leute, deren Gegenwart, kaum bei dem politischen Kannengießer wünschenswert!) ist, machten das Vacuum des Hauses aus. Und von diesen ist in Sachen des Geschmacks und Herzens nie etwas zu hoffen. Es ist meine Pflicht, das Publikum überall zu studiren, und was ich hier sage, ist Resultat fünfiariger . mühsamer Betrachtung. Beleidigtes Ehrgefühl war mein Gram, nicht verfehltes Interesse. Ihre Excellenz haben mich für das Letzte, gro߬ müthigst für das Erste Ganz entschädigt. Verstatten Sie mir, meinen Dank wiederholen, den ich in jedem Vorfall, so heilig fühlen werde als heut^ Jhro Excellenzunterthänigster A. W. Jffland. Mannheim den 3. Okt. -I78i.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/483>, abgerufen am 22.12.2024.