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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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dir Laune eines doctrinärcn Despoten der ganzen Geschichte eine neue Richtung
zu geben. Alles was wirklich im Staat lebte, empfand diese als das Ver¬
derben des Staats, und so kam es gar nicht zu einem Gährungsproceß, sondern
es galt nur, ein fremdes, ganz krankhaftes Moment aus dem Organismus,
auszuscheiden. Auch da spielt der Zufall seine Rolle: wäre kein Wilhelm von
Oranien bei dem Heer gewesen, so hätte man über den glücklichen Ausgang
wenigstens zweifelhaft sein können. Aber die Hauptsache ist: wenn der Act
selbst gelingt, so sind die daraus entspringenden Zustände gesund und natürlich,
und eine Reaction, tritt nicht ein, weil der ausgeschiedene Stoff ein fremder war.
-- Man steht, daß es auch conservative "Revolutionen" gibt. --


ki'omnes (IIZ in Revolution pen' I. Uicbvlei,. Lruxelles Kt I^gipiiig-
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Es gibt unter den Geschichtschreibern kaum zwei Naturen, die einen ent¬
schiedeneren Gegensatz bildeten, als Guizot und Michelet. Beide sind geistvoll;
aber bei Guizot ist alles Reflexion, Dogma und Berechnung, während bei Mi¬
chelet die Einbildungskraft und das Gemüth, sich aller Fesseln des Nachdenkens
entledigen. Ein Sprühfeuer von überraschenden, zuweilen sehr scharfsinnigen
und treffenden, ebenso oft aber auch sinnlosen Einfällen überschüttet uns. jeden
Augenblick; selbst der Stil hat etwas Springendes und Hastiges, er erinnert
an Irrlichter und Raketen. Es sind jetzt sieben Jahre her, als seine
Geschichte der französischen Revolution erschien. Das Buch gehörte mit den
Werken von Louis Blane und Lamartine zu jenen prophetischen Vorahnungen
einer nahen Erschütterung, die bereits alle Gemüther durchzitterte, ehe man noch
eine Vorstellung davon hatte, , woher sie kommen sollte: Es war ein roman¬
tisches Buch in dieses Wortes verwegenster Bedeutung; die seltsamsten Streif¬
lichter sielen auf jene Ereignisse, die man bis dahin mehr mit dem Verstände,
als mit der Phantasie aufgefaßt hatte. Alles nahm eine andere Farbe, einen
andern Ton an und man konnte sich in den bekannten Gegenden nicht mehr
zurechtfinden. Ueber die leitenden Individuen hinaus, an die man bis dahin
die Entwicklung der Revolution geknüpft hatte, erhob sich ein dunkler Götze,
das abstracte Volk, das sich während dieser Zeit durchaus edel und unsträflich
gehalten haben sollte, während alle hervorragenden Erscheinungen dem schnö¬
desten Eigennutz verfallen waren. Diese phantastische Abstraction hat damals
unglaublichen Schaden angerichtet. Man vergaß es ganz, daß der wahre Geist
des Volks sich eben nur in den hervorragenden Persönlichkeiten offenbart, und '
daß man einem eitlen Schatten nachjagt, wenn man sich auf den Jnstinct der
Masse stützen will, die als solche immer willenlos ist, und sich von den
widersprechendsten Einfällen bewegen läßt. In den letzten Jahren hat es sich
gezeigt, wie unsicher und schwankend die Gebäude sind, die man auf diesem
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dir Laune eines doctrinärcn Despoten der ganzen Geschichte eine neue Richtung
zu geben. Alles was wirklich im Staat lebte, empfand diese als das Ver¬
derben des Staats, und so kam es gar nicht zu einem Gährungsproceß, sondern
es galt nur, ein fremdes, ganz krankhaftes Moment aus dem Organismus,
auszuscheiden. Auch da spielt der Zufall seine Rolle: wäre kein Wilhelm von
Oranien bei dem Heer gewesen, so hätte man über den glücklichen Ausgang
wenigstens zweifelhaft sein können. Aber die Hauptsache ist: wenn der Act
selbst gelingt, so sind die daraus entspringenden Zustände gesund und natürlich,
und eine Reaction, tritt nicht ein, weil der ausgeschiedene Stoff ein fremder war.
— Man steht, daß es auch conservative „Revolutionen" gibt. —


ki'omnes (IIZ in Revolution pen' I. Uicbvlei,. Lruxelles Kt I^gipiiig-
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Es gibt unter den Geschichtschreibern kaum zwei Naturen, die einen ent¬
schiedeneren Gegensatz bildeten, als Guizot und Michelet. Beide sind geistvoll;
aber bei Guizot ist alles Reflexion, Dogma und Berechnung, während bei Mi¬
chelet die Einbildungskraft und das Gemüth, sich aller Fesseln des Nachdenkens
entledigen. Ein Sprühfeuer von überraschenden, zuweilen sehr scharfsinnigen
und treffenden, ebenso oft aber auch sinnlosen Einfällen überschüttet uns. jeden
Augenblick; selbst der Stil hat etwas Springendes und Hastiges, er erinnert
an Irrlichter und Raketen. Es sind jetzt sieben Jahre her, als seine
Geschichte der französischen Revolution erschien. Das Buch gehörte mit den
Werken von Louis Blane und Lamartine zu jenen prophetischen Vorahnungen
einer nahen Erschütterung, die bereits alle Gemüther durchzitterte, ehe man noch
eine Vorstellung davon hatte, , woher sie kommen sollte: Es war ein roman¬
tisches Buch in dieses Wortes verwegenster Bedeutung; die seltsamsten Streif¬
lichter sielen auf jene Ereignisse, die man bis dahin mehr mit dem Verstände,
als mit der Phantasie aufgefaßt hatte. Alles nahm eine andere Farbe, einen
andern Ton an und man konnte sich in den bekannten Gegenden nicht mehr
zurechtfinden. Ueber die leitenden Individuen hinaus, an die man bis dahin
die Entwicklung der Revolution geknüpft hatte, erhob sich ein dunkler Götze,
das abstracte Volk, das sich während dieser Zeit durchaus edel und unsträflich
gehalten haben sollte, während alle hervorragenden Erscheinungen dem schnö¬
desten Eigennutz verfallen waren. Diese phantastische Abstraction hat damals
unglaublichen Schaden angerichtet. Man vergaß es ganz, daß der wahre Geist
des Volks sich eben nur in den hervorragenden Persönlichkeiten offenbart, und '
daß man einem eitlen Schatten nachjagt, wenn man sich auf den Jnstinct der
Masse stützen will, die als solche immer willenlos ist, und sich von den
widersprechendsten Einfällen bewegen läßt. In den letzten Jahren hat es sich
gezeigt, wie unsicher und schwankend die Gebäude sind, die man auf diesem
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/386>, abgerufen am 22.12.2024.