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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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licherweise dieselben zum Stehen bringen müßte. Ich suche vergebens nach einem
haltbaren Grunde, weshalb man es vorgezogen, zuerst hier und an den Dardanellen
Station zu machen, anstatt direct ans der bulgarischen Küste Fuß zu sassen. Ohne
Zweifel wurde damit ein Fehler begangen, der möglicherweise schwer bereut werden
wird. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Russen in diesem Augenblick Silistria
sehr nahe sind oder es schon eingeschlossen haben; Me diese Festung, so gewinnen
sie damit einen neuen wohlgcsicherten Uebergang vom linken User der Donau aus
auf das rechte (bei Kalarasch); sie sind damit zugleich auf dieser Stromlinie eta-
blirt, können Varna angreifen, nach dessen Einnahme die englisch-französischen Trup¬
pen, wie ich Ihnen dies schon vor einigen Wochen schrieb, gezwungen sein dürften,
von Konstantinopel und Gallipoli aus den weiten Umweg über den Balkan zü
nehmen, anstatt binnen dreißig Stunden nach der Küste Bulgariens geführt zu
werden. >

In demselben Maße muß die Ernennung des Marschalls Se. Arnaud zum
Oberbefehlshaber gemißbilligt werden. Die deutsche Presse ist unabhängig genug,
um ihr Urtheil über diese Persönlichkeit nicht zurückhalten zu müssen.' Ich weiß
keine andere, welche in dem Maße Gegenstand der allgemeinen Verachtung wäre.

Die englische Regierung hat nicht minder eine falsche Maßregel ergriffen, in¬
dem sie Admiral Dundas an der Spitze der englischen Pontusflvtte beließ. Nach
allem, was ich über seine Befähigung gehört und was ich aus seinen Handlungen
oder NichtHandlungen von derselben schließen kann, ist sie äußerst gering. Ein See¬
mann, der so entschiedene Vorliebe für festen Ankergrund hinter wohlarmirtcn Bat¬
terien des Bundesgenossen hat,, im Gegensatz zum Kreuzen aus hoher See, erweckt an
und für sich kein günstiges Vorurtheil. Edmund Lyons soll besser sein; möglich,
daß er es noch zum Kommando in höchster Stelle bringt.

Der Ball des Herrn von Brück zur Feier der kaiserliche" Vermählung war
der glänzendste, welcher in der letzten Saison stattfand. Die Dccvrirung der Ge¬
mächer, die Pracht der Uniformen, der Luxus der Bewirthung übertrafen bei weitem
alles zuvor Dagewesene. Das östreichische Palais ist nicht groß. Den Hauptraum
der Beletage zu der eine gewundene und nicht allzubreite, aber elegante Treppe
hinaufführt, nimmt ein Salon ein, welcher einige hundert Gäste fassen kann. Zu¬
nächst demselben befindet sich ein kleinerer Saal, dessen Decke von zwei Säulen ge¬
tragen wird; um den Fuß der einen ist ein Divancarri placirt -- die Einrichtung ist
äußerst elegant, aber mehr gemüthlich, als überladen reich. Hier befindet sich auch
das lebensgroße Bild des Kaisers Franz Joseph. Die Honneurs des Hauses macht
Frau von Büschel, Schwägerin des Herrn von Bruck, dessen Gemahlin in Konstan¬
tinopel nicht anwesend ist. --

, Man glaubt, daß mit der Ankunft des Fürsten von Warschau im Hauptquar¬
tier die Offensive von den Russen mit Entschiedenheit ergriffen und namentlich die
Operationen über den Abschnitt Kustendsche-Czcrnawoda hinaus ausgedehnt werden.
Das nächste Angriffsproject würde.die starke Festung Silistria sein.

Dieser Platz ist an und für sich sehr unvortheilhaft gelegen, so weit das Ter¬
rain bedingend ist, hat aber eine große strategische Bedeutung. Die Stadt selbst
liegt tief in einer Stromniederuug und ist von einem bastionirten Wall und Gra¬
ben umgeben. Weil die Donau auf diesem Punkte nur tausend Schritte' breit und


licherweise dieselben zum Stehen bringen müßte. Ich suche vergebens nach einem
haltbaren Grunde, weshalb man es vorgezogen, zuerst hier und an den Dardanellen
Station zu machen, anstatt direct ans der bulgarischen Küste Fuß zu sassen. Ohne
Zweifel wurde damit ein Fehler begangen, der möglicherweise schwer bereut werden
wird. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Russen in diesem Augenblick Silistria
sehr nahe sind oder es schon eingeschlossen haben; Me diese Festung, so gewinnen
sie damit einen neuen wohlgcsicherten Uebergang vom linken User der Donau aus
auf das rechte (bei Kalarasch); sie sind damit zugleich auf dieser Stromlinie eta-
blirt, können Varna angreifen, nach dessen Einnahme die englisch-französischen Trup¬
pen, wie ich Ihnen dies schon vor einigen Wochen schrieb, gezwungen sein dürften,
von Konstantinopel und Gallipoli aus den weiten Umweg über den Balkan zü
nehmen, anstatt binnen dreißig Stunden nach der Küste Bulgariens geführt zu
werden. >

In demselben Maße muß die Ernennung des Marschalls Se. Arnaud zum
Oberbefehlshaber gemißbilligt werden. Die deutsche Presse ist unabhängig genug,
um ihr Urtheil über diese Persönlichkeit nicht zurückhalten zu müssen.' Ich weiß
keine andere, welche in dem Maße Gegenstand der allgemeinen Verachtung wäre.

Die englische Regierung hat nicht minder eine falsche Maßregel ergriffen, in¬
dem sie Admiral Dundas an der Spitze der englischen Pontusflvtte beließ. Nach
allem, was ich über seine Befähigung gehört und was ich aus seinen Handlungen
oder NichtHandlungen von derselben schließen kann, ist sie äußerst gering. Ein See¬
mann, der so entschiedene Vorliebe für festen Ankergrund hinter wohlarmirtcn Bat¬
terien des Bundesgenossen hat,, im Gegensatz zum Kreuzen aus hoher See, erweckt an
und für sich kein günstiges Vorurtheil. Edmund Lyons soll besser sein; möglich,
daß er es noch zum Kommando in höchster Stelle bringt.

Der Ball des Herrn von Brück zur Feier der kaiserliche» Vermählung war
der glänzendste, welcher in der letzten Saison stattfand. Die Dccvrirung der Ge¬
mächer, die Pracht der Uniformen, der Luxus der Bewirthung übertrafen bei weitem
alles zuvor Dagewesene. Das östreichische Palais ist nicht groß. Den Hauptraum
der Beletage zu der eine gewundene und nicht allzubreite, aber elegante Treppe
hinaufführt, nimmt ein Salon ein, welcher einige hundert Gäste fassen kann. Zu¬
nächst demselben befindet sich ein kleinerer Saal, dessen Decke von zwei Säulen ge¬
tragen wird; um den Fuß der einen ist ein Divancarri placirt — die Einrichtung ist
äußerst elegant, aber mehr gemüthlich, als überladen reich. Hier befindet sich auch
das lebensgroße Bild des Kaisers Franz Joseph. Die Honneurs des Hauses macht
Frau von Büschel, Schwägerin des Herrn von Bruck, dessen Gemahlin in Konstan¬
tinopel nicht anwesend ist. —

, Man glaubt, daß mit der Ankunft des Fürsten von Warschau im Hauptquar¬
tier die Offensive von den Russen mit Entschiedenheit ergriffen und namentlich die
Operationen über den Abschnitt Kustendsche-Czcrnawoda hinaus ausgedehnt werden.
Das nächste Angriffsproject würde.die starke Festung Silistria sein.

Dieser Platz ist an und für sich sehr unvortheilhaft gelegen, so weit das Ter¬
rain bedingend ist, hat aber eine große strategische Bedeutung. Die Stadt selbst
liegt tief in einer Stromniederuug und ist von einem bastionirten Wall und Gra¬
ben umgeben. Weil die Donau auf diesem Punkte nur tausend Schritte' breit und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/283>, abgerufen am 22.12.2024.