Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

, , .. . . v.,. ,. ^ / ^ . > <Ä-i!/t-N^,. V > ^ -
Obertribunals und des Staatsrathes über den die innersten Principien des
preußischen Staatslebens so nahe berührenden Gegenstand. Es handelte sich
im wesentlichen darum, ob nach preußischem Recht rein politische Acte der
Staatsregierung, sofern sie in das Eigenthum von Privaten eingreifen, der
richterlichen Entscheidung unterliegen oder nicht. Die erstere Ansicht, d. h. die
unbedingte Aufrechterhaltung des Rechts in Privatsachen, wurde energisch
durch den Minister Müh ter und durch -- v. Rasow vertreten, den berufenen
Erfinder des "beschränkten Unterthanenverstandes." -- "Kein Souverän," erklärte
Muster, "kann rechtlich über Privateigenthum seiner Unterthanen durch Ver¬
pfändung disponiren und nie kann es ein Act der Landeshoheit sein, Privat¬
eigenthum für die Schuld eines dritten in Besitz zu nehmen." Dem entgegen
wurde namentlich durch Eichhorn die Ansicht vertreten, daß die Besitznahme
Elbings durch Preußen der Mediatisirung der deutschen Reichsstädte im Jahr
-1802 gleich zu achten sei. Der Erminister von 18i8 nimmt, um diese Ansicht
zu halten, zu der Fiction seine Zuflucht, daß Elbing mit der Verleihung des
Territoriums landesherrliche Pflichten übernommen habe, daß nun, nach deren
Wegfall, auch die entsprechenden Rechte, d. h. die Nutznießung des Gebiets,
dem neuen Lcurdesherrn zustanden. Die Geschichte gibt zu dieser Annahme
freilich nicht die geringste Veranlassung; im Gegentheil hätte Eichhorn sich leicht
überzeugen können, daß Polen bei der Verleihung die landesherrlichen Rechte
sich ausdrücklich vorbehielt und auch die landesherrlichen Renten beständig be¬
zogen hat. Den Hauptaccent aber legt der christlich-germanische Referent auf
den Grundsatz, "daß, wenn ein Staat, wenngleich widerrechtlich, einem andern
Staat Privateigenthum seiner Unterthanen zum Unterpfand hingebe, letztere
unmöglich die Rückgabe von den Gerichten des Staates fordern könnten, dem
der Besitz eingeräumt worden. Damit würde ja den Gerichten die höchste
Gewalt übertragen, und eine solche Absicht einem Souverän unterzuschieben
schließe einen innern Widerspruch ein und könne nie statuirt werden". --

Schließlich wurde Elbing mit seiner Forderung abgewiesen, aber der
Gnade des Königs empfohlen, und so kam denn im Jahr 184S ein endlicher
Vergleich zu Stande. Der Staat übernahm 300,000 Thaler von der Kriegs¬
schuld, leistete eine gewisse Beihilfe zu Instandhaltung der Nögatlinie und
übernahm auf seine Kosten die Polizei und das bis dahin städtische
Gymnasium. --

Mittlerweile aber hatten die Zustände der Stadt aus sich heraus einen
eigenthümlichen und im ganzen höchst erfreulichen Umschwung gewonnen. Das
lange Darniederliegen des Getreidehandels, die nach heutigen Begriffen fabel¬
hafte Billigkeit der Lebensmittel (das Pfund Butter wurde z. B. vor 13 Jahren
in Elbing noch für 2 --3 Silbergroschen verkauft) hätte die Stadt nicht nur
mit penstonirten Beamten und Offizieren angefüllt, sondern einigen intelligenten


, , .. . . v.,. ,. ^ / ^ . > <Ä-i!/t-N^,. V > ^ -
Obertribunals und des Staatsrathes über den die innersten Principien des
preußischen Staatslebens so nahe berührenden Gegenstand. Es handelte sich
im wesentlichen darum, ob nach preußischem Recht rein politische Acte der
Staatsregierung, sofern sie in das Eigenthum von Privaten eingreifen, der
richterlichen Entscheidung unterliegen oder nicht. Die erstere Ansicht, d. h. die
unbedingte Aufrechterhaltung des Rechts in Privatsachen, wurde energisch
durch den Minister Müh ter und durch — v. Rasow vertreten, den berufenen
Erfinder des „beschränkten Unterthanenverstandes." — „Kein Souverän," erklärte
Muster, „kann rechtlich über Privateigenthum seiner Unterthanen durch Ver¬
pfändung disponiren und nie kann es ein Act der Landeshoheit sein, Privat¬
eigenthum für die Schuld eines dritten in Besitz zu nehmen." Dem entgegen
wurde namentlich durch Eichhorn die Ansicht vertreten, daß die Besitznahme
Elbings durch Preußen der Mediatisirung der deutschen Reichsstädte im Jahr
-1802 gleich zu achten sei. Der Erminister von 18i8 nimmt, um diese Ansicht
zu halten, zu der Fiction seine Zuflucht, daß Elbing mit der Verleihung des
Territoriums landesherrliche Pflichten übernommen habe, daß nun, nach deren
Wegfall, auch die entsprechenden Rechte, d. h. die Nutznießung des Gebiets,
dem neuen Lcurdesherrn zustanden. Die Geschichte gibt zu dieser Annahme
freilich nicht die geringste Veranlassung; im Gegentheil hätte Eichhorn sich leicht
überzeugen können, daß Polen bei der Verleihung die landesherrlichen Rechte
sich ausdrücklich vorbehielt und auch die landesherrlichen Renten beständig be¬
zogen hat. Den Hauptaccent aber legt der christlich-germanische Referent auf
den Grundsatz, „daß, wenn ein Staat, wenngleich widerrechtlich, einem andern
Staat Privateigenthum seiner Unterthanen zum Unterpfand hingebe, letztere
unmöglich die Rückgabe von den Gerichten des Staates fordern könnten, dem
der Besitz eingeräumt worden. Damit würde ja den Gerichten die höchste
Gewalt übertragen, und eine solche Absicht einem Souverän unterzuschieben
schließe einen innern Widerspruch ein und könne nie statuirt werden". —

Schließlich wurde Elbing mit seiner Forderung abgewiesen, aber der
Gnade des Königs empfohlen, und so kam denn im Jahr 184S ein endlicher
Vergleich zu Stande. Der Staat übernahm 300,000 Thaler von der Kriegs¬
schuld, leistete eine gewisse Beihilfe zu Instandhaltung der Nögatlinie und
übernahm auf seine Kosten die Polizei und das bis dahin städtische
Gymnasium. —

Mittlerweile aber hatten die Zustände der Stadt aus sich heraus einen
eigenthümlichen und im ganzen höchst erfreulichen Umschwung gewonnen. Das
lange Darniederliegen des Getreidehandels, die nach heutigen Begriffen fabel¬
hafte Billigkeit der Lebensmittel (das Pfund Butter wurde z. B. vor 13 Jahren
in Elbing noch für 2 —3 Silbergroschen verkauft) hätte die Stadt nicht nur
mit penstonirten Beamten und Offizieren angefüllt, sondern einigen intelligenten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0414" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98194"/>
            <p xml:id="ID_1277" prev="#ID_1276"> ,   , ..  .  . v.,.  ,.  ^   /    ^ .    &gt; &lt;Ä-i!/t-N^,. V &gt; ^ -<lb/>
Obertribunals und des Staatsrathes über den die innersten Principien des<lb/>
preußischen Staatslebens so nahe berührenden Gegenstand. Es handelte sich<lb/>
im wesentlichen darum, ob nach preußischem Recht rein politische Acte der<lb/>
Staatsregierung, sofern sie in das Eigenthum von Privaten eingreifen, der<lb/>
richterlichen Entscheidung unterliegen oder nicht. Die erstere Ansicht, d. h. die<lb/>
unbedingte Aufrechterhaltung des Rechts in Privatsachen, wurde energisch<lb/>
durch den Minister Müh ter und durch &#x2014; v. Rasow vertreten, den berufenen<lb/>
Erfinder des &#x201E;beschränkten Unterthanenverstandes." &#x2014; &#x201E;Kein Souverän," erklärte<lb/>
Muster, &#x201E;kann rechtlich über Privateigenthum seiner Unterthanen durch Ver¬<lb/>
pfändung disponiren und nie kann es ein Act der Landeshoheit sein, Privat¬<lb/>
eigenthum für die Schuld eines dritten in Besitz zu nehmen." Dem entgegen<lb/>
wurde namentlich durch Eichhorn die Ansicht vertreten, daß die Besitznahme<lb/>
Elbings durch Preußen der Mediatisirung der deutschen Reichsstädte im Jahr<lb/>
-1802 gleich zu achten sei. Der Erminister von 18i8 nimmt, um diese Ansicht<lb/>
zu halten, zu der Fiction seine Zuflucht, daß Elbing mit der Verleihung des<lb/>
Territoriums landesherrliche Pflichten übernommen habe, daß nun, nach deren<lb/>
Wegfall, auch die entsprechenden Rechte, d. h. die Nutznießung des Gebiets,<lb/>
dem neuen Lcurdesherrn zustanden. Die Geschichte gibt zu dieser Annahme<lb/>
freilich nicht die geringste Veranlassung; im Gegentheil hätte Eichhorn sich leicht<lb/>
überzeugen können, daß Polen bei der Verleihung die landesherrlichen Rechte<lb/>
sich ausdrücklich vorbehielt und auch die landesherrlichen Renten beständig be¬<lb/>
zogen hat. Den Hauptaccent aber legt der christlich-germanische Referent auf<lb/>
den Grundsatz, &#x201E;daß, wenn ein Staat, wenngleich widerrechtlich, einem andern<lb/>
Staat Privateigenthum seiner Unterthanen zum Unterpfand hingebe, letztere<lb/>
unmöglich die Rückgabe von den Gerichten des Staates fordern könnten, dem<lb/>
der Besitz eingeräumt worden. Damit würde ja den Gerichten die höchste<lb/>
Gewalt übertragen, und eine solche Absicht einem Souverän unterzuschieben<lb/>
schließe einen innern Widerspruch ein und könne nie statuirt werden". &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1278"> Schließlich wurde Elbing mit seiner Forderung abgewiesen, aber der<lb/>
Gnade des Königs empfohlen, und so kam denn im Jahr 184S ein endlicher<lb/>
Vergleich zu Stande. Der Staat übernahm 300,000 Thaler von der Kriegs¬<lb/>
schuld, leistete eine gewisse Beihilfe zu Instandhaltung der Nögatlinie und<lb/>
übernahm auf seine Kosten die Polizei und das bis dahin städtische<lb/>
Gymnasium. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1279" next="#ID_1280"> Mittlerweile aber hatten die Zustände der Stadt aus sich heraus einen<lb/>
eigenthümlichen und im ganzen höchst erfreulichen Umschwung gewonnen. Das<lb/>
lange Darniederliegen des Getreidehandels, die nach heutigen Begriffen fabel¬<lb/>
hafte Billigkeit der Lebensmittel (das Pfund Butter wurde z. B. vor 13 Jahren<lb/>
in Elbing noch für 2 &#x2014;3 Silbergroschen verkauft) hätte die Stadt nicht nur<lb/>
mit penstonirten Beamten und Offizieren angefüllt, sondern einigen intelligenten</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0414] , , .. . . v.,. ,. ^ / ^ . > <Ä-i!/t-N^,. V > ^ - Obertribunals und des Staatsrathes über den die innersten Principien des preußischen Staatslebens so nahe berührenden Gegenstand. Es handelte sich im wesentlichen darum, ob nach preußischem Recht rein politische Acte der Staatsregierung, sofern sie in das Eigenthum von Privaten eingreifen, der richterlichen Entscheidung unterliegen oder nicht. Die erstere Ansicht, d. h. die unbedingte Aufrechterhaltung des Rechts in Privatsachen, wurde energisch durch den Minister Müh ter und durch — v. Rasow vertreten, den berufenen Erfinder des „beschränkten Unterthanenverstandes." — „Kein Souverän," erklärte Muster, „kann rechtlich über Privateigenthum seiner Unterthanen durch Ver¬ pfändung disponiren und nie kann es ein Act der Landeshoheit sein, Privat¬ eigenthum für die Schuld eines dritten in Besitz zu nehmen." Dem entgegen wurde namentlich durch Eichhorn die Ansicht vertreten, daß die Besitznahme Elbings durch Preußen der Mediatisirung der deutschen Reichsstädte im Jahr -1802 gleich zu achten sei. Der Erminister von 18i8 nimmt, um diese Ansicht zu halten, zu der Fiction seine Zuflucht, daß Elbing mit der Verleihung des Territoriums landesherrliche Pflichten übernommen habe, daß nun, nach deren Wegfall, auch die entsprechenden Rechte, d. h. die Nutznießung des Gebiets, dem neuen Lcurdesherrn zustanden. Die Geschichte gibt zu dieser Annahme freilich nicht die geringste Veranlassung; im Gegentheil hätte Eichhorn sich leicht überzeugen können, daß Polen bei der Verleihung die landesherrlichen Rechte sich ausdrücklich vorbehielt und auch die landesherrlichen Renten beständig be¬ zogen hat. Den Hauptaccent aber legt der christlich-germanische Referent auf den Grundsatz, „daß, wenn ein Staat, wenngleich widerrechtlich, einem andern Staat Privateigenthum seiner Unterthanen zum Unterpfand hingebe, letztere unmöglich die Rückgabe von den Gerichten des Staates fordern könnten, dem der Besitz eingeräumt worden. Damit würde ja den Gerichten die höchste Gewalt übertragen, und eine solche Absicht einem Souverän unterzuschieben schließe einen innern Widerspruch ein und könne nie statuirt werden". — Schließlich wurde Elbing mit seiner Forderung abgewiesen, aber der Gnade des Königs empfohlen, und so kam denn im Jahr 184S ein endlicher Vergleich zu Stande. Der Staat übernahm 300,000 Thaler von der Kriegs¬ schuld, leistete eine gewisse Beihilfe zu Instandhaltung der Nögatlinie und übernahm auf seine Kosten die Polizei und das bis dahin städtische Gymnasium. — Mittlerweile aber hatten die Zustände der Stadt aus sich heraus einen eigenthümlichen und im ganzen höchst erfreulichen Umschwung gewonnen. Das lange Darniederliegen des Getreidehandels, die nach heutigen Begriffen fabel¬ hafte Billigkeit der Lebensmittel (das Pfund Butter wurde z. B. vor 13 Jahren in Elbing noch für 2 —3 Silbergroschen verkauft) hätte die Stadt nicht nur mit penstonirten Beamten und Offizieren angefüllt, sondern einigen intelligenten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/413
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/413>, abgerufen am 23.07.2024.