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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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gebot der streitbaren griechischen Bevölkerung in den türkischen Provinzen ab¬
zugeben. Nach demselben Journal wurde der hiesige griechische Geschäftsträger
Metaxa in diesen Tagen vou.Reschid Pascha zu einer Conferenz eingeladen, in
welcher der türkische Minister eine äußerst drohende Sprache gegen den Vertreter
des Königs Otto führte. Sie können hieraus die Spannung ermessen, mit der
man in der osmanischen Hauptstadt dem Ausgciuge dieser Angelegenheit, die von
dem verblendeten griechischen Hose im übelsten Moment angezettelt worden ist,
entgegensieht. Die Meinung ist vielfach verbreitet und hat starke Gründe für sich,
daß die beiden Seemächte ihre Hand auf das Königreich Hellas legen, das Gou¬
vernement umstoßen, die Dynastie wechseln und das ganze Land einstweilen in
militärische Verwahrung nehmen werden. In dieser Hinsicht aber ist es eben
geschehen, wenn ich auf das Zusammentreffe" der Kunde von der ablehnenden
Antwort des Kaisers Nikolaus mit der Nachricht von der tiefen Verwicklung der
griechischen Regierung in das Aufstaudscomplot im Obigen ein großes Gewicht
legte. Oestreich braucht man selbstverständlich in dem vorliegenden Fall nicht zu
berücksichtigen, da es nicht mit zu den Schntzmächten des hellenischen Staates
gehört.

Nach einem mehr und mehr verlautbar werdenden Gerücht, welches ich,
wenn ich nicht irre, schon in meinem letzten Briefe berichtete, hätte Frankreich
den Aufständischen in Albanien die Waffen geliefert. Eingezogenen Erkundigungen
nach geht es von der k. k. Jnlernnntiatur ans. Seine Glaubwürdigkeit ist gleich
Null; mit Bezug auf die muthmaßliche Quelle, liefert es aber einen interessanten
Beleg dafür, wie wenig man in den andern Cabineten der neu-napoleonischen Po¬
litik zutraut, daß sie ihre Mittel zum Zweck stets auf dem gerades Wege suche.

Die im Eingang meines Schreibens erwähnten sechs türkischen Dampffregat¬
ten haben Befehl, sich von Volo direct nach Alexandrien zu begeben, um dort
10,000 Mann, in den arabischen Gebieten des Vicekönigs ausgehobene Trup¬
pen an Bord zu nehmen und schnell an die albanische Küste zu führen. Nach
Ankunft dieser Streitmacht wird man vsmauischerseits im Stande sein, wenn
man überhaupt die Absicht dazu hat, was nach dem Vorgefallenen kaum mehr
bezweifelt werden kann, gegen Griechenland die Offensive zu ergreifen und zu¬
nächst in Livadien einzurücken.

Man kann nicht umhin, im Angesichte solcher Ereignisse, der Wandelbarkeit
der Staatspolitik zu gedenken. Dieselben Mächte, welche für die Schaffung deS
Königreichs Hellas am kräftigsten gewirkt und ihm Hilfe gegen die türkische
Oberherrschaft von so materieller Art geleistet, daß endlich eine für die Marine
des Padischah vernichtende Seeschlacht der Endpunkt ward, stehen jetzt mit den
Türken vereint gegen ihre eigne Schöpfung. Aber wie nnn einmal die Dinge
stehen und bewertet sind, vermag man solche wechselnde Politik nicht zu ta¬
deln. Es liegen Gründe genug vor gegen das Gouvernement von Athen ohne


gebot der streitbaren griechischen Bevölkerung in den türkischen Provinzen ab¬
zugeben. Nach demselben Journal wurde der hiesige griechische Geschäftsträger
Metaxa in diesen Tagen vou.Reschid Pascha zu einer Conferenz eingeladen, in
welcher der türkische Minister eine äußerst drohende Sprache gegen den Vertreter
des Königs Otto führte. Sie können hieraus die Spannung ermessen, mit der
man in der osmanischen Hauptstadt dem Ausgciuge dieser Angelegenheit, die von
dem verblendeten griechischen Hose im übelsten Moment angezettelt worden ist,
entgegensieht. Die Meinung ist vielfach verbreitet und hat starke Gründe für sich,
daß die beiden Seemächte ihre Hand auf das Königreich Hellas legen, das Gou¬
vernement umstoßen, die Dynastie wechseln und das ganze Land einstweilen in
militärische Verwahrung nehmen werden. In dieser Hinsicht aber ist es eben
geschehen, wenn ich auf das Zusammentreffe» der Kunde von der ablehnenden
Antwort des Kaisers Nikolaus mit der Nachricht von der tiefen Verwicklung der
griechischen Regierung in das Aufstaudscomplot im Obigen ein großes Gewicht
legte. Oestreich braucht man selbstverständlich in dem vorliegenden Fall nicht zu
berücksichtigen, da es nicht mit zu den Schntzmächten des hellenischen Staates
gehört.

Nach einem mehr und mehr verlautbar werdenden Gerücht, welches ich,
wenn ich nicht irre, schon in meinem letzten Briefe berichtete, hätte Frankreich
den Aufständischen in Albanien die Waffen geliefert. Eingezogenen Erkundigungen
nach geht es von der k. k. Jnlernnntiatur ans. Seine Glaubwürdigkeit ist gleich
Null; mit Bezug auf die muthmaßliche Quelle, liefert es aber einen interessanten
Beleg dafür, wie wenig man in den andern Cabineten der neu-napoleonischen Po¬
litik zutraut, daß sie ihre Mittel zum Zweck stets auf dem gerades Wege suche.

Die im Eingang meines Schreibens erwähnten sechs türkischen Dampffregat¬
ten haben Befehl, sich von Volo direct nach Alexandrien zu begeben, um dort
10,000 Mann, in den arabischen Gebieten des Vicekönigs ausgehobene Trup¬
pen an Bord zu nehmen und schnell an die albanische Küste zu führen. Nach
Ankunft dieser Streitmacht wird man vsmauischerseits im Stande sein, wenn
man überhaupt die Absicht dazu hat, was nach dem Vorgefallenen kaum mehr
bezweifelt werden kann, gegen Griechenland die Offensive zu ergreifen und zu¬
nächst in Livadien einzurücken.

Man kann nicht umhin, im Angesichte solcher Ereignisse, der Wandelbarkeit
der Staatspolitik zu gedenken. Dieselben Mächte, welche für die Schaffung deS
Königreichs Hellas am kräftigsten gewirkt und ihm Hilfe gegen die türkische
Oberherrschaft von so materieller Art geleistet, daß endlich eine für die Marine
des Padischah vernichtende Seeschlacht der Endpunkt ward, stehen jetzt mit den
Türken vereint gegen ihre eigne Schöpfung. Aber wie nnn einmal die Dinge
stehen und bewertet sind, vermag man solche wechselnde Politik nicht zu ta¬
deln. Es liegen Gründe genug vor gegen das Gouvernement von Athen ohne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/514>, abgerufen am 28.09.2024.