Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Von Krcitowa nach Palanga.

Wir waren bereits früh am andern Morgen von unserem Matten- und
Banmwolldcckeulager auf dem unebenen Fußboden im oberen Stockwerk des Kra^
towaer Hans aufgestanden, und standen gestiefelt, um zu Pferde zu steigen, als
uns die Nachricht zukam, daß noch zwei Packthiere fehlten. Ich benutzte die sich
mir bietende Gelegenheit, um einen Spaziergang durch einige Straßen des Orts
zu machen und von den herrlichen Aepfeln, die vor manchen Thüren zum Verkauf
ausgestellt waren, einige Proben einzukaufen. Alle türkischen Städte und Dörfer
sind ziemlich gleichartig gebant, und erstere pflegen sich von den letzteren nur da¬
durch zu unterscheiden, daß sie Häuser vou größerem Umfang haben und die
Dächer derselben nicht mit Stroh oder Reisig, sondern mit Ziegeln gedeckt sind.
Die Bevölkerung in den Gassen von Kratowa sieht ausnehmend bunt ans. Am
auffallendsten, und zugleich geschmackvollste" erscheint allenthalben das albanesische
Costüm.

Endlich waren die fehlenden Packpferde angelangt und unser Zug konnte
sich in Bewegung setzen. Die Gegend, welche sich uns, gleich nachdem wir daS
Thor passirt hatten, darstellte, war schon zu nennen. Wir ritten an den Rändern
eines Thales entlang, in dessen Tiefe ein Bach rauschte. Unser Weg war nach der
Seite, des Berghanges von dicken Hecken eingefaßt, und ging ohne Unterlaß berg¬
auf oder bergab. Ich kann nicht genug wiederhole", welche Schwierigkeiten eine
europäische Armee beim Marsch durch derartige Gegenden finden würde. Der
Plan, die englische" und französischen Truppen an der albanischen Küste landen
z" lasse" und quer durch Makedonien nach der Donau zu führen, scheint mir
eben darum kam", mindestens äußerst schwer, ausführbar. Zuvörderst müßte man
auf einen masseuweisen Vormarsch, meinem Erachten nach, ganz verzichten, könnte
nur kleine Colonnen in großen Distancen abgehen lassen, und würde sich in der
Nothwendigkeit befinden, dieselben stets von Fonragetrains und Prvviautcvlvnnen
begleiten zu lasse". Weniger Sorgen würde die Wegsamkeit machen. Ich stellte
mir die Beschaffenheit der Straßen im allgemeinen schlechter vor, und überschätzte
namentlich die Passageschwierigkeiten bei Uebergängen über Flüsse nud Bäche.
Hätte man wirklich die Absicht, obengedachte Operation auszuführen, so müßte
im gegenwärtigen Augenblicke ans je drei Marschstatioucn mindestens ein Verpfle¬
gungsmagazin errichtet sein, es müßte mit der Organisation der Zufuhr begonnen
werde" u. s. w. Weil dies nicht statthat, kann ich vorerst den, Gerücht von
dem Bestehen des Projects keinen Glanben beimessen. Einige Wochen werden
"des darüber aufklären. >

Nachdem wir eine Bergkette von geringer Höhe hinter nus gelassen, gelang¬
te" wir an den Fuß deö Egri-Su-dagh (Egri-Fuß-Berg oder Gebirge) und damit
auf die große Straße von Talar-Basardschit nach Uskup, worunter man sich aber
nur einen Landweg zu denke" hat, der hier dicht am Egridere (Egrithal) si"ße"t-


Von Krcitowa nach Palanga.

Wir waren bereits früh am andern Morgen von unserem Matten- und
Banmwolldcckeulager auf dem unebenen Fußboden im oberen Stockwerk des Kra^
towaer Hans aufgestanden, und standen gestiefelt, um zu Pferde zu steigen, als
uns die Nachricht zukam, daß noch zwei Packthiere fehlten. Ich benutzte die sich
mir bietende Gelegenheit, um einen Spaziergang durch einige Straßen des Orts
zu machen und von den herrlichen Aepfeln, die vor manchen Thüren zum Verkauf
ausgestellt waren, einige Proben einzukaufen. Alle türkischen Städte und Dörfer
sind ziemlich gleichartig gebant, und erstere pflegen sich von den letzteren nur da¬
durch zu unterscheiden, daß sie Häuser vou größerem Umfang haben und die
Dächer derselben nicht mit Stroh oder Reisig, sondern mit Ziegeln gedeckt sind.
Die Bevölkerung in den Gassen von Kratowa sieht ausnehmend bunt ans. Am
auffallendsten, und zugleich geschmackvollste» erscheint allenthalben das albanesische
Costüm.

Endlich waren die fehlenden Packpferde angelangt und unser Zug konnte
sich in Bewegung setzen. Die Gegend, welche sich uns, gleich nachdem wir daS
Thor passirt hatten, darstellte, war schon zu nennen. Wir ritten an den Rändern
eines Thales entlang, in dessen Tiefe ein Bach rauschte. Unser Weg war nach der
Seite, des Berghanges von dicken Hecken eingefaßt, und ging ohne Unterlaß berg¬
auf oder bergab. Ich kann nicht genug wiederhole», welche Schwierigkeiten eine
europäische Armee beim Marsch durch derartige Gegenden finden würde. Der
Plan, die englische» und französischen Truppen an der albanischen Küste landen
z» lasse» und quer durch Makedonien nach der Donau zu führen, scheint mir
eben darum kam», mindestens äußerst schwer, ausführbar. Zuvörderst müßte man
auf einen masseuweisen Vormarsch, meinem Erachten nach, ganz verzichten, könnte
nur kleine Colonnen in großen Distancen abgehen lassen, und würde sich in der
Nothwendigkeit befinden, dieselben stets von Fonragetrains und Prvviautcvlvnnen
begleiten zu lasse». Weniger Sorgen würde die Wegsamkeit machen. Ich stellte
mir die Beschaffenheit der Straßen im allgemeinen schlechter vor, und überschätzte
namentlich die Passageschwierigkeiten bei Uebergängen über Flüsse nud Bäche.
Hätte man wirklich die Absicht, obengedachte Operation auszuführen, so müßte
im gegenwärtigen Augenblicke ans je drei Marschstatioucn mindestens ein Verpfle¬
gungsmagazin errichtet sein, es müßte mit der Organisation der Zufuhr begonnen
werde» u. s. w. Weil dies nicht statthat, kann ich vorerst den, Gerücht von
dem Bestehen des Projects keinen Glanben beimessen. Einige Wochen werden
»des darüber aufklären. >

Nachdem wir eine Bergkette von geringer Höhe hinter nus gelassen, gelang¬
te» wir an den Fuß deö Egri-Su-dagh (Egri-Fuß-Berg oder Gebirge) und damit
auf die große Straße von Talar-Basardschit nach Uskup, worunter man sich aber
nur einen Landweg zu denke» hat, der hier dicht am Egridere (Egrithal) si»ße»t-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97889"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Von Krcitowa nach Palanga.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_297"> Wir waren bereits früh am andern Morgen von unserem Matten- und<lb/>
Banmwolldcckeulager auf dem unebenen Fußboden im oberen Stockwerk des Kra^<lb/>
towaer Hans aufgestanden, und standen gestiefelt, um zu Pferde zu steigen, als<lb/>
uns die Nachricht zukam, daß noch zwei Packthiere fehlten. Ich benutzte die sich<lb/>
mir bietende Gelegenheit, um einen Spaziergang durch einige Straßen des Orts<lb/>
zu machen und von den herrlichen Aepfeln, die vor manchen Thüren zum Verkauf<lb/>
ausgestellt waren, einige Proben einzukaufen. Alle türkischen Städte und Dörfer<lb/>
sind ziemlich gleichartig gebant, und erstere pflegen sich von den letzteren nur da¬<lb/>
durch zu unterscheiden, daß sie Häuser vou größerem Umfang haben und die<lb/>
Dächer derselben nicht mit Stroh oder Reisig, sondern mit Ziegeln gedeckt sind.<lb/>
Die Bevölkerung in den Gassen von Kratowa sieht ausnehmend bunt ans. Am<lb/>
auffallendsten, und zugleich geschmackvollste» erscheint allenthalben das albanesische<lb/>
Costüm.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_298"> Endlich waren die fehlenden Packpferde angelangt und unser Zug konnte<lb/>
sich in Bewegung setzen. Die Gegend, welche sich uns, gleich nachdem wir daS<lb/>
Thor passirt hatten, darstellte, war schon zu nennen. Wir ritten an den Rändern<lb/>
eines Thales entlang, in dessen Tiefe ein Bach rauschte. Unser Weg war nach der<lb/>
Seite, des Berghanges von dicken Hecken eingefaßt, und ging ohne Unterlaß berg¬<lb/>
auf oder bergab. Ich kann nicht genug wiederhole», welche Schwierigkeiten eine<lb/>
europäische Armee beim Marsch durch derartige Gegenden finden würde. Der<lb/>
Plan, die englische» und französischen Truppen an der albanischen Küste landen<lb/>
z» lasse» und quer durch Makedonien nach der Donau zu führen, scheint mir<lb/>
eben darum kam», mindestens äußerst schwer, ausführbar. Zuvörderst müßte man<lb/>
auf einen masseuweisen Vormarsch, meinem Erachten nach, ganz verzichten, könnte<lb/>
nur kleine Colonnen in großen Distancen abgehen lassen, und würde sich in der<lb/>
Nothwendigkeit befinden, dieselben stets von Fonragetrains und Prvviautcvlvnnen<lb/>
begleiten zu lasse». Weniger Sorgen würde die Wegsamkeit machen. Ich stellte<lb/>
mir die Beschaffenheit der Straßen im allgemeinen schlechter vor, und überschätzte<lb/>
namentlich die Passageschwierigkeiten bei Uebergängen über Flüsse nud Bäche.<lb/>
Hätte man wirklich die Absicht, obengedachte Operation auszuführen, so müßte<lb/>
im gegenwärtigen Augenblicke ans je drei Marschstatioucn mindestens ein Verpfle¬<lb/>
gungsmagazin errichtet sein, es müßte mit der Organisation der Zufuhr begonnen<lb/>
werde» u. s. w. Weil dies nicht statthat, kann ich vorerst den, Gerücht von<lb/>
dem Bestehen des Projects keinen Glanben beimessen. Einige Wochen werden<lb/>
»des darüber aufklären. &gt;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_299" next="#ID_300"> Nachdem wir eine Bergkette von geringer Höhe hinter nus gelassen, gelang¬<lb/>
te» wir an den Fuß deö Egri-Su-dagh (Egri-Fuß-Berg oder Gebirge) und damit<lb/>
auf die große Straße von Talar-Basardschit nach Uskup, worunter man sich aber<lb/>
nur einen Landweg zu denke» hat, der hier dicht am Egridere (Egrithal) si»ße»t-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0109] Von Krcitowa nach Palanga. Wir waren bereits früh am andern Morgen von unserem Matten- und Banmwolldcckeulager auf dem unebenen Fußboden im oberen Stockwerk des Kra^ towaer Hans aufgestanden, und standen gestiefelt, um zu Pferde zu steigen, als uns die Nachricht zukam, daß noch zwei Packthiere fehlten. Ich benutzte die sich mir bietende Gelegenheit, um einen Spaziergang durch einige Straßen des Orts zu machen und von den herrlichen Aepfeln, die vor manchen Thüren zum Verkauf ausgestellt waren, einige Proben einzukaufen. Alle türkischen Städte und Dörfer sind ziemlich gleichartig gebant, und erstere pflegen sich von den letzteren nur da¬ durch zu unterscheiden, daß sie Häuser vou größerem Umfang haben und die Dächer derselben nicht mit Stroh oder Reisig, sondern mit Ziegeln gedeckt sind. Die Bevölkerung in den Gassen von Kratowa sieht ausnehmend bunt ans. Am auffallendsten, und zugleich geschmackvollste» erscheint allenthalben das albanesische Costüm. Endlich waren die fehlenden Packpferde angelangt und unser Zug konnte sich in Bewegung setzen. Die Gegend, welche sich uns, gleich nachdem wir daS Thor passirt hatten, darstellte, war schon zu nennen. Wir ritten an den Rändern eines Thales entlang, in dessen Tiefe ein Bach rauschte. Unser Weg war nach der Seite, des Berghanges von dicken Hecken eingefaßt, und ging ohne Unterlaß berg¬ auf oder bergab. Ich kann nicht genug wiederhole», welche Schwierigkeiten eine europäische Armee beim Marsch durch derartige Gegenden finden würde. Der Plan, die englische» und französischen Truppen an der albanischen Küste landen z» lasse» und quer durch Makedonien nach der Donau zu führen, scheint mir eben darum kam», mindestens äußerst schwer, ausführbar. Zuvörderst müßte man auf einen masseuweisen Vormarsch, meinem Erachten nach, ganz verzichten, könnte nur kleine Colonnen in großen Distancen abgehen lassen, und würde sich in der Nothwendigkeit befinden, dieselben stets von Fonragetrains und Prvviautcvlvnnen begleiten zu lasse». Weniger Sorgen würde die Wegsamkeit machen. Ich stellte mir die Beschaffenheit der Straßen im allgemeinen schlechter vor, und überschätzte namentlich die Passageschwierigkeiten bei Uebergängen über Flüsse nud Bäche. Hätte man wirklich die Absicht, obengedachte Operation auszuführen, so müßte im gegenwärtigen Augenblicke ans je drei Marschstatioucn mindestens ein Verpfle¬ gungsmagazin errichtet sein, es müßte mit der Organisation der Zufuhr begonnen werde» u. s. w. Weil dies nicht statthat, kann ich vorerst den, Gerücht von dem Bestehen des Projects keinen Glanben beimessen. Einige Wochen werden »des darüber aufklären. > Nachdem wir eine Bergkette von geringer Höhe hinter nus gelassen, gelang¬ te» wir an den Fuß deö Egri-Su-dagh (Egri-Fuß-Berg oder Gebirge) und damit auf die große Straße von Talar-Basardschit nach Uskup, worunter man sich aber nur einen Landweg zu denke» hat, der hier dicht am Egridere (Egrithal) si»ße»t-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/108
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/108>, abgerufen am 23.07.2024.