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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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der Wasser und das Rauschen der Lüfte -- -- beschreiben läßt sich das
nicht -- wir schauen und schweigen und das Schauen und Schweigen' wird
zum innigen Gebet.

Aber am Ufer des Sees steht eine Hütte und der Besitzer derselben pflegt
dem Entzücken der Reisenden durch die Versicherung: daß sich im Wasser des
Svculvjo herrliche Forellen aufhalten, neue Nahrung zu geben. Ist man für
seine Art des Naturgenusses empfänglich, so steigt bald eine Rauchwolke über
das Dach der Einsiedelei empor und es währt nicht lange, so ist ein Frühstück
bereit, das auch dem Feinschmecker genügt, obwol seine Bestandtheile oft
wunderlich zusammengetragen sind. Den Fond der Mahlzeit liefert der See,
für den Milchtrinker sorgen die Herden, die in der Umgegend weiden; arme
Frauen und Kinder bringen Erdbeeren; spanische Contrebandiers lassen zuweilen
einige Körbe feurigen Weins, oder feine Chocolade oder Trauben hier -- und
der Wirth vom See ist ein kluger Mann, der seine Waaren zu preisen und in
Gold zu verwandeln weiß.

Svculvjo ist einer der besuchtesten Punkte im Gebirge -- und gewiß hatten
wir es nur unsrem frühen Aufbruch von Oo zu danken, daß wir uns solange
ungestört dem Eindrucke des herrlichen Schauspiels hingeben konnten, denn
wir frühstückten noch, als sich die Wildniß mit modisch bekleideten Gestalten
füllte und als wir ausbrachen, um nach den höhergelegenen Seen zu wandern,
hörten wir des Engländers "nouüei-t'ni", das französische "maKmüciuiz" und
das "herrlich" des Deutschen in allen Tonarten und auf das mannigfaltigste
variirt.

Nachdem wir über die Brücke unterhalb des Seeausflusses zurückgekehrt
sind, steigen wir am östlichen Thalrande empor. Der Pfad ist eine der Felsen¬
treppen, Scalas genannt, die man häufig im Gebirge findet. Sie sind gefahrlos
aber sehr ermüdend--doch so oft wir stehen bleiben um auszuruhen, belohnen
uns neue Einsichten ins Gebirge und der Anblick des stillen, schimmernden
Söculvjo unter uns für die Anstrengung des Weges. Endlich treibt uns die
zunehmende Kälte und die Schärfe des Zugwindes zu schnellerem Steigen und
nach etwa 1'/^stündigem Marsche vom User des Sees gerechnet, erreichen wir
die Schlucht, die sich bis zum Becken des Espingo erhebt. Je weiter wir in
derselben vordringen, je mehr verhallt das Geräusch der großen Cascade unter
-- dann sind wir von Todesschweigen umgeben. Die letzten verkrüppelten
Fichten und Tarusgesträuche sind mehr ein Bild des Absterbens, als des Ge¬
deihens, der einzige Schmuck der Felsenwüste sind die rothen Blüten des
Rhododendron und der blaue gezahnte Enzian, die sich am Rande der Schnee¬
lager zeigen, über die unser Weg führt.

Endlich haben wir, nicht ohne Anstrengung, das obere Ende der Schlucht
erreicht; -- unter uns dehnt sich ein muldenförmiges Becken aus; zur Rechten


Grenzboten. II. -I8ut. 47

der Wasser und das Rauschen der Lüfte — — beschreiben läßt sich das
nicht — wir schauen und schweigen und das Schauen und Schweigen' wird
zum innigen Gebet.

Aber am Ufer des Sees steht eine Hütte und der Besitzer derselben pflegt
dem Entzücken der Reisenden durch die Versicherung: daß sich im Wasser des
Svculvjo herrliche Forellen aufhalten, neue Nahrung zu geben. Ist man für
seine Art des Naturgenusses empfänglich, so steigt bald eine Rauchwolke über
das Dach der Einsiedelei empor und es währt nicht lange, so ist ein Frühstück
bereit, das auch dem Feinschmecker genügt, obwol seine Bestandtheile oft
wunderlich zusammengetragen sind. Den Fond der Mahlzeit liefert der See,
für den Milchtrinker sorgen die Herden, die in der Umgegend weiden; arme
Frauen und Kinder bringen Erdbeeren; spanische Contrebandiers lassen zuweilen
einige Körbe feurigen Weins, oder feine Chocolade oder Trauben hier — und
der Wirth vom See ist ein kluger Mann, der seine Waaren zu preisen und in
Gold zu verwandeln weiß.

Svculvjo ist einer der besuchtesten Punkte im Gebirge — und gewiß hatten
wir es nur unsrem frühen Aufbruch von Oo zu danken, daß wir uns solange
ungestört dem Eindrucke des herrlichen Schauspiels hingeben konnten, denn
wir frühstückten noch, als sich die Wildniß mit modisch bekleideten Gestalten
füllte und als wir ausbrachen, um nach den höhergelegenen Seen zu wandern,
hörten wir des Engländers „nouüei-t'ni", das französische „maKmüciuiz" und
das „herrlich" des Deutschen in allen Tonarten und auf das mannigfaltigste
variirt.

Nachdem wir über die Brücke unterhalb des Seeausflusses zurückgekehrt
sind, steigen wir am östlichen Thalrande empor. Der Pfad ist eine der Felsen¬
treppen, Scalas genannt, die man häufig im Gebirge findet. Sie sind gefahrlos
aber sehr ermüdend—doch so oft wir stehen bleiben um auszuruhen, belohnen
uns neue Einsichten ins Gebirge und der Anblick des stillen, schimmernden
Söculvjo unter uns für die Anstrengung des Weges. Endlich treibt uns die
zunehmende Kälte und die Schärfe des Zugwindes zu schnellerem Steigen und
nach etwa 1'/^stündigem Marsche vom User des Sees gerechnet, erreichen wir
die Schlucht, die sich bis zum Becken des Espingo erhebt. Je weiter wir in
derselben vordringen, je mehr verhallt das Geräusch der großen Cascade unter
— dann sind wir von Todesschweigen umgeben. Die letzten verkrüppelten
Fichten und Tarusgesträuche sind mehr ein Bild des Absterbens, als des Ge¬
deihens, der einzige Schmuck der Felsenwüste sind die rothen Blüten des
Rhododendron und der blaue gezahnte Enzian, die sich am Rande der Schnee¬
lager zeigen, über die unser Weg führt.

Endlich haben wir, nicht ohne Anstrengung, das obere Ende der Schlucht
erreicht; — unter uns dehnt sich ein muldenförmiges Becken aus; zur Rechten


Grenzboten. II. -I8ut. 47
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[0377] der Wasser und das Rauschen der Lüfte — — beschreiben läßt sich das nicht — wir schauen und schweigen und das Schauen und Schweigen' wird zum innigen Gebet. Aber am Ufer des Sees steht eine Hütte und der Besitzer derselben pflegt dem Entzücken der Reisenden durch die Versicherung: daß sich im Wasser des Svculvjo herrliche Forellen aufhalten, neue Nahrung zu geben. Ist man für seine Art des Naturgenusses empfänglich, so steigt bald eine Rauchwolke über das Dach der Einsiedelei empor und es währt nicht lange, so ist ein Frühstück bereit, das auch dem Feinschmecker genügt, obwol seine Bestandtheile oft wunderlich zusammengetragen sind. Den Fond der Mahlzeit liefert der See, für den Milchtrinker sorgen die Herden, die in der Umgegend weiden; arme Frauen und Kinder bringen Erdbeeren; spanische Contrebandiers lassen zuweilen einige Körbe feurigen Weins, oder feine Chocolade oder Trauben hier — und der Wirth vom See ist ein kluger Mann, der seine Waaren zu preisen und in Gold zu verwandeln weiß. Svculvjo ist einer der besuchtesten Punkte im Gebirge — und gewiß hatten wir es nur unsrem frühen Aufbruch von Oo zu danken, daß wir uns solange ungestört dem Eindrucke des herrlichen Schauspiels hingeben konnten, denn wir frühstückten noch, als sich die Wildniß mit modisch bekleideten Gestalten füllte und als wir ausbrachen, um nach den höhergelegenen Seen zu wandern, hörten wir des Engländers „nouüei-t'ni", das französische „maKmüciuiz" und das „herrlich" des Deutschen in allen Tonarten und auf das mannigfaltigste variirt. Nachdem wir über die Brücke unterhalb des Seeausflusses zurückgekehrt sind, steigen wir am östlichen Thalrande empor. Der Pfad ist eine der Felsen¬ treppen, Scalas genannt, die man häufig im Gebirge findet. Sie sind gefahrlos aber sehr ermüdend—doch so oft wir stehen bleiben um auszuruhen, belohnen uns neue Einsichten ins Gebirge und der Anblick des stillen, schimmernden Söculvjo unter uns für die Anstrengung des Weges. Endlich treibt uns die zunehmende Kälte und die Schärfe des Zugwindes zu schnellerem Steigen und nach etwa 1'/^stündigem Marsche vom User des Sees gerechnet, erreichen wir die Schlucht, die sich bis zum Becken des Espingo erhebt. Je weiter wir in derselben vordringen, je mehr verhallt das Geräusch der großen Cascade unter — dann sind wir von Todesschweigen umgeben. Die letzten verkrüppelten Fichten und Tarusgesträuche sind mehr ein Bild des Absterbens, als des Ge¬ deihens, der einzige Schmuck der Felsenwüste sind die rothen Blüten des Rhododendron und der blaue gezahnte Enzian, die sich am Rande der Schnee¬ lager zeigen, über die unser Weg führt. Endlich haben wir, nicht ohne Anstrengung, das obere Ende der Schlucht erreicht; — unter uns dehnt sich ein muldenförmiges Becken aus; zur Rechten Grenzboten. II. -I8ut. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/376>, abgerufen am 23.07.2024.