Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.weise sagenreich, wie schon die zahllosen Sagen von Jungfern mit Schlüsseln Die Sammlung über den deutschen Volksglauben stellt sich den Zweck, weise sagenreich, wie schon die zahllosen Sagen von Jungfern mit Schlüsseln Die Sammlung über den deutschen Volksglauben stellt sich den Zweck, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97930"/> <p xml:id="ID_464" prev="#ID_463"> weise sagenreich, wie schon die zahllosen Sagen von Jungfern mit Schlüsseln<lb/> und zahllose Schatzsagen beweisen. Allein abgesehen davon, daß das doch sonst<lb/> überall mit der Sage Hand in Hand gehende Märchen, weil es örtlicher An¬<lb/> knüpfung nicht bedarf, so altfränkisch es ist, eigentlich nicht vom Mittelalter nichts<lb/> weiß, bildet alles dies ja doch nur die Schale, es ist nur die Form, während der<lb/> Geist der Sage träumend die ganze Vergangenheit umfaßt und mit seinem<lb/> Kern grade durch all die Verpuppungen hindurch aus das höchste Alterthum<lb/> hinweist." —</p><lb/> <p xml:id="ID_465"> Die Sammlung über den deutschen Volksglauben stellt sich den Zweck,<lb/> die verschiedenen Bearbeitungen der alten Sagenkreise in episch-lyrischer Form<lb/> bis auf die neueste Zeit nach den von Grimm in seiner Mythologie festgestellten<lb/> Kategorien zu ordnen. Von der einheitlichen Stimmung, die jene Sagensamm-<lb/> lungeu auszeichnet, ist in diesen Bearbeitungen natürlich keine Rede. Fragmente aus<lb/> der Edda stehen dicht neben den sentimentalste» Formen der modernen Poesie. Außer¬<lb/> dem sind es nicht grade die talentvollsten Dichter, die sich mit dieser Verarbeitung ge¬<lb/> gebener Stoffe beschäftigt haben, denn wem der Strom der Poesie voll und mächtig<lb/> fließt, hat in der Negel keine Ehrfurcht vor dem Gegebenen. Eigentlich ist von unsern<lb/> sämmtlichen Dichtern Uhland der einzige, der die echteste Poesie mit der größten Treue<lb/> gegen die alten Sagen verbindet. Seinen Nachfolgern ist es nur ausnahmsweise<lb/> gelungen, seinen Ton wiederzufinden. — Trotzdem ist diese Sammlung doch<lb/> nützlich und interessant. Einmal macht sie uns doch den rohen Stoff zugäng¬<lb/> licher, sodann gibt sie uns gute Aufklärungen über die Methode unserer poetischen<lb/> Conception. Eine kleine Ausstellung möchten wir an der Sammlung' machen.<lb/> Der Verfasser hat offenbar eine entschiedene Vorliebe für erhabene und ernste<lb/> Behandlungen, und die frivole und humoristische Auffassung hat er fast ganz<lb/> ausgeschlossen. So ist, so viel wir sehen, von Heine in dieser Sammlung nichts<lb/> enthalten als die „Lorelei". (Hier hätte beiläufig die Lorelei von Brentano nicht<lb/> fehlen dürfen.) Aber trotz seiner Frivolität hat mitunter Heine die Farbe der<lb/> alten Localsagen viel glücklicher wiedergegeben, als die sentimentalen und ernsthaf¬<lb/> ten Lyriker. So dürfte z. B. sein „Tannhäuser" in der Sammlung nicht fehlen:<lb/> abgesehen von seinem närrischen Schluß ist er viel echter, ursprünglicher und le¬<lb/> bendiger, als der von Geibel, den der Herausgeber aufgenommen hat. Auch in<lb/> Brentano hätte sich eine größere Ausbeute gefunden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
weise sagenreich, wie schon die zahllosen Sagen von Jungfern mit Schlüsseln
und zahllose Schatzsagen beweisen. Allein abgesehen davon, daß das doch sonst
überall mit der Sage Hand in Hand gehende Märchen, weil es örtlicher An¬
knüpfung nicht bedarf, so altfränkisch es ist, eigentlich nicht vom Mittelalter nichts
weiß, bildet alles dies ja doch nur die Schale, es ist nur die Form, während der
Geist der Sage träumend die ganze Vergangenheit umfaßt und mit seinem
Kern grade durch all die Verpuppungen hindurch aus das höchste Alterthum
hinweist." —
Die Sammlung über den deutschen Volksglauben stellt sich den Zweck,
die verschiedenen Bearbeitungen der alten Sagenkreise in episch-lyrischer Form
bis auf die neueste Zeit nach den von Grimm in seiner Mythologie festgestellten
Kategorien zu ordnen. Von der einheitlichen Stimmung, die jene Sagensamm-
lungeu auszeichnet, ist in diesen Bearbeitungen natürlich keine Rede. Fragmente aus
der Edda stehen dicht neben den sentimentalste» Formen der modernen Poesie. Außer¬
dem sind es nicht grade die talentvollsten Dichter, die sich mit dieser Verarbeitung ge¬
gebener Stoffe beschäftigt haben, denn wem der Strom der Poesie voll und mächtig
fließt, hat in der Negel keine Ehrfurcht vor dem Gegebenen. Eigentlich ist von unsern
sämmtlichen Dichtern Uhland der einzige, der die echteste Poesie mit der größten Treue
gegen die alten Sagen verbindet. Seinen Nachfolgern ist es nur ausnahmsweise
gelungen, seinen Ton wiederzufinden. — Trotzdem ist diese Sammlung doch
nützlich und interessant. Einmal macht sie uns doch den rohen Stoff zugäng¬
licher, sodann gibt sie uns gute Aufklärungen über die Methode unserer poetischen
Conception. Eine kleine Ausstellung möchten wir an der Sammlung' machen.
Der Verfasser hat offenbar eine entschiedene Vorliebe für erhabene und ernste
Behandlungen, und die frivole und humoristische Auffassung hat er fast ganz
ausgeschlossen. So ist, so viel wir sehen, von Heine in dieser Sammlung nichts
enthalten als die „Lorelei". (Hier hätte beiläufig die Lorelei von Brentano nicht
fehlen dürfen.) Aber trotz seiner Frivolität hat mitunter Heine die Farbe der
alten Localsagen viel glücklicher wiedergegeben, als die sentimentalen und ernsthaf¬
ten Lyriker. So dürfte z. B. sein „Tannhäuser" in der Sammlung nicht fehlen:
abgesehen von seinem närrischen Schluß ist er viel echter, ursprünglicher und le¬
bendiger, als der von Geibel, den der Herausgeber aufgenommen hat. Auch in
Brentano hätte sich eine größere Ausbeute gefunden.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |