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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Liebesintrigue des Marquis in der That mehr als hinreichenden Vorwand gibt.
Ein Brief, den Poirier erbricht, führt zur dramatischen Entwicklung des Stücks.
--- Die betrogene Bürgerstochter findet Gelegenheit, ihre schöne Seele zu zeigen
und der Edelmann erscheint in so erbärmlichen Lichte, daß man die Verzeihung
der edlen cidevant Mlle. Poirier gar nicht begreift. Sie verzeiht aber. Doch
der Marquis geht in sich -- er sieht, wohin ein unthätiges Leben führt, er will
-- Herrn Poirier klopft das Herz -- als Commis bei Mlle. Poiriers Pathen ein¬
treten. Dieser ist aber auch ein edler Bourgeois und hat unter der Hand des Mar¬
quis verschuldetes Gut auf dessen Namen gekauft. Das junge Ehepaar wird sich
dahin zurückziehen und der Marquis sich mit Oekonomie beschäftigen. Herr Poirier
gibt anscheinend seine ehrgeizigen Plane auf, aber im Grunde ist seine Resignation
blos erheuchelt. Er hat schnell berechnet, daß mit Hilfe des nothwendigen Ein¬
flusses seines Schwiegersohnes er bald Deputirter werden muß. "Man zählt 18i6,
im Jahre 18i7," sagte er, "sitze ich in der Kammer und im Jahre 18i8 bin ich
Pair von Frankreich." 'Das Stück enthält in einzelnen Episoden, die ich Über¬
gängen, manche Ähnlichkeit mit Moliörschen Stücken. Die Scene mit dem Koche, den,
Poirier abschafft, erinnert an den Avare -- andere an George Daudin. Das sind
keine unbewußten Reminiscenzen, denn das Stück hieß ursprünglich I" ikviinelrc-
äs Lsorgiz DamUn. Die Motivirung ist verfehlt, denn die Grundlage des Stückes
ist falsch. Ein so ehrgeiziger und so wohlspeculirender Bourgeois wie Mr. Poirier
weiß sich heutzutage sicherere und kürzere Wege in die Pairkammer, als das gewagte
Spiel mit einem ruinirten Legitimisten. Allein trotz alledem ist es so vortrefflich
ausgeführt, so geistvoll im Dialog, so spannend in der Anlage, daß man sich amü-
sirt und lacht und trotz allzu starker Anforderung an unsere Gläubigkeit gern den
Wechsel acceptirt, den diese beiden Dichter aus die Gutmüthigkeit unseres Scharf¬
sinns ziehen. An geistvollen Zwischenfällen und Anspielungen fehlt es in diesem
Stücke auch nicht und gespielt wird wie im Gymuasc immer meisterhaft. Herr
Bertin, der Nachfolger Bressauts, war am wenigsten gut und wir hätten Lafon¬
taine in dieser Rolle lieber gesehen. --


Vorlesungen.

-- Wir haben in einem der letzten Hefte eine Reihe von
Vorträgen angeführt, die in dem wissenschaftlichen Verein zu Berlin gehalten sind,
und die im Verlage von Wilhelm Hertz in Berlin erscheinen. Seit der Zeit sind
wieder einige Lieferungen herausgegeben, nämlich: "Die Alhambra und der
Untergang der Arad er in Spanien" von Richard Goschel, ein vielleicht etwas
zu blumenreicher Vortrag, in dem aber der landschaftliche und monumentale Moment der
spanisch-arabischen Geschichte mit anziehenden Farben hervorgehoben und die poetische
Seite des Gegenstandes' warm empfunden ist. Ferner" "Robinson und die
Robinsonaden" von Hermann Hettner, eine kurzgefaßte Biographie von
Defoe, dem Verfasser des Robinson, der zugleich der erste Begründer der öffentlichen
englischen Banken, der Hagel- und Feucrassccnranzen und der Sparkassen war.
Der Verfasser läßt'sich wol etwas zu weit von dem Interesse, das man gewöhnlich
an seinem Gegenstand nimmt, verführen, wenn er den Geistlichen im Robinson das
Vorbild Nathan des Weisen nennt. -- Endlich: "Die Alpenpässe" von Karl
Witte, in derselben Weise durchgeführt wie der frühere Vortrag des Verfassers
über die Gletscherwelt.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F.'W. G'r nil o w, --- Verlag von F. L. Herbig
, ' in Leipzig.
Druck vou C. E. Elbert in Leipzig.

Liebesintrigue des Marquis in der That mehr als hinreichenden Vorwand gibt.
Ein Brief, den Poirier erbricht, führt zur dramatischen Entwicklung des Stücks.
-— Die betrogene Bürgerstochter findet Gelegenheit, ihre schöne Seele zu zeigen
und der Edelmann erscheint in so erbärmlichen Lichte, daß man die Verzeihung
der edlen cidevant Mlle. Poirier gar nicht begreift. Sie verzeiht aber. Doch
der Marquis geht in sich — er sieht, wohin ein unthätiges Leben führt, er will
— Herrn Poirier klopft das Herz — als Commis bei Mlle. Poiriers Pathen ein¬
treten. Dieser ist aber auch ein edler Bourgeois und hat unter der Hand des Mar¬
quis verschuldetes Gut auf dessen Namen gekauft. Das junge Ehepaar wird sich
dahin zurückziehen und der Marquis sich mit Oekonomie beschäftigen. Herr Poirier
gibt anscheinend seine ehrgeizigen Plane auf, aber im Grunde ist seine Resignation
blos erheuchelt. Er hat schnell berechnet, daß mit Hilfe des nothwendigen Ein¬
flusses seines Schwiegersohnes er bald Deputirter werden muß. „Man zählt 18i6,
im Jahre 18i7," sagte er, „sitze ich in der Kammer und im Jahre 18i8 bin ich
Pair von Frankreich." 'Das Stück enthält in einzelnen Episoden, die ich Über¬
gängen, manche Ähnlichkeit mit Moliörschen Stücken. Die Scene mit dem Koche, den,
Poirier abschafft, erinnert an den Avare — andere an George Daudin. Das sind
keine unbewußten Reminiscenzen, denn das Stück hieß ursprünglich I» ikviinelrc-
äs Lsorgiz DamUn. Die Motivirung ist verfehlt, denn die Grundlage des Stückes
ist falsch. Ein so ehrgeiziger und so wohlspeculirender Bourgeois wie Mr. Poirier
weiß sich heutzutage sicherere und kürzere Wege in die Pairkammer, als das gewagte
Spiel mit einem ruinirten Legitimisten. Allein trotz alledem ist es so vortrefflich
ausgeführt, so geistvoll im Dialog, so spannend in der Anlage, daß man sich amü-
sirt und lacht und trotz allzu starker Anforderung an unsere Gläubigkeit gern den
Wechsel acceptirt, den diese beiden Dichter aus die Gutmüthigkeit unseres Scharf¬
sinns ziehen. An geistvollen Zwischenfällen und Anspielungen fehlt es in diesem
Stücke auch nicht und gespielt wird wie im Gymuasc immer meisterhaft. Herr
Bertin, der Nachfolger Bressauts, war am wenigsten gut und wir hätten Lafon¬
taine in dieser Rolle lieber gesehen. —


Vorlesungen.

— Wir haben in einem der letzten Hefte eine Reihe von
Vorträgen angeführt, die in dem wissenschaftlichen Verein zu Berlin gehalten sind,
und die im Verlage von Wilhelm Hertz in Berlin erscheinen. Seit der Zeit sind
wieder einige Lieferungen herausgegeben, nämlich: „Die Alhambra und der
Untergang der Arad er in Spanien" von Richard Goschel, ein vielleicht etwas
zu blumenreicher Vortrag, in dem aber der landschaftliche und monumentale Moment der
spanisch-arabischen Geschichte mit anziehenden Farben hervorgehoben und die poetische
Seite des Gegenstandes' warm empfunden ist. Ferner" „Robinson und die
Robinsonaden" von Hermann Hettner, eine kurzgefaßte Biographie von
Defoe, dem Verfasser des Robinson, der zugleich der erste Begründer der öffentlichen
englischen Banken, der Hagel- und Feucrassccnranzen und der Sparkassen war.
Der Verfasser läßt'sich wol etwas zu weit von dem Interesse, das man gewöhnlich
an seinem Gegenstand nimmt, verführen, wenn er den Geistlichen im Robinson das
Vorbild Nathan des Weisen nennt. — Endlich: „Die Alpenpässe" von Karl
Witte, in derselben Weise durchgeführt wie der frühere Vortrag des Verfassers
über die Gletscherwelt.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F.'W. G'r nil o w, —- Verlag von F. L. Herbig
, ' in Leipzig.
Druck vou C. E. Elbert in Leipzig.
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[0248] Liebesintrigue des Marquis in der That mehr als hinreichenden Vorwand gibt. Ein Brief, den Poirier erbricht, führt zur dramatischen Entwicklung des Stücks. -— Die betrogene Bürgerstochter findet Gelegenheit, ihre schöne Seele zu zeigen und der Edelmann erscheint in so erbärmlichen Lichte, daß man die Verzeihung der edlen cidevant Mlle. Poirier gar nicht begreift. Sie verzeiht aber. Doch der Marquis geht in sich — er sieht, wohin ein unthätiges Leben führt, er will — Herrn Poirier klopft das Herz — als Commis bei Mlle. Poiriers Pathen ein¬ treten. Dieser ist aber auch ein edler Bourgeois und hat unter der Hand des Mar¬ quis verschuldetes Gut auf dessen Namen gekauft. Das junge Ehepaar wird sich dahin zurückziehen und der Marquis sich mit Oekonomie beschäftigen. Herr Poirier gibt anscheinend seine ehrgeizigen Plane auf, aber im Grunde ist seine Resignation blos erheuchelt. Er hat schnell berechnet, daß mit Hilfe des nothwendigen Ein¬ flusses seines Schwiegersohnes er bald Deputirter werden muß. „Man zählt 18i6, im Jahre 18i7," sagte er, „sitze ich in der Kammer und im Jahre 18i8 bin ich Pair von Frankreich." 'Das Stück enthält in einzelnen Episoden, die ich Über¬ gängen, manche Ähnlichkeit mit Moliörschen Stücken. Die Scene mit dem Koche, den, Poirier abschafft, erinnert an den Avare — andere an George Daudin. Das sind keine unbewußten Reminiscenzen, denn das Stück hieß ursprünglich I» ikviinelrc- äs Lsorgiz DamUn. Die Motivirung ist verfehlt, denn die Grundlage des Stückes ist falsch. Ein so ehrgeiziger und so wohlspeculirender Bourgeois wie Mr. Poirier weiß sich heutzutage sicherere und kürzere Wege in die Pairkammer, als das gewagte Spiel mit einem ruinirten Legitimisten. Allein trotz alledem ist es so vortrefflich ausgeführt, so geistvoll im Dialog, so spannend in der Anlage, daß man sich amü- sirt und lacht und trotz allzu starker Anforderung an unsere Gläubigkeit gern den Wechsel acceptirt, den diese beiden Dichter aus die Gutmüthigkeit unseres Scharf¬ sinns ziehen. An geistvollen Zwischenfällen und Anspielungen fehlt es in diesem Stücke auch nicht und gespielt wird wie im Gymuasc immer meisterhaft. Herr Bertin, der Nachfolger Bressauts, war am wenigsten gut und wir hätten Lafon¬ taine in dieser Rolle lieber gesehen. — Vorlesungen. — Wir haben in einem der letzten Hefte eine Reihe von Vorträgen angeführt, die in dem wissenschaftlichen Verein zu Berlin gehalten sind, und die im Verlage von Wilhelm Hertz in Berlin erscheinen. Seit der Zeit sind wieder einige Lieferungen herausgegeben, nämlich: „Die Alhambra und der Untergang der Arad er in Spanien" von Richard Goschel, ein vielleicht etwas zu blumenreicher Vortrag, in dem aber der landschaftliche und monumentale Moment der spanisch-arabischen Geschichte mit anziehenden Farben hervorgehoben und die poetische Seite des Gegenstandes' warm empfunden ist. Ferner" „Robinson und die Robinsonaden" von Hermann Hettner, eine kurzgefaßte Biographie von Defoe, dem Verfasser des Robinson, der zugleich der erste Begründer der öffentlichen englischen Banken, der Hagel- und Feucrassccnranzen und der Sparkassen war. Der Verfasser läßt'sich wol etwas zu weit von dem Interesse, das man gewöhnlich an seinem Gegenstand nimmt, verführen, wenn er den Geistlichen im Robinson das Vorbild Nathan des Weisen nennt. — Endlich: „Die Alpenpässe" von Karl Witte, in derselben Weise durchgeführt wie der frühere Vortrag des Verfassers über die Gletscherwelt. Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt. Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F.'W. G'r nil o w, —- Verlag von F. L. Herbig , ' in Leipzig. Druck vou C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/247>, abgerufen am 22.12.2024.