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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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führung des Truppenconvvys zu beschleunigen. Ob auch ein den Commandiren-
den der französischen Armee des Orients eine ähnliche Aufforderung seitens der
Legation Frankreichs ergangen ist, konnte ich nicht in bestimmte Erfahrung
bringen.

Man will hier wissen, daß Omer Pascha einige Tage vor dem russischen
Uebergange auf den besagten beiden Punkten aus der Umgegend von Schnmla
mit 30,000 Mann nach Kalafat aufgebrochen sei; indeß mag ich dem Gerücht
keinen unbedingten Glauben schenken. Wenn es sich bestätigen sollte, würden die
russischen Legionen einige Tage zur Einrichtung ihrer Donaubasis gewinnen,
auch möglicherweise die Kara-Su-Linie (Trajauswall) erreichen, bevor die De¬
fensive im Stande wäre, ihrem Vormarsch ein ernstes Hinderniß in den Weg
zu legen. Dieses wird indeß dann ohne Frage geschehen, und es ist meine be¬
stimmte Ueberzeugung, daß die combinirten Armeen uoch zeitig genug anlangen
werden, ehe Paskewitsch weder Varna nehmen, noch SilistriaS sich bemächtigen
können wird. Die Landung wird, allem Vermuthen nach, im ersteren Hafen¬
platze geschehen.

Für mich hat der Umstand eines russischen Ueberganges, über die untere
Donau das besondere Interesse, daß dadurch eine von mir zu wiederholten Ma¬
len in Ihren Blättern ausgesprochene Meinung bestätigt wird, wonach Rußland
kaum eine andere Wahl gestellt war. Die Gründe, welche von anderer Seite
für eine Passage bei Kalafat oder überhaupt vberstromwärts geltend gemacht
wurden, schienen mir von jeher alles Haltes zu entbehren.

Die Witterung ist unvergleichlich schon; wir sind ziemlich in Accord mit dem
Kalender zu Winters Ende gelangt, und der Frühling steht frischer und knvspen-
reicher wie jemals vor der Thür. Ich wünschte Ihnen vor alleu Dingen, so
unmittelbar wie von meiner Wohnung aus einen Blick auf das tiefblaue Wasser¬
feld des Marmorameeres; die User sind erst angehaucht vom Grün des keimen¬
den Lenzes; noch liegen die höheren Berge mit Reif bedeckt am Morgen wie
Schneehöhe" einer rauheren Zone da, und über alle hinaus erhebt sich im weit-
gedehnten, decorativnsartigen Hintergrunde der weiße Eisgletscher des Olympns-
gebirges. Auf dem Flachlande, auf den grünen Wiesendccken und längs der
rasenbedeckten Vorberghäuge der steileren, höheren Gipfel ist aber schon alles mit
blauen Veilchen gestickt, die man in den Straßen von Pera in jenen flachen,
langrunden, offenen Körben, hochgethnrmt in Massen zum Verkauf auöbietet.")





.Anm, der Red, *)-- Die Nieflexiouen unseres Correspondenten über die voraussichtliche
neue Wendung des Kriegs siud zu spät augekounueu und zu umfangreich, als daß wir sie in
diesem Heft gebe" konnten; wir liefern sie im folgenden nach.

führung des Truppenconvvys zu beschleunigen. Ob auch ein den Commandiren-
den der französischen Armee des Orients eine ähnliche Aufforderung seitens der
Legation Frankreichs ergangen ist, konnte ich nicht in bestimmte Erfahrung
bringen.

Man will hier wissen, daß Omer Pascha einige Tage vor dem russischen
Uebergange auf den besagten beiden Punkten aus der Umgegend von Schnmla
mit 30,000 Mann nach Kalafat aufgebrochen sei; indeß mag ich dem Gerücht
keinen unbedingten Glauben schenken. Wenn es sich bestätigen sollte, würden die
russischen Legionen einige Tage zur Einrichtung ihrer Donaubasis gewinnen,
auch möglicherweise die Kara-Su-Linie (Trajauswall) erreichen, bevor die De¬
fensive im Stande wäre, ihrem Vormarsch ein ernstes Hinderniß in den Weg
zu legen. Dieses wird indeß dann ohne Frage geschehen, und es ist meine be¬
stimmte Ueberzeugung, daß die combinirten Armeen uoch zeitig genug anlangen
werden, ehe Paskewitsch weder Varna nehmen, noch SilistriaS sich bemächtigen
können wird. Die Landung wird, allem Vermuthen nach, im ersteren Hafen¬
platze geschehen.

Für mich hat der Umstand eines russischen Ueberganges, über die untere
Donau das besondere Interesse, daß dadurch eine von mir zu wiederholten Ma¬
len in Ihren Blättern ausgesprochene Meinung bestätigt wird, wonach Rußland
kaum eine andere Wahl gestellt war. Die Gründe, welche von anderer Seite
für eine Passage bei Kalafat oder überhaupt vberstromwärts geltend gemacht
wurden, schienen mir von jeher alles Haltes zu entbehren.

Die Witterung ist unvergleichlich schon; wir sind ziemlich in Accord mit dem
Kalender zu Winters Ende gelangt, und der Frühling steht frischer und knvspen-
reicher wie jemals vor der Thür. Ich wünschte Ihnen vor alleu Dingen, so
unmittelbar wie von meiner Wohnung aus einen Blick auf das tiefblaue Wasser¬
feld des Marmorameeres; die User sind erst angehaucht vom Grün des keimen¬
den Lenzes; noch liegen die höheren Berge mit Reif bedeckt am Morgen wie
Schneehöhe» einer rauheren Zone da, und über alle hinaus erhebt sich im weit-
gedehnten, decorativnsartigen Hintergrunde der weiße Eisgletscher des Olympns-
gebirges. Auf dem Flachlande, auf den grünen Wiesendccken und längs der
rasenbedeckten Vorberghäuge der steileren, höheren Gipfel ist aber schon alles mit
blauen Veilchen gestickt, die man in den Straßen von Pera in jenen flachen,
langrunden, offenen Körben, hochgethnrmt in Massen zum Verkauf auöbietet.")





.Anm, der Red, *)— Die Nieflexiouen unseres Correspondenten über die voraussichtliche
neue Wendung des Kriegs siud zu spät augekounueu und zu umfangreich, als daß wir sie in
diesem Heft gebe» konnten; wir liefern sie im folgenden nach.
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[0118] führung des Truppenconvvys zu beschleunigen. Ob auch ein den Commandiren- den der französischen Armee des Orients eine ähnliche Aufforderung seitens der Legation Frankreichs ergangen ist, konnte ich nicht in bestimmte Erfahrung bringen. Man will hier wissen, daß Omer Pascha einige Tage vor dem russischen Uebergange auf den besagten beiden Punkten aus der Umgegend von Schnmla mit 30,000 Mann nach Kalafat aufgebrochen sei; indeß mag ich dem Gerücht keinen unbedingten Glauben schenken. Wenn es sich bestätigen sollte, würden die russischen Legionen einige Tage zur Einrichtung ihrer Donaubasis gewinnen, auch möglicherweise die Kara-Su-Linie (Trajauswall) erreichen, bevor die De¬ fensive im Stande wäre, ihrem Vormarsch ein ernstes Hinderniß in den Weg zu legen. Dieses wird indeß dann ohne Frage geschehen, und es ist meine be¬ stimmte Ueberzeugung, daß die combinirten Armeen uoch zeitig genug anlangen werden, ehe Paskewitsch weder Varna nehmen, noch SilistriaS sich bemächtigen können wird. Die Landung wird, allem Vermuthen nach, im ersteren Hafen¬ platze geschehen. Für mich hat der Umstand eines russischen Ueberganges, über die untere Donau das besondere Interesse, daß dadurch eine von mir zu wiederholten Ma¬ len in Ihren Blättern ausgesprochene Meinung bestätigt wird, wonach Rußland kaum eine andere Wahl gestellt war. Die Gründe, welche von anderer Seite für eine Passage bei Kalafat oder überhaupt vberstromwärts geltend gemacht wurden, schienen mir von jeher alles Haltes zu entbehren. Die Witterung ist unvergleichlich schon; wir sind ziemlich in Accord mit dem Kalender zu Winters Ende gelangt, und der Frühling steht frischer und knvspen- reicher wie jemals vor der Thür. Ich wünschte Ihnen vor alleu Dingen, so unmittelbar wie von meiner Wohnung aus einen Blick auf das tiefblaue Wasser¬ feld des Marmorameeres; die User sind erst angehaucht vom Grün des keimen¬ den Lenzes; noch liegen die höheren Berge mit Reif bedeckt am Morgen wie Schneehöhe» einer rauheren Zone da, und über alle hinaus erhebt sich im weit- gedehnten, decorativnsartigen Hintergrunde der weiße Eisgletscher des Olympns- gebirges. Auf dem Flachlande, auf den grünen Wiesendccken und längs der rasenbedeckten Vorberghäuge der steileren, höheren Gipfel ist aber schon alles mit blauen Veilchen gestickt, die man in den Straßen von Pera in jenen flachen, langrunden, offenen Körben, hochgethnrmt in Massen zum Verkauf auöbietet.") .Anm, der Red, *)— Die Nieflexiouen unseres Correspondenten über die voraussichtliche neue Wendung des Kriegs siud zu spät augekounueu und zu umfangreich, als daß wir sie in diesem Heft gebe» konnten; wir liefern sie im folgenden nach.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/117>, abgerufen am 22.12.2024.