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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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daß die tüchtigsten Vorsteher der modernen Judnstricinstitnte wie umsichtige
Specnlante", so mich einsichtsvolle Magistratsräthe und tapfere Bürgerwehroffiziere
sind, tapfer wenigstens vorläufig" im Angriffe auf Braten und Flasche; allein der
größte Theil der Actionäre spielt lieber den Huudcrttanscndthalermillivnär und
läßt sich Herr Baron nennen, angelt und jagt nach Hasen nud Ordensbändern
und überläßt die Arbeit getrost den Geranten, den Buchhalter", Werkmeistern,
Proletariern und Maschinen.




Die preufiischen Kammern und die orientalische
Frage.

Durch den Antrag ans eine Creditbewilliguug von 30 Millionen ist den
preußischen Kammer" die wichtigste Entscheidung seit ihrem Bestehen in die Hand
gelegt. Es ist nicht z" verwundern, wenn das gesammte deutsche Volk mit einer
ängstlichen Unruhe dieser Entscheidung entgegensieht, denn die Art, wie die
Kammer" bisher in der großen europäische" Frage vorgegangen sind -- zuerst
ihr langes Schweigen, das selbst im englische" Parlament mit halber Ironie ge¬
lobt w"rde, dann die ganz soiiderbare Jnterpellation -- hat über ihre" eigeut-
lichen Willen keine Ansklärniig gegeben.

Die Rechte, welche der Wortlaut der Verfassung wie die thatsächliche" Ver¬
hältnisse den Kammern gaben, waren so gering, daß man wol die Frage auswerfen
konnte, ob sie für die großen Opfer entschädigten. Wir haben u"6 für sie nnr
insofern interessirt, als wir i" ihnen eine Bildungsschule für die politische Mün¬
digkeit des Volks sahe" und ein Mittel, in kritische" Augenblicken dem allgemeine"
Willen einen Ausdruck, der conservativste" aller Kräfte el"e Form zu gebe".
Jetzt scheint der Augenblick gekommen, wo die preußischen Kammer" für die wenig
beneidenswerthe Rolle, die sie seit fünf Jahren nothgedrungen gespielt, entschädigt
werden sollen; denn die erwartete Krisis ist eingetreten, früher, als mau es ver¬
muthet hatte. Desto mehr mußte ihre Zurückhaltung überraschen. In jener Jn¬
terpellation war geflissentlich die größere Tragweite der Ereignisse aus den Augen
gerückt; ja man hatte sich soweit herabgestimmt, die in der Jahreszeit liegenden
Beschäftigungen und den Eindruck, den das Erscheinen der verbündete" Flotte"
in der Ostsee ans dieselbe" machen muß, in Rechnung zu bringen. Man hat der
Negierung ein bei der allgemein bekannten Sachlage überraschendes Vertrauen
gezeigt, und man hat es dem Haupt derselben leicht gemacht, in seiner bekannren
scherzhaften Weise zu erwidern': "man könne i" dieser Bcziehniig ""besorgt sei",
die Engländer führten keine bösen Absichten gegen Preußen im Schilde, sie würde"
die Geschäfte uicht störe"." Der Beifall, der diesen Scherzen sogar von der
Linken gespendet wurde, mußte uns völlig außer Fassung scheu.


daß die tüchtigsten Vorsteher der modernen Judnstricinstitnte wie umsichtige
Specnlante», so mich einsichtsvolle Magistratsräthe und tapfere Bürgerwehroffiziere
sind, tapfer wenigstens vorläufig" im Angriffe auf Braten und Flasche; allein der
größte Theil der Actionäre spielt lieber den Huudcrttanscndthalermillivnär und
läßt sich Herr Baron nennen, angelt und jagt nach Hasen nud Ordensbändern
und überläßt die Arbeit getrost den Geranten, den Buchhalter», Werkmeistern,
Proletariern und Maschinen.




Die preufiischen Kammern und die orientalische
Frage.

Durch den Antrag ans eine Creditbewilliguug von 30 Millionen ist den
preußischen Kammer» die wichtigste Entscheidung seit ihrem Bestehen in die Hand
gelegt. Es ist nicht z» verwundern, wenn das gesammte deutsche Volk mit einer
ängstlichen Unruhe dieser Entscheidung entgegensieht, denn die Art, wie die
Kammer» bisher in der großen europäische» Frage vorgegangen sind — zuerst
ihr langes Schweigen, das selbst im englische» Parlament mit halber Ironie ge¬
lobt w»rde, dann die ganz soiiderbare Jnterpellation — hat über ihre» eigeut-
lichen Willen keine Ansklärniig gegeben.

Die Rechte, welche der Wortlaut der Verfassung wie die thatsächliche» Ver¬
hältnisse den Kammern gaben, waren so gering, daß man wol die Frage auswerfen
konnte, ob sie für die großen Opfer entschädigten. Wir haben u»6 für sie nnr
insofern interessirt, als wir i» ihnen eine Bildungsschule für die politische Mün¬
digkeit des Volks sahe» und ein Mittel, in kritische» Augenblicken dem allgemeine»
Willen einen Ausdruck, der conservativste» aller Kräfte el»e Form zu gebe».
Jetzt scheint der Augenblick gekommen, wo die preußischen Kammer» für die wenig
beneidenswerthe Rolle, die sie seit fünf Jahren nothgedrungen gespielt, entschädigt
werden sollen; denn die erwartete Krisis ist eingetreten, früher, als mau es ver¬
muthet hatte. Desto mehr mußte ihre Zurückhaltung überraschen. In jener Jn¬
terpellation war geflissentlich die größere Tragweite der Ereignisse aus den Augen
gerückt; ja man hatte sich soweit herabgestimmt, die in der Jahreszeit liegenden
Beschäftigungen und den Eindruck, den das Erscheinen der verbündete» Flotte»
in der Ostsee ans dieselbe» machen muß, in Rechnung zu bringen. Man hat der
Negierung ein bei der allgemein bekannten Sachlage überraschendes Vertrauen
gezeigt, und man hat es dem Haupt derselben leicht gemacht, in seiner bekannren
scherzhaften Weise zu erwidern': „man könne i» dieser Bcziehniig »»besorgt sei»,
die Engländer führten keine bösen Absichten gegen Preußen im Schilde, sie würde»
die Geschäfte uicht störe»." Der Beifall, der diesen Scherzen sogar von der
Linken gespendet wurde, mußte uns völlig außer Fassung scheu.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/506>, abgerufen am 03.07.2024.