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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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sich der Eingang zum schattenreichen Thale der Bürde -- weiterhin erheben
sich die bewaldeten Kuppen der Vali^e de Lys, an deren Wasserfällen wir
manchen Morgen und manchen Abend verträumten -- gegenüber schimmern
die Wiesen und Ortschaften des westlichen Thalrandes; und weit über uns,
weit über den Wassern, Wäldern und Matten, von blauen Düften umwogt,
von langsam ziehenden, weißglänzenden Wolken halb verschleiert prangen die
Felsenzacken, Eiskronen und Schneefelder des Hochgebirges -- und aus allen
Schluchten, und von, allen Höhen grüßt uns die Erinnerung frohverlebter
Stunden.




Aus Konstantinopel.

.<,.,
Die große Kunde, mit der ich meinen Brief zu eröffnen habe, wird von
der Donau aus Ihnen seit mehren Tagen schon zugegangen sein, nämlich'
diese: daß der Krieg nunmehr ins Stadium der Entscheidungen getreten ist, die
unmöglich lange auf sich warten lassen werden. Mit dem Lloyd-Steamer, der
gestern frühmorgens durch die Nebel der Meerenge hindurch, welche die Fahrt
in diesem engen Wasser äußerst gefährlich machen, so eilig hier einfuhr, hat
man aus Varna vom-4 9. d. Mes. die Nachricht empfangen, daß General
Lüders mit 33,000 Mann die Verbindung zwischen Schumla und Silistria
unterbrochen und diesen wichtigen Platz, den stärksten aus dem ganzen Kriegs¬
theater, in Blockadezustand versetzt hat. Diese Mittheilung ist officiell und
unterliegt keinem Zweifel mehr. Zur Zeit des Abgangs des Dampfers lies
indeß in Varna eine andere Nachricht ein, wonach die Russen in der Stärke
von 00,000 --80,000 Mann bei Rustschuck über die Donau gegangen seien
und sich auf dem rechten Stromufer zu etabliren begannen.

Während dieses sich am Ister begeben, kam man hier zu dem Entschluß,
die Frage über die Unterordnung Omer Paschas unter den Befehl Se. Arnauds
und demnächst die Feststellung eines gemeinsamen, allgemeinen Operationsplans
zum Gegenstand einer in ÄZarna zwischen dem türkischen Generalissimus, dem
französischen Marschall und Lord Raglan zu veranstaltenden Berathung zu
machen. Am 18. d. Mes. Abends (Donnerstags) schifften die beiden letzt¬
genannten Herren sich nach Varna ein, wohin sich auch Risa .Pascha, der Kriegs¬
minister, begab, wie man vermuthet, um den Omer Pascha, falls er seine Un¬
terordnung verweigern sollte, abzusetzen oder an die Stelle des Oberbefehls¬
habers in Anadoli zu senden. Es heißt weiter, daß die Generale bei ihrer


sich der Eingang zum schattenreichen Thale der Bürde — weiterhin erheben
sich die bewaldeten Kuppen der Vali^e de Lys, an deren Wasserfällen wir
manchen Morgen und manchen Abend verträumten — gegenüber schimmern
die Wiesen und Ortschaften des westlichen Thalrandes; und weit über uns,
weit über den Wassern, Wäldern und Matten, von blauen Düften umwogt,
von langsam ziehenden, weißglänzenden Wolken halb verschleiert prangen die
Felsenzacken, Eiskronen und Schneefelder des Hochgebirges — und aus allen
Schluchten, und von, allen Höhen grüßt uns die Erinnerung frohverlebter
Stunden.




Aus Konstantinopel.

.<,.,
Die große Kunde, mit der ich meinen Brief zu eröffnen habe, wird von
der Donau aus Ihnen seit mehren Tagen schon zugegangen sein, nämlich'
diese: daß der Krieg nunmehr ins Stadium der Entscheidungen getreten ist, die
unmöglich lange auf sich warten lassen werden. Mit dem Lloyd-Steamer, der
gestern frühmorgens durch die Nebel der Meerenge hindurch, welche die Fahrt
in diesem engen Wasser äußerst gefährlich machen, so eilig hier einfuhr, hat
man aus Varna vom-4 9. d. Mes. die Nachricht empfangen, daß General
Lüders mit 33,000 Mann die Verbindung zwischen Schumla und Silistria
unterbrochen und diesen wichtigen Platz, den stärksten aus dem ganzen Kriegs¬
theater, in Blockadezustand versetzt hat. Diese Mittheilung ist officiell und
unterliegt keinem Zweifel mehr. Zur Zeit des Abgangs des Dampfers lies
indeß in Varna eine andere Nachricht ein, wonach die Russen in der Stärke
von 00,000 —80,000 Mann bei Rustschuck über die Donau gegangen seien
und sich auf dem rechten Stromufer zu etabliren begannen.

Während dieses sich am Ister begeben, kam man hier zu dem Entschluß,
die Frage über die Unterordnung Omer Paschas unter den Befehl Se. Arnauds
und demnächst die Feststellung eines gemeinsamen, allgemeinen Operationsplans
zum Gegenstand einer in ÄZarna zwischen dem türkischen Generalissimus, dem
französischen Marschall und Lord Raglan zu veranstaltenden Berathung zu
machen. Am 18. d. Mes. Abends (Donnerstags) schifften die beiden letzt¬
genannten Herren sich nach Varna ein, wohin sich auch Risa .Pascha, der Kriegs¬
minister, begab, wie man vermuthet, um den Omer Pascha, falls er seine Un¬
terordnung verweigern sollte, abzusetzen oder an die Stelle des Oberbefehls¬
habers in Anadoli zu senden. Es heißt weiter, daß die Generale bei ihrer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/423>, abgerufen am 01.07.2024.