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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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wie er in Stambul nur den Pilger" (nach Mecka).u"d deu Generallieutenants
und höheren Chefs der Armee (FerikS und Müschirs) gestattet ist, umgab rings
sein Kinn und reichte tief auf die Brust herab. Bekleidet.war er mit weiten
Beinkleidern und einem seidenen, buntfarbenen Hemd; die Kopfbedeckung-war das
gewöhnliche Fez^ So müsse" die alten Emire aussehen, die Stammeshäuptlinge
i" den Oasen der Wüste. Der Krieg wurde bald Hauptgegenstand der Unter¬
haltung. Am eifrigsten erkundigte sich der Alte darnach, was man von Schach
(Scheik) Schamyl wisse und ob er mit den Türken in Asien gemeinsame Sache
machen würde. Wir erwiderten, daß dies allerdings zu erwarten stehe, worüber
unser Graubart sich sichtlich freute.

Nachdem wir ein Frühstück, bestehend ans gesottenen Eiern 5 Hammelfleisch,
Brot und Weintraube", eingenommen, erschiene" die Pferde; sie waren bald ge¬
sattelt und mit dem Gepäck beladen, worauf die Reise weiter fortgesetzt ward.
Wir kamen alsbald an zwei seltsam gestalteten Felsbergen vorüber, die wir bereis
in der Umgegend von Monastir. am fernen Horizont hatten anfragen sehen.
Der Stein steht hier massenhaft ganz nackt zu Tage und verräth dnrch äußere
Merkmale metallischen Gehalt. Diese Felsen sind gleichsam die Marksteine des
mehr ebenen Landes, welches wir rückwärts gelassen hatten. Von um" an ward
der Weg ^wieder steiler und eine Stunde hinter Perlipe befanden wir uns milde"
in einem Engpaß. Das Unglück wollte, daß el" a"f Maulthiere u"d Esel ver¬
ladener Mnnitionstransport, der, wie,wir hörten, nach Sofia bestimmt war, das
Defile gleichzeitig mit uns passirte. Es waren, wenn ich mich recht erinnere,,
über vierhundert Saumthiere, dazu gegen hundert Treiber, meistens Bulgaren in
ihrer eigenthümlichen Tracht, mit den runden Pelzmützen ans dem Kopfe. Eine
solche Colonne macht täglich gegen 10 Stunden oder sieben Meilen, was
mindestens ebenso viel ist, als bei uns ans guten Wegen unsre wohlbespanutcu
Artillcrietrains zurücklegen. An Nachtruhe ist freilich dabei für Menschen und
Thiere mir wenig zu denken. Vier Stunden werde" in der Regel dazu für a"s-
reichend erachtet, in welcher Zeit anch zugleich gefüttert wird.

Auf dem Wege zog ich einige Erkundigungen über den Ackerbau auf der
sechs bis sieben Meilen breiten Ebene von Mouastir ein. Wie geringfügig allem
Anscheine "ach auch der A"ba" ist, so würde dennoch vou de" Feldfrüchten aus¬
geführt werden können, wenn anders die Comm""icatio"funkel hierzu uicht völlig
unzureichend wären. Diese mäßig ausgedehnten, für die Landwirthschaft aus¬
gezeichnet geeigneten Ebenen sind übrigens charakteristisch für Macedonien, und
sind ein bestimmendes Hauptelement für seine Geschichte gewesen. Im Gegensatz
zum eigentlichen Griechenland, (Hellas, Peleponnes und die Inseln), welches keine
,Ebenen oder soiistige für den Ackerba" gut geeignete Territorien aufzuweisen hat,
wurde eben dnrch sie in Macedonien das Entstehe" einer Grnndaristokratie er¬
möglicht, und im Staate blieb infolge dessen das monarchische Princip das vor-


Greiizboteu. II. 48Li, 1-3

wie er in Stambul nur den Pilger» (nach Mecka).u»d deu Generallieutenants
und höheren Chefs der Armee (FerikS und Müschirs) gestattet ist, umgab rings
sein Kinn und reichte tief auf die Brust herab. Bekleidet.war er mit weiten
Beinkleidern und einem seidenen, buntfarbenen Hemd; die Kopfbedeckung-war das
gewöhnliche Fez^ So müsse» die alten Emire aussehen, die Stammeshäuptlinge
i» den Oasen der Wüste. Der Krieg wurde bald Hauptgegenstand der Unter¬
haltung. Am eifrigsten erkundigte sich der Alte darnach, was man von Schach
(Scheik) Schamyl wisse und ob er mit den Türken in Asien gemeinsame Sache
machen würde. Wir erwiderten, daß dies allerdings zu erwarten stehe, worüber
unser Graubart sich sichtlich freute.

Nachdem wir ein Frühstück, bestehend ans gesottenen Eiern 5 Hammelfleisch,
Brot und Weintraube», eingenommen, erschiene» die Pferde; sie waren bald ge¬
sattelt und mit dem Gepäck beladen, worauf die Reise weiter fortgesetzt ward.
Wir kamen alsbald an zwei seltsam gestalteten Felsbergen vorüber, die wir bereis
in der Umgegend von Monastir. am fernen Horizont hatten anfragen sehen.
Der Stein steht hier massenhaft ganz nackt zu Tage und verräth dnrch äußere
Merkmale metallischen Gehalt. Diese Felsen sind gleichsam die Marksteine des
mehr ebenen Landes, welches wir rückwärts gelassen hatten. Von um» an ward
der Weg ^wieder steiler und eine Stunde hinter Perlipe befanden wir uns milde»
in einem Engpaß. Das Unglück wollte, daß el» a»f Maulthiere u»d Esel ver¬
ladener Mnnitionstransport, der, wie,wir hörten, nach Sofia bestimmt war, das
Defile gleichzeitig mit uns passirte. Es waren, wenn ich mich recht erinnere,,
über vierhundert Saumthiere, dazu gegen hundert Treiber, meistens Bulgaren in
ihrer eigenthümlichen Tracht, mit den runden Pelzmützen ans dem Kopfe. Eine
solche Colonne macht täglich gegen 10 Stunden oder sieben Meilen, was
mindestens ebenso viel ist, als bei uns ans guten Wegen unsre wohlbespanutcu
Artillcrietrains zurücklegen. An Nachtruhe ist freilich dabei für Menschen und
Thiere mir wenig zu denken. Vier Stunden werde» in der Regel dazu für a»s-
reichend erachtet, in welcher Zeit anch zugleich gefüttert wird.

Auf dem Wege zog ich einige Erkundigungen über den Ackerbau auf der
sechs bis sieben Meilen breiten Ebene von Mouastir ein. Wie geringfügig allem
Anscheine »ach auch der A»ba» ist, so würde dennoch vou de» Feldfrüchten aus¬
geführt werden können, wenn anders die Comm»»icatio»funkel hierzu uicht völlig
unzureichend wären. Diese mäßig ausgedehnten, für die Landwirthschaft aus¬
gezeichnet geeigneten Ebenen sind übrigens charakteristisch für Macedonien, und
sind ein bestimmendes Hauptelement für seine Geschichte gewesen. Im Gegensatz
zum eigentlichen Griechenland, (Hellas, Peleponnes und die Inseln), welches keine
,Ebenen oder soiistige für den Ackerba» gut geeignete Territorien aufzuweisen hat,
wurde eben dnrch sie in Macedonien das Entstehe» einer Grnndaristokratie er¬
möglicht, und im Staate blieb infolge dessen das monarchische Princip das vor-


Greiizboteu. II. 48Li, 1-3
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/104>, abgerufen am 03.07.2024.