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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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daß man ihn und sein Streben nicht mit dem osmanischen System verwechseln
möge. Ist die Rede von der Möglichkeit, dieses oder jenes aus der Nähe zu,
beschaffen, so tröstet er damit, es werde sich wol alles finden; "aber wie wird
es sich finden?" setzt er mit einer gewissen Selbstironie hinzu; "sagen wir im
voraus: herzlich schlecht!"

Recht lebendig wird erst das Gespräch, wenn es die türkische Armee zum
Gegenstand nimmt. Omer Pascha verweilt mit sichtlichem Wohlbehagen bei
diesem Thema; das Heer, wie es ist, betrachtet er als seine Schöpfung, und
er ist nicht eben der Mann, der es liebt, sein Licht unter den Scheffel zu
stellen. Unter seinen Feldzügen ist es keineswegs der in Montenegro, VLN dem
er am ungernsten redet. Er weiß, daß derselbe seinen Namen erst recht in den
historischen Vordergrund geschoben hat. Aber am liebsten verweilen seine Er¬
innerungen bei den Tagen, die er in Bukarest, als Höchstcommandirender der
türkischen Truppenmacht in der Walachei und in Bosnien, verlebte. Die
Musikbande, welche alle Abende vor seiner Wohnung oder seinem Zelte auf¬
spielt, und deren Töne ihn nächtlich in den Schlaf wiegen, hat Ordre, jene
Polkas und Mazurkas ganz besonders häusig vorzutragen, die in den Tagen,
als er neben General Lüders der Augenpunkt des walachischen Adels war, um
ihn her erklangen.

Niemand Ihrer Leser wird daran zweifeln, daß Omer Pascha Mann des
Handelns ist. Aber er ist es in weit höherem Maße, als man sich in der
Regel vorstellen mag. Seine Action, namentlich die, bei welcher der Körper
in Anspruch genommen wird, ist ausdauernd und er verspürt dabei kaum die
Ermüdung. Sie kennen vielleicht schon die Thatsache, daß der Generalissimus
den Ritt von Montenegros Bergen nach Schumla im vergangenen Sommer
in neun Tagen machte, und daß er innerhalb dieser Zeit noch eine größere
Recognoscirung in der Umgegend von Sofia vornahm. Seine abgehärtete
Konstitution, die von eiserner Festigkeit ist, unterstützt ihn beim Ertragen der¬
artiger Strapazen ganz außerordentlich. Er ist selten krank und hat das kalte
Wasser als Universalmittel mit so viel Glück, wie nur irgend ein Hydropath,
aus sich angewendet. Frühmorgens, gleich nach dem Aufstehen, pflegt er
sich im Sommer und noch in den kühleren Herbsttagen einige Eimer Wasser,
bevor er Toilette macht, über den Kopf ausschütten zu lassen.

Man muß ihn aufs Pferd springen sehen, um sich davon zu überzeugen,
in welchem Umfange das Muskelspiel seines Körpers sich ungeschwächt er¬
halten hat. Diese ungemeine Frische haben alle seine Sinne. Er hört ein
leises Flüstern aus weiter Ferne, und es ist schwer, wenn man in demselben
Zimmer mit ihm sitzt, ein einziges Wort durch Leisesprechen gegen andere
seinem Verständniß zu entziehen. Aeußerst scharf und klarsichtig ist sein Helles,
graues Auge. Das Fernrohr, welches man auf einer bekannten Abbildung


daß man ihn und sein Streben nicht mit dem osmanischen System verwechseln
möge. Ist die Rede von der Möglichkeit, dieses oder jenes aus der Nähe zu,
beschaffen, so tröstet er damit, es werde sich wol alles finden; „aber wie wird
es sich finden?" setzt er mit einer gewissen Selbstironie hinzu; „sagen wir im
voraus: herzlich schlecht!"

Recht lebendig wird erst das Gespräch, wenn es die türkische Armee zum
Gegenstand nimmt. Omer Pascha verweilt mit sichtlichem Wohlbehagen bei
diesem Thema; das Heer, wie es ist, betrachtet er als seine Schöpfung, und
er ist nicht eben der Mann, der es liebt, sein Licht unter den Scheffel zu
stellen. Unter seinen Feldzügen ist es keineswegs der in Montenegro, VLN dem
er am ungernsten redet. Er weiß, daß derselbe seinen Namen erst recht in den
historischen Vordergrund geschoben hat. Aber am liebsten verweilen seine Er¬
innerungen bei den Tagen, die er in Bukarest, als Höchstcommandirender der
türkischen Truppenmacht in der Walachei und in Bosnien, verlebte. Die
Musikbande, welche alle Abende vor seiner Wohnung oder seinem Zelte auf¬
spielt, und deren Töne ihn nächtlich in den Schlaf wiegen, hat Ordre, jene
Polkas und Mazurkas ganz besonders häusig vorzutragen, die in den Tagen,
als er neben General Lüders der Augenpunkt des walachischen Adels war, um
ihn her erklangen.

Niemand Ihrer Leser wird daran zweifeln, daß Omer Pascha Mann des
Handelns ist. Aber er ist es in weit höherem Maße, als man sich in der
Regel vorstellen mag. Seine Action, namentlich die, bei welcher der Körper
in Anspruch genommen wird, ist ausdauernd und er verspürt dabei kaum die
Ermüdung. Sie kennen vielleicht schon die Thatsache, daß der Generalissimus
den Ritt von Montenegros Bergen nach Schumla im vergangenen Sommer
in neun Tagen machte, und daß er innerhalb dieser Zeit noch eine größere
Recognoscirung in der Umgegend von Sofia vornahm. Seine abgehärtete
Konstitution, die von eiserner Festigkeit ist, unterstützt ihn beim Ertragen der¬
artiger Strapazen ganz außerordentlich. Er ist selten krank und hat das kalte
Wasser als Universalmittel mit so viel Glück, wie nur irgend ein Hydropath,
aus sich angewendet. Frühmorgens, gleich nach dem Aufstehen, pflegt er
sich im Sommer und noch in den kühleren Herbsttagen einige Eimer Wasser,
bevor er Toilette macht, über den Kopf ausschütten zu lassen.

Man muß ihn aufs Pferd springen sehen, um sich davon zu überzeugen,
in welchem Umfange das Muskelspiel seines Körpers sich ungeschwächt er¬
halten hat. Diese ungemeine Frische haben alle seine Sinne. Er hört ein
leises Flüstern aus weiter Ferne, und es ist schwer, wenn man in demselben
Zimmer mit ihm sitzt, ein einziges Wort durch Leisesprechen gegen andere
seinem Verständniß zu entziehen. Aeußerst scharf und klarsichtig ist sein Helles,
graues Auge. Das Fernrohr, welches man auf einer bekannten Abbildung


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[0268] daß man ihn und sein Streben nicht mit dem osmanischen System verwechseln möge. Ist die Rede von der Möglichkeit, dieses oder jenes aus der Nähe zu, beschaffen, so tröstet er damit, es werde sich wol alles finden; „aber wie wird es sich finden?" setzt er mit einer gewissen Selbstironie hinzu; „sagen wir im voraus: herzlich schlecht!" Recht lebendig wird erst das Gespräch, wenn es die türkische Armee zum Gegenstand nimmt. Omer Pascha verweilt mit sichtlichem Wohlbehagen bei diesem Thema; das Heer, wie es ist, betrachtet er als seine Schöpfung, und er ist nicht eben der Mann, der es liebt, sein Licht unter den Scheffel zu stellen. Unter seinen Feldzügen ist es keineswegs der in Montenegro, VLN dem er am ungernsten redet. Er weiß, daß derselbe seinen Namen erst recht in den historischen Vordergrund geschoben hat. Aber am liebsten verweilen seine Er¬ innerungen bei den Tagen, die er in Bukarest, als Höchstcommandirender der türkischen Truppenmacht in der Walachei und in Bosnien, verlebte. Die Musikbande, welche alle Abende vor seiner Wohnung oder seinem Zelte auf¬ spielt, und deren Töne ihn nächtlich in den Schlaf wiegen, hat Ordre, jene Polkas und Mazurkas ganz besonders häusig vorzutragen, die in den Tagen, als er neben General Lüders der Augenpunkt des walachischen Adels war, um ihn her erklangen. Niemand Ihrer Leser wird daran zweifeln, daß Omer Pascha Mann des Handelns ist. Aber er ist es in weit höherem Maße, als man sich in der Regel vorstellen mag. Seine Action, namentlich die, bei welcher der Körper in Anspruch genommen wird, ist ausdauernd und er verspürt dabei kaum die Ermüdung. Sie kennen vielleicht schon die Thatsache, daß der Generalissimus den Ritt von Montenegros Bergen nach Schumla im vergangenen Sommer in neun Tagen machte, und daß er innerhalb dieser Zeit noch eine größere Recognoscirung in der Umgegend von Sofia vornahm. Seine abgehärtete Konstitution, die von eiserner Festigkeit ist, unterstützt ihn beim Ertragen der¬ artiger Strapazen ganz außerordentlich. Er ist selten krank und hat das kalte Wasser als Universalmittel mit so viel Glück, wie nur irgend ein Hydropath, aus sich angewendet. Frühmorgens, gleich nach dem Aufstehen, pflegt er sich im Sommer und noch in den kühleren Herbsttagen einige Eimer Wasser, bevor er Toilette macht, über den Kopf ausschütten zu lassen. Man muß ihn aufs Pferd springen sehen, um sich davon zu überzeugen, in welchem Umfange das Muskelspiel seines Körpers sich ungeschwächt er¬ halten hat. Diese ungemeine Frische haben alle seine Sinne. Er hört ein leises Flüstern aus weiter Ferne, und es ist schwer, wenn man in demselben Zimmer mit ihm sitzt, ein einziges Wort durch Leisesprechen gegen andere seinem Verständniß zu entziehen. Aeußerst scharf und klarsichtig ist sein Helles, graues Auge. Das Fernrohr, welches man auf einer bekannten Abbildung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/267>, abgerufen am 23.07.2024.