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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Geschäftsleuten auch ihren natürlichen Beruf zur Fabrikstadt anschaulich
gemacht. Es erhoben sich Mühlwerke und Eisengießereien, man fabricirte
Liqueure, Wein, Cichorien, die allmälig sich bessernden Conjuncturen gaben
auch dem Kaufmann einen Theil des frühern Muthes wieder. Als die Hul¬
digungsrede Friedrich Wilhelms IV. im Jahr 1840 wie ein elektrischer Schlag
die Provinz durchzuckte, und in allen Kreisen schlummernde Hoffnungen weckte,
wehte die Elbinger Flagge schon von zwei schmucken Dampfern, den ersten
in Altpreußen, und ein täglicher, schon lebhafter Verkehr mit der "Stadt der
reinen Vernunft" mußte grade damals ihrer zurückgebliebenen Schwester eine
Fülle geistiger und gewerblicher Anregungen zuführen. Zunächst waren die
Fortschritte sichtlich und handgreiflich auf allen Gebieten des materiellen Lebens.
Die schwachbewohnten, hin und wieder gar leerstehenden Häuser füllten sich
mit eingewanderten Familien und neuen Etablissements, die Dampfschornsteine
mehrten sich, die Wersten fingen an sich zu beleben und -- ein recht erfreulicher
Gemeinsinn gab allen diesen Fortschritten eine solide Würde und eine Bürg¬
schaft der Dauer. Das Schulwesen wurde gründlich und mit großen Opfern
reorganisirt, eine 1843 gegründete, bald überaus zahlreich besuchte Realschule
bezeugte das in den gewerbtreibenden Classen mächtig erwachte Streben nach
Bildung, ein Verschönerungsverein schmückte Straßen und Plätze der Stadt
mit Baumgruppen und Gartenanlagen, ein geschmackvolles Schauspielhaus
wurde aus Actien gebaut, und -- eine wirklich vortreffliche Communalverwaltung
verstand es, die überall sich regende Kraft zu organisiren, zusammenzuhalten
und gedeihlichen Zielen zuzuführen. Es knüpfen sich diese Leistungen zum Theil
an Namen, die durch die Ereignisse der neuesten Zeit einen theuer erkauften
historischen Klang gewonnen haben, die man vom allgemein politischen Stand-
Punkt verschieden beurtheilen mag, die aber in den Annalen der S-labt stets
gefeiert bleiben werden: ich meine namentlich Philipps. --

Es konnte nicht ausbleiben, daß ein so geleitetes, durch alle Verhältnisse
auf rühriges Fortschreiten gebieterisch hingewiesenes Gemeinwesen an der von
der Huldigungsrede des Jahres'1840 datirenden politischen Bewegung sich
lebhast betheiligte. Von der ersten Bitte um Erfüllung der alten Verfassungs¬
zusage bis aus die Feier des Februarpatents (1847) ist Elbings Name bei
allen mehr oder weniger naiven "Demonstrationen" jener glücklichen Studenten¬
jahre des preußischen Liberalismus in erster Linie genannt worden/ Doch nahm
die Stadt zu diesen Bestrebungen von vornherein eine eigenthümliche, mit dem Auf¬
treten Königsbergs durchaus nicht zu verwechselnde Richtung. Wer in den Jahren
1842--47 Gelegenheit hatte, das Königsberger "Geschichte-Machen" aus der Nähe
mit anzusehen, kannten vorwiegend theoretischen Charakter jjener "Volksversamm¬
lungen" und Festzuge nicht verkannt haben. Ueberall war es das "akademische"
Königsberg, das seine Stimme erhob über Preßfreiheit, Constitution und Ge-


Geschäftsleuten auch ihren natürlichen Beruf zur Fabrikstadt anschaulich
gemacht. Es erhoben sich Mühlwerke und Eisengießereien, man fabricirte
Liqueure, Wein, Cichorien, die allmälig sich bessernden Conjuncturen gaben
auch dem Kaufmann einen Theil des frühern Muthes wieder. Als die Hul¬
digungsrede Friedrich Wilhelms IV. im Jahr 1840 wie ein elektrischer Schlag
die Provinz durchzuckte, und in allen Kreisen schlummernde Hoffnungen weckte,
wehte die Elbinger Flagge schon von zwei schmucken Dampfern, den ersten
in Altpreußen, und ein täglicher, schon lebhafter Verkehr mit der „Stadt der
reinen Vernunft" mußte grade damals ihrer zurückgebliebenen Schwester eine
Fülle geistiger und gewerblicher Anregungen zuführen. Zunächst waren die
Fortschritte sichtlich und handgreiflich auf allen Gebieten des materiellen Lebens.
Die schwachbewohnten, hin und wieder gar leerstehenden Häuser füllten sich
mit eingewanderten Familien und neuen Etablissements, die Dampfschornsteine
mehrten sich, die Wersten fingen an sich zu beleben und — ein recht erfreulicher
Gemeinsinn gab allen diesen Fortschritten eine solide Würde und eine Bürg¬
schaft der Dauer. Das Schulwesen wurde gründlich und mit großen Opfern
reorganisirt, eine 1843 gegründete, bald überaus zahlreich besuchte Realschule
bezeugte das in den gewerbtreibenden Classen mächtig erwachte Streben nach
Bildung, ein Verschönerungsverein schmückte Straßen und Plätze der Stadt
mit Baumgruppen und Gartenanlagen, ein geschmackvolles Schauspielhaus
wurde aus Actien gebaut, und — eine wirklich vortreffliche Communalverwaltung
verstand es, die überall sich regende Kraft zu organisiren, zusammenzuhalten
und gedeihlichen Zielen zuzuführen. Es knüpfen sich diese Leistungen zum Theil
an Namen, die durch die Ereignisse der neuesten Zeit einen theuer erkauften
historischen Klang gewonnen haben, die man vom allgemein politischen Stand-
Punkt verschieden beurtheilen mag, die aber in den Annalen der S-labt stets
gefeiert bleiben werden: ich meine namentlich Philipps. —

Es konnte nicht ausbleiben, daß ein so geleitetes, durch alle Verhältnisse
auf rühriges Fortschreiten gebieterisch hingewiesenes Gemeinwesen an der von
der Huldigungsrede des Jahres'1840 datirenden politischen Bewegung sich
lebhast betheiligte. Von der ersten Bitte um Erfüllung der alten Verfassungs¬
zusage bis aus die Feier des Februarpatents (1847) ist Elbings Name bei
allen mehr oder weniger naiven „Demonstrationen" jener glücklichen Studenten¬
jahre des preußischen Liberalismus in erster Linie genannt worden/ Doch nahm
die Stadt zu diesen Bestrebungen von vornherein eine eigenthümliche, mit dem Auf¬
treten Königsbergs durchaus nicht zu verwechselnde Richtung. Wer in den Jahren
1842—47 Gelegenheit hatte, das Königsberger „Geschichte-Machen" aus der Nähe
mit anzusehen, kannten vorwiegend theoretischen Charakter jjener „Volksversamm¬
lungen" und Festzuge nicht verkannt haben. Ueberall war es das „akademische"
Königsberg, das seine Stimme erhob über Preßfreiheit, Constitution und Ge-


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[0415] Geschäftsleuten auch ihren natürlichen Beruf zur Fabrikstadt anschaulich gemacht. Es erhoben sich Mühlwerke und Eisengießereien, man fabricirte Liqueure, Wein, Cichorien, die allmälig sich bessernden Conjuncturen gaben auch dem Kaufmann einen Theil des frühern Muthes wieder. Als die Hul¬ digungsrede Friedrich Wilhelms IV. im Jahr 1840 wie ein elektrischer Schlag die Provinz durchzuckte, und in allen Kreisen schlummernde Hoffnungen weckte, wehte die Elbinger Flagge schon von zwei schmucken Dampfern, den ersten in Altpreußen, und ein täglicher, schon lebhafter Verkehr mit der „Stadt der reinen Vernunft" mußte grade damals ihrer zurückgebliebenen Schwester eine Fülle geistiger und gewerblicher Anregungen zuführen. Zunächst waren die Fortschritte sichtlich und handgreiflich auf allen Gebieten des materiellen Lebens. Die schwachbewohnten, hin und wieder gar leerstehenden Häuser füllten sich mit eingewanderten Familien und neuen Etablissements, die Dampfschornsteine mehrten sich, die Wersten fingen an sich zu beleben und — ein recht erfreulicher Gemeinsinn gab allen diesen Fortschritten eine solide Würde und eine Bürg¬ schaft der Dauer. Das Schulwesen wurde gründlich und mit großen Opfern reorganisirt, eine 1843 gegründete, bald überaus zahlreich besuchte Realschule bezeugte das in den gewerbtreibenden Classen mächtig erwachte Streben nach Bildung, ein Verschönerungsverein schmückte Straßen und Plätze der Stadt mit Baumgruppen und Gartenanlagen, ein geschmackvolles Schauspielhaus wurde aus Actien gebaut, und — eine wirklich vortreffliche Communalverwaltung verstand es, die überall sich regende Kraft zu organisiren, zusammenzuhalten und gedeihlichen Zielen zuzuführen. Es knüpfen sich diese Leistungen zum Theil an Namen, die durch die Ereignisse der neuesten Zeit einen theuer erkauften historischen Klang gewonnen haben, die man vom allgemein politischen Stand- Punkt verschieden beurtheilen mag, die aber in den Annalen der S-labt stets gefeiert bleiben werden: ich meine namentlich Philipps. — Es konnte nicht ausbleiben, daß ein so geleitetes, durch alle Verhältnisse auf rühriges Fortschreiten gebieterisch hingewiesenes Gemeinwesen an der von der Huldigungsrede des Jahres'1840 datirenden politischen Bewegung sich lebhast betheiligte. Von der ersten Bitte um Erfüllung der alten Verfassungs¬ zusage bis aus die Feier des Februarpatents (1847) ist Elbings Name bei allen mehr oder weniger naiven „Demonstrationen" jener glücklichen Studenten¬ jahre des preußischen Liberalismus in erster Linie genannt worden/ Doch nahm die Stadt zu diesen Bestrebungen von vornherein eine eigenthümliche, mit dem Auf¬ treten Königsbergs durchaus nicht zu verwechselnde Richtung. Wer in den Jahren 1842—47 Gelegenheit hatte, das Königsberger „Geschichte-Machen" aus der Nähe mit anzusehen, kannten vorwiegend theoretischen Charakter jjener „Volksversamm¬ lungen" und Festzuge nicht verkannt haben. Ueberall war es das „akademische" Königsberg, das seine Stimme erhob über Preßfreiheit, Constitution und Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/414>, abgerufen am 23.07.2024.