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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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meles Schutz- und Trutzbündniß beider Staaten zu Stande zu bringen, in.
Berlin auf solche Hindernisse, daß aus dem Compromiß widerstrebender Ten¬
denzen ein ganz allgemein gehaltener Vertrag hervorging. Die ursprüngliche
Absicht, Oestreich durch einen Sondervertrag von den Westmachten loszulösen,
ist allerdings verfehlt; aber man darf nicht übersehen, daß die Partei, welche
um dieses Zieles willen die Verhandlungen mit Oestreich in Anregung brachte,
den Vertrag auch in diesem Sinne zu deuten und zu handhaben suchen wird,
solange sie aus die preußische Politik überhaupt Einfluß besitzt.

Bei uns concentrirt sich die Entscheidung stets in eine Personenfrage.
Mit der Beseitigung des Grafen Pourtales begann das ohnmächtige Ringen
der nationalen Politik gegen den entgegengesetzten Einfluß; mit dem Sturze
Bonins ist das Widerstreben der nationalen Politik beseitigt, und die Sicher-'
Stellung des von der Kreuzzeitungspartei errungenen Sieges ist wiederum
lediglich eine Personenfmge. Diese Partei ist des Erfolges nur dann gewiß,
wenn sie den aus den Grundsätzen einer nationalen Politik hervorgehenden
Ansichten jeden Zugang zu dem Ohre des Königs versperrt hat, und sie benutzt
deshalb ihren steigenden Einfluß, alle Personen, die ihr gefährlich wurden oder
werden konnten, aus ihren Stellungen zu verdrängen. So stürzte sie den
Grafen Pourtales, Bunsen, v. Bonin; so hat sie jetzt den Gesandten in Rom,
v. Usedom, aus dem Staatsdienste zu entfernen gewußt, -- lediglich, weil er
gefährlich werden konnte. Und die Reihe der Männer, deren Sturz der
Herzog Georg als unerläßlich bezeichnete, scheint noch nicht erschöpft zu sein. -- "

Die Altklugheit, die um des Wiener Protokolls und des östreichisch-preu¬
ßischen Vertrags willen viel unzweideutigere Thatsachen ignorirte, und mit
vornehmen Naserümpfen über den "andern Klatsch" auf Schriftstücke sich
stützte, wird sich bei Prüfung des Wortlauts der östreichisch-preußischen Convention
der unheimlichen Ahnung nicht haben erwehren können, daß sie das Gebäude
ihres Vertrauens auf ziemlich schwankendem Grunde errichtet hat. Selbst nach
der langen Reihe von Verträgen, deren tragisches Schicksal abgeschlossen vor
uns liegt, muß der Vertrag vom 20. April als ein außergewöhnliches Acten¬
stück betrachtet werden, in dem ganz heterogene Elemente in der Noth des
Augenblicks wunderlich zusammengeschmiedet wurden: überall sieht man die
Spuren des ungeschlichteten Kampfes, dem der Vertrag seinen Ursprung ver¬
dankte.

Nach dem Ausdruck des Bedauerns über die Fruchtlosigkeit der bisherigen
Friedensbemühungen folgt die Hinweisung auf die im Wiener Protokoll über¬
nommenen Verpflichtungen, ein Motiv, welches dem Schutz- und Trutzbündniß
nach der gewöhnlichen Ausfassung des Protokolls (nicht nach derjenigen^ welche


meles Schutz- und Trutzbündniß beider Staaten zu Stande zu bringen, in.
Berlin auf solche Hindernisse, daß aus dem Compromiß widerstrebender Ten¬
denzen ein ganz allgemein gehaltener Vertrag hervorging. Die ursprüngliche
Absicht, Oestreich durch einen Sondervertrag von den Westmachten loszulösen,
ist allerdings verfehlt; aber man darf nicht übersehen, daß die Partei, welche
um dieses Zieles willen die Verhandlungen mit Oestreich in Anregung brachte,
den Vertrag auch in diesem Sinne zu deuten und zu handhaben suchen wird,
solange sie aus die preußische Politik überhaupt Einfluß besitzt.

Bei uns concentrirt sich die Entscheidung stets in eine Personenfrage.
Mit der Beseitigung des Grafen Pourtales begann das ohnmächtige Ringen
der nationalen Politik gegen den entgegengesetzten Einfluß; mit dem Sturze
Bonins ist das Widerstreben der nationalen Politik beseitigt, und die Sicher-'
Stellung des von der Kreuzzeitungspartei errungenen Sieges ist wiederum
lediglich eine Personenfmge. Diese Partei ist des Erfolges nur dann gewiß,
wenn sie den aus den Grundsätzen einer nationalen Politik hervorgehenden
Ansichten jeden Zugang zu dem Ohre des Königs versperrt hat, und sie benutzt
deshalb ihren steigenden Einfluß, alle Personen, die ihr gefährlich wurden oder
werden konnten, aus ihren Stellungen zu verdrängen. So stürzte sie den
Grafen Pourtales, Bunsen, v. Bonin; so hat sie jetzt den Gesandten in Rom,
v. Usedom, aus dem Staatsdienste zu entfernen gewußt, — lediglich, weil er
gefährlich werden konnte. Und die Reihe der Männer, deren Sturz der
Herzog Georg als unerläßlich bezeichnete, scheint noch nicht erschöpft zu sein. — "

Die Altklugheit, die um des Wiener Protokolls und des östreichisch-preu¬
ßischen Vertrags willen viel unzweideutigere Thatsachen ignorirte, und mit
vornehmen Naserümpfen über den „andern Klatsch" auf Schriftstücke sich
stützte, wird sich bei Prüfung des Wortlauts der östreichisch-preußischen Convention
der unheimlichen Ahnung nicht haben erwehren können, daß sie das Gebäude
ihres Vertrauens auf ziemlich schwankendem Grunde errichtet hat. Selbst nach
der langen Reihe von Verträgen, deren tragisches Schicksal abgeschlossen vor
uns liegt, muß der Vertrag vom 20. April als ein außergewöhnliches Acten¬
stück betrachtet werden, in dem ganz heterogene Elemente in der Noth des
Augenblicks wunderlich zusammengeschmiedet wurden: überall sieht man die
Spuren des ungeschlichteten Kampfes, dem der Vertrag seinen Ursprung ver¬
dankte.

Nach dem Ausdruck des Bedauerns über die Fruchtlosigkeit der bisherigen
Friedensbemühungen folgt die Hinweisung auf die im Wiener Protokoll über¬
nommenen Verpflichtungen, ein Motiv, welches dem Schutz- und Trutzbündniß
nach der gewöhnlichen Ausfassung des Protokolls (nicht nach derjenigen^ welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/396>, abgerufen am 01.07.2024.