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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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selben ist sehr verständig und zweckmäßig. Er hat ein gutes Auge dafür gehabt,
die charakteristischen und bedeutenden Momente herauszufinden und. leitet uus
beständig an der festen Hand historischer Urkunden, ohne uns durch das Ueber¬
maß derselben zu erdrücken.. Er hat vor andern Geschichtschreibern den großen
Vorzug, daß seine Phantasie, ohne nüchtern nud unproductiv zu sein, sich doch
von jenen vorschnellen Einfällen freihält, die aus einigen kleinen Fingerzeigen
augenblicklich ein ganzes Luftschloß zusammensetzen. So ist namentlich bei seinem
Referat über die Kriegsgeschichte die liebenswürdige Schüchternheit nicht genng
anzuerkennen, mit der er trotz der vortrefflichen Quelle", die ihm vorlagen, das
Gefühl unvollkommener Vorkenntnisse zugesteht, und die ängstliche Sorgfalt, mit
der er in der Auswahl des Gegebenen zu Werke geht, um uur uicht zu erzählen,
was ihm ' selbst nicht klar und deutlich geworden ist und was er uicht mit den
strengsten Gründen belegen kann. So haben wir, was bei einem historischen
Werke immer die Hauptsache ist, das bestimmte Gefühl vollkommener Sicherheit,
und je klarer der Blick ist, den der Verfasser uus in den Umfang seiner eignen
Kenntniß eröffnet, je zuverlässiger erscheint er in dem, was er wirklich gibt.

Was die Kunstform betrifft, so würden wir sie nicht so vollkommen aner-
kennen. Zwar ist die Haltung überall edel und vornehm, wie es dem wahren Ge¬
schichtschreiber geziemt und dabei doch einfach und natürlich, ohne allen Prunk
und alle Rhetorik, aber es fehlt ihr jene sinnliche Spürkraft, jene feste plastische
Hand, die uns die Vergangenheit als lebendige Gegenwart vorzaubert. Zum
Theil liegt das an der Beschaffenheit der Phantasie des Verfassers, die mehr die
Kritik' und die Reflexion als die epische Darstellung begünstigt, zum Theil aber
anch an seiner Schule. Die unendlichen Verdienste, welche sich Schlosser und Ger-
vinus um die deutsche Geschichtschreibung erworben haben, werden gewiß niemals
vergessen werden; sie haben durch die Stärke ihrer Gesinnung, durch die feste
subjective Sittlichkeit, die sie deu Ereignissen entgegenbrachten, die Routine der
Erzählung aufgehoben und die Welt der Thatsachen so durcheinandergeschüttelt,
daß man sich denselben gegenüber wieder frei fühlte; aber es wäre doch zu wün¬
schen, daß die deutsche Geschichtschreibung jetzt über diesen reflectirenden Stand-
Punkt wieder hinaufginge. Die Spuren dieser Schule finden sich im gegenwär¬
tigen Buche freilich mehr in der Einleitung, die sich über ein Drittel des Buchs
ausdehnt, als in dem ausführlich referircnden Theil, aber in dem ersteren sind sie
auch sehr stark. Mau konnte diese Methode so ausdrücken, daß der Geschicht¬
schreiber seine Kunst der Darstellung nicht in die Gegenstände vertieft, so daß sie
sich von selbst auf die angemessene Weise gruppiren und die richtigen Perspectiven
eröffnen, sondern daß er als erklärender Führer den Leser orientirt, ihn ans die
merkwürdigen Dinge aufmerksam macht, und ihn aus diese Weise, indem er ihn
aufklärt, zugleich einigermaßen verwirrt. Der Einfluß bedeutender Männer ist in
dieser Beziehung natürlich sehr groß. In dem Parallelismus zwischen Oestreich


selben ist sehr verständig und zweckmäßig. Er hat ein gutes Auge dafür gehabt,
die charakteristischen und bedeutenden Momente herauszufinden und. leitet uus
beständig an der festen Hand historischer Urkunden, ohne uns durch das Ueber¬
maß derselben zu erdrücken.. Er hat vor andern Geschichtschreibern den großen
Vorzug, daß seine Phantasie, ohne nüchtern nud unproductiv zu sein, sich doch
von jenen vorschnellen Einfällen freihält, die aus einigen kleinen Fingerzeigen
augenblicklich ein ganzes Luftschloß zusammensetzen. So ist namentlich bei seinem
Referat über die Kriegsgeschichte die liebenswürdige Schüchternheit nicht genng
anzuerkennen, mit der er trotz der vortrefflichen Quelle», die ihm vorlagen, das
Gefühl unvollkommener Vorkenntnisse zugesteht, und die ängstliche Sorgfalt, mit
der er in der Auswahl des Gegebenen zu Werke geht, um uur uicht zu erzählen,
was ihm ' selbst nicht klar und deutlich geworden ist und was er uicht mit den
strengsten Gründen belegen kann. So haben wir, was bei einem historischen
Werke immer die Hauptsache ist, das bestimmte Gefühl vollkommener Sicherheit,
und je klarer der Blick ist, den der Verfasser uus in den Umfang seiner eignen
Kenntniß eröffnet, je zuverlässiger erscheint er in dem, was er wirklich gibt.

Was die Kunstform betrifft, so würden wir sie nicht so vollkommen aner-
kennen. Zwar ist die Haltung überall edel und vornehm, wie es dem wahren Ge¬
schichtschreiber geziemt und dabei doch einfach und natürlich, ohne allen Prunk
und alle Rhetorik, aber es fehlt ihr jene sinnliche Spürkraft, jene feste plastische
Hand, die uns die Vergangenheit als lebendige Gegenwart vorzaubert. Zum
Theil liegt das an der Beschaffenheit der Phantasie des Verfassers, die mehr die
Kritik' und die Reflexion als die epische Darstellung begünstigt, zum Theil aber
anch an seiner Schule. Die unendlichen Verdienste, welche sich Schlosser und Ger-
vinus um die deutsche Geschichtschreibung erworben haben, werden gewiß niemals
vergessen werden; sie haben durch die Stärke ihrer Gesinnung, durch die feste
subjective Sittlichkeit, die sie deu Ereignissen entgegenbrachten, die Routine der
Erzählung aufgehoben und die Welt der Thatsachen so durcheinandergeschüttelt,
daß man sich denselben gegenüber wieder frei fühlte; aber es wäre doch zu wün¬
schen, daß die deutsche Geschichtschreibung jetzt über diesen reflectirenden Stand-
Punkt wieder hinaufginge. Die Spuren dieser Schule finden sich im gegenwär¬
tigen Buche freilich mehr in der Einleitung, die sich über ein Drittel des Buchs
ausdehnt, als in dem ausführlich referircnden Theil, aber in dem ersteren sind sie
auch sehr stark. Mau konnte diese Methode so ausdrücken, daß der Geschicht¬
schreiber seine Kunst der Darstellung nicht in die Gegenstände vertieft, so daß sie
sich von selbst auf die angemessene Weise gruppiren und die richtigen Perspectiven
eröffnen, sondern daß er als erklärender Führer den Leser orientirt, ihn ans die
merkwürdigen Dinge aufmerksam macht, und ihn aus diese Weise, indem er ihn
aufklärt, zugleich einigermaßen verwirrt. Der Einfluß bedeutender Männer ist in
dieser Beziehung natürlich sehr groß. In dem Parallelismus zwischen Oestreich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/169>, abgerufen am 22.12.2024.