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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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herzigen Theater-Aushelfer, ich wollte einen guten graben -- zu graben Bürger
der sauer erworbene 5000 (Dukaten?) auch sauer weggiebt. Nur ein Mann im Über¬
fluß kann eine ähnliche Summe mit Fa?on wegwerfen. "Eine harte Kur, aber
auch ein alter Schaden," sagt der Oberkommißair.

Mannheim, 5. Juni 178i.


2.

-- -- Wenn Jhro Excellenz meiner Bemerkung, einigen Fleiß und meiner
Erfahrung einige Richtigkeit zutrauen sollten so selten nicht die Räuber, noch
Fiesko, diesen Winter gegeben werden.

Das Publikum, erklärt gegen diese Gattung, bekömmt sonst ihrer Fünfe
zu einer Zeit zu sehen, wo zwei so zu stellen sind daß sie gewinnen. Lear,
Fiesko, Julius Cäsar -- Göz und die Räuber. Ich setze hinzu, daß die Räuber,
das Letzte mal leer waren, daß Fiesko, vermöge nöthiger doppelter Statisten-Proben,
schwerlich die Kosten tragen würde. Diese Bemerkungen, sind unläugbar. Zugleich
giebt uns Schiller einen fürtrefflichen Karlos. Ich erinnere daß, weil sonst, um
ein xln" von 250 si. zu bewürken, die Laune des Publikums wicdcrrechtlich ge¬
prüft, die Kräfte der Schauspieler unbillig erschöpft werden.

Wollen Jhro Excellenz ferner erwegen, daß diese Stücke, wenn sie einige
Zeit liegen die gute Wirkung thun werden, wie Lear sie lezt gethan hat.

Die Kräffte der Schauspieler -- daß sage ich, der ich uoch an den Folgen
des Lears leide. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage daß ich den Kaßius,
Franz Moor, Lear und Verina -- in einem Karnaval, nicht liefern könnte, ohne
meiner Gesundheit, oder meinem Künstlcrgesühl, förmlich zu entsagen. Und dann
-- was gewinnt die Kunst, was das Publikum, auf Wen Gewinn in moralischer
Rücksicht, jede Bühne -- geschweige die Unsrige -- Rücksicht nehmen sollte!'

Den schwarzen Mann") könnten wir nicht geben, ohne uns zu parodiren,
und zugleich mit dieser Parodie, ein stillschweigendes Versprechen zu geben, diese
Bahn zu verlassen. Wir hätten dieses Stück niemals geben sollen. Aus Achtung
für Schiller nicht. Wir selbst haben damit im Angesicht des Publikums, (daß ihn
ohnehin nicht ganz saßet) den ersten Stein aus Schiller geworfen.

Ich habe ängstlich jede Analogie vermieden, dennoch hat man gierig Schiller'
zu bem Gemälde sitzen lassen. Schon damit ist die Unfehlbarkeit von Schiller ge¬
nommen, die Unverletzlichkeit des großen Mannes. Wie soll er nun mit, seinen
Werken auftreten?

Je mehr Erhabenheit und Plattheit sich nahe grenzen, wie soll der Pöbel ihn
lezt distinguircn, da die Bahn geöffnet scheint, ihn zu perßifliren?

Ich darf hoffen, das Stück werde niemals wiederholt werden.

Man hatte diese Wirkung nicht voraussehen können. Nun aber? Doch das
nur nebenbei. Ueber die Operette, verstumme ich, bis zum Ausschuß.

Dieses alles sind Bemerkungen, welche Jhro Excellenz gewiß selbst schon ge-



*) Ein Lustspiel von Götter.
55*

herzigen Theater-Aushelfer, ich wollte einen guten graben — zu graben Bürger
der sauer erworbene 5000 (Dukaten?) auch sauer weggiebt. Nur ein Mann im Über¬
fluß kann eine ähnliche Summe mit Fa?on wegwerfen. „Eine harte Kur, aber
auch ein alter Schaden," sagt der Oberkommißair.

Mannheim, 5. Juni 178i.


2.

— — Wenn Jhro Excellenz meiner Bemerkung, einigen Fleiß und meiner
Erfahrung einige Richtigkeit zutrauen sollten so selten nicht die Räuber, noch
Fiesko, diesen Winter gegeben werden.

Das Publikum, erklärt gegen diese Gattung, bekömmt sonst ihrer Fünfe
zu einer Zeit zu sehen, wo zwei so zu stellen sind daß sie gewinnen. Lear,
Fiesko, Julius Cäsar — Göz und die Räuber. Ich setze hinzu, daß die Räuber,
das Letzte mal leer waren, daß Fiesko, vermöge nöthiger doppelter Statisten-Proben,
schwerlich die Kosten tragen würde. Diese Bemerkungen, sind unläugbar. Zugleich
giebt uns Schiller einen fürtrefflichen Karlos. Ich erinnere daß, weil sonst, um
ein xln« von 250 si. zu bewürken, die Laune des Publikums wicdcrrechtlich ge¬
prüft, die Kräfte der Schauspieler unbillig erschöpft werden.

Wollen Jhro Excellenz ferner erwegen, daß diese Stücke, wenn sie einige
Zeit liegen die gute Wirkung thun werden, wie Lear sie lezt gethan hat.

Die Kräffte der Schauspieler — daß sage ich, der ich uoch an den Folgen
des Lears leide. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage daß ich den Kaßius,
Franz Moor, Lear und Verina — in einem Karnaval, nicht liefern könnte, ohne
meiner Gesundheit, oder meinem Künstlcrgesühl, förmlich zu entsagen. Und dann
— was gewinnt die Kunst, was das Publikum, auf Wen Gewinn in moralischer
Rücksicht, jede Bühne — geschweige die Unsrige — Rücksicht nehmen sollte!'

Den schwarzen Mann") könnten wir nicht geben, ohne uns zu parodiren,
und zugleich mit dieser Parodie, ein stillschweigendes Versprechen zu geben, diese
Bahn zu verlassen. Wir hätten dieses Stück niemals geben sollen. Aus Achtung
für Schiller nicht. Wir selbst haben damit im Angesicht des Publikums, (daß ihn
ohnehin nicht ganz saßet) den ersten Stein aus Schiller geworfen.

Ich habe ängstlich jede Analogie vermieden, dennoch hat man gierig Schiller'
zu bem Gemälde sitzen lassen. Schon damit ist die Unfehlbarkeit von Schiller ge¬
nommen, die Unverletzlichkeit des großen Mannes. Wie soll er nun mit, seinen
Werken auftreten?

Je mehr Erhabenheit und Plattheit sich nahe grenzen, wie soll der Pöbel ihn
lezt distinguircn, da die Bahn geöffnet scheint, ihn zu perßifliren?

Ich darf hoffen, das Stück werde niemals wiederholt werden.

Man hatte diese Wirkung nicht voraussehen können. Nun aber? Doch das
nur nebenbei. Ueber die Operette, verstumme ich, bis zum Ausschuß.

Dieses alles sind Bemerkungen, welche Jhro Excellenz gewiß selbst schon ge-



*) Ein Lustspiel von Götter.
55*
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[0443] herzigen Theater-Aushelfer, ich wollte einen guten graben — zu graben Bürger der sauer erworbene 5000 (Dukaten?) auch sauer weggiebt. Nur ein Mann im Über¬ fluß kann eine ähnliche Summe mit Fa?on wegwerfen. „Eine harte Kur, aber auch ein alter Schaden," sagt der Oberkommißair. Mannheim, 5. Juni 178i. 2. — — Wenn Jhro Excellenz meiner Bemerkung, einigen Fleiß und meiner Erfahrung einige Richtigkeit zutrauen sollten so selten nicht die Räuber, noch Fiesko, diesen Winter gegeben werden. Das Publikum, erklärt gegen diese Gattung, bekömmt sonst ihrer Fünfe zu einer Zeit zu sehen, wo zwei so zu stellen sind daß sie gewinnen. Lear, Fiesko, Julius Cäsar — Göz und die Räuber. Ich setze hinzu, daß die Räuber, das Letzte mal leer waren, daß Fiesko, vermöge nöthiger doppelter Statisten-Proben, schwerlich die Kosten tragen würde. Diese Bemerkungen, sind unläugbar. Zugleich giebt uns Schiller einen fürtrefflichen Karlos. Ich erinnere daß, weil sonst, um ein xln« von 250 si. zu bewürken, die Laune des Publikums wicdcrrechtlich ge¬ prüft, die Kräfte der Schauspieler unbillig erschöpft werden. Wollen Jhro Excellenz ferner erwegen, daß diese Stücke, wenn sie einige Zeit liegen die gute Wirkung thun werden, wie Lear sie lezt gethan hat. Die Kräffte der Schauspieler — daß sage ich, der ich uoch an den Folgen des Lears leide. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage daß ich den Kaßius, Franz Moor, Lear und Verina — in einem Karnaval, nicht liefern könnte, ohne meiner Gesundheit, oder meinem Künstlcrgesühl, förmlich zu entsagen. Und dann — was gewinnt die Kunst, was das Publikum, auf Wen Gewinn in moralischer Rücksicht, jede Bühne — geschweige die Unsrige — Rücksicht nehmen sollte!' Den schwarzen Mann") könnten wir nicht geben, ohne uns zu parodiren, und zugleich mit dieser Parodie, ein stillschweigendes Versprechen zu geben, diese Bahn zu verlassen. Wir hätten dieses Stück niemals geben sollen. Aus Achtung für Schiller nicht. Wir selbst haben damit im Angesicht des Publikums, (daß ihn ohnehin nicht ganz saßet) den ersten Stein aus Schiller geworfen. Ich habe ängstlich jede Analogie vermieden, dennoch hat man gierig Schiller' zu bem Gemälde sitzen lassen. Schon damit ist die Unfehlbarkeit von Schiller ge¬ nommen, die Unverletzlichkeit des großen Mannes. Wie soll er nun mit, seinen Werken auftreten? Je mehr Erhabenheit und Plattheit sich nahe grenzen, wie soll der Pöbel ihn lezt distinguircn, da die Bahn geöffnet scheint, ihn zu perßifliren? Ich darf hoffen, das Stück werde niemals wiederholt werden. Man hatte diese Wirkung nicht voraussehen können. Nun aber? Doch das nur nebenbei. Ueber die Operette, verstumme ich, bis zum Ausschuß. Dieses alles sind Bemerkungen, welche Jhro Excellenz gewiß selbst schon ge- *) Ein Lustspiel von Götter. 55*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/442>, abgerufen am 22.12.2024.