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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Se. Annakirche mit dem Se. Annakloster eine wichtige.Rolle, indem die dortigen
Dominicaner zuerst und am eifrigsten ans Luthers Lehre eingingen. Ein merk¬
würdiges pittoreskes Anhängsel bildet zu dieser Kirche die Elgins- oder Gold-
schmiedskapelle, welche noch aus dem Jahr 1i2i- herrührt, während das jetzige
Hauptgebäude von Elias Holl renovirt wurde. Sind wol in keiner Stadt der
Besitz, die Rechte und Interessen der Katholiken und Protestanten durch die ver¬
schiedenen Friedenspacte so sehr verschränkt und verwickelt wie in Augsburg, so
ist das Sonderbarste doch, daß der Blasbalgtreter der Protestantischen Se. Anna¬
kirche rechtmäßig ein Katholik sein muß, weil die Orgel der Kirche, nebst dem
1312 von Ulrich, Georg nud Jacob Fugger gestifteten Chor bis ans die Gegen¬
wart Fideicommiß der (katholischen) Familie Fugger geblieben ist. -- Wir über¬
gehen die zahlreichen Klöster der Stadt, indem sie zu den verschiedensten Zeiten
auf die wunderlichste Weise profanirt wurden. Einige verwandelte die Reformation
in Schulen und Armenanstalten: spätere Zeiten machten auch Magazine daraus.
Seit 1808 sind das Jesuitenkloster, sowie das Kloster zum heil. Kreuz und zu
Se. Ulrich Kasernen geworden, so daß z. B. das Rescctormm des letztgenannten
Gotteshauses mit einem werthvollen Basrelief von Gregor Erhard gegenwärtig
von dem Cheveauxlegersregimcnt König ganz soldatisch heiter eingerichtet ist.

Unter den städtischen Gebäuden zeugen die Zunfthäuser der Metzger, Bäcker
und Weber von dem alten bürgerlichen Reichthum. In den Matthias Kagcrschen
Frescogemälden des Weberhauses ^) ist die ganze Cnlturepoche des sechzehnten
Jahrhunderts zusammengedrängt, indem uns die Geschichte und Bedeutung der
Weberei theils allegorisch, theils historisch vorgeführt wird. Als allegorische Fi¬
guren erschienen die vier Lebensalter des Menschen, welcher von der Windel bis
zum Sargtuch der alten Zunft bedarf. Nicht minder unentbehrlich ist sie dem
goldnen und silbernen, als dem ehernen und eisernen Zeitalter. Als die erste
Weberin erscheint Rama, die Tochter Lamechs und Schwester TubalcaiuS (Gen. 4, 22)
und Ächaliab, der Sohn Ahisamak vom Stamme Dan, der ein Meister war zu
schneiden, zu wirken und zu sticken, mit gelber Seide, scharlach- und rosinenrother
und weißer Seide. Wir scheu Arachne, die geschickteste lybische Spinnerin und
Weberin, welche in eine Spinne verwandelt wurde, weil sie mit Pallas selbst zu
wetteifern sich vermaß. Groß und prächtig wurde Lucretia dargestellt, wie sie
uuter ihren Frauen mit Spinnen und Weben beschäftigt ist und von ihrem
Gemahl, dem aus dem Kriegslager zurückkehrenden Lucius Tarquinius Collatinus
überrascht wird.

Dann kam eine spanische Scene: wie nämlich die der Weberei kundigen
Frauen das Product ihres Fleißes vor sachverständige Richter bringen und dort



Die .Bilder sind leider vielfach verwittert, doch finden sie sich als Holzschnitte in einem
Büchlein von Joh. Friedr, Göbel: "zum Ruhme eines ehrsamen Wcberhandwcrkö" ans dem
Jahr "17^8 aufbewahrt.
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Se. Annakirche mit dem Se. Annakloster eine wichtige.Rolle, indem die dortigen
Dominicaner zuerst und am eifrigsten ans Luthers Lehre eingingen. Ein merk¬
würdiges pittoreskes Anhängsel bildet zu dieser Kirche die Elgins- oder Gold-
schmiedskapelle, welche noch aus dem Jahr 1i2i- herrührt, während das jetzige
Hauptgebäude von Elias Holl renovirt wurde. Sind wol in keiner Stadt der
Besitz, die Rechte und Interessen der Katholiken und Protestanten durch die ver¬
schiedenen Friedenspacte so sehr verschränkt und verwickelt wie in Augsburg, so
ist das Sonderbarste doch, daß der Blasbalgtreter der Protestantischen Se. Anna¬
kirche rechtmäßig ein Katholik sein muß, weil die Orgel der Kirche, nebst dem
1312 von Ulrich, Georg nud Jacob Fugger gestifteten Chor bis ans die Gegen¬
wart Fideicommiß der (katholischen) Familie Fugger geblieben ist. — Wir über¬
gehen die zahlreichen Klöster der Stadt, indem sie zu den verschiedensten Zeiten
auf die wunderlichste Weise profanirt wurden. Einige verwandelte die Reformation
in Schulen und Armenanstalten: spätere Zeiten machten auch Magazine daraus.
Seit 1808 sind das Jesuitenkloster, sowie das Kloster zum heil. Kreuz und zu
Se. Ulrich Kasernen geworden, so daß z. B. das Rescctormm des letztgenannten
Gotteshauses mit einem werthvollen Basrelief von Gregor Erhard gegenwärtig
von dem Cheveauxlegersregimcnt König ganz soldatisch heiter eingerichtet ist.

Unter den städtischen Gebäuden zeugen die Zunfthäuser der Metzger, Bäcker
und Weber von dem alten bürgerlichen Reichthum. In den Matthias Kagcrschen
Frescogemälden des Weberhauses ^) ist die ganze Cnlturepoche des sechzehnten
Jahrhunderts zusammengedrängt, indem uns die Geschichte und Bedeutung der
Weberei theils allegorisch, theils historisch vorgeführt wird. Als allegorische Fi¬
guren erschienen die vier Lebensalter des Menschen, welcher von der Windel bis
zum Sargtuch der alten Zunft bedarf. Nicht minder unentbehrlich ist sie dem
goldnen und silbernen, als dem ehernen und eisernen Zeitalter. Als die erste
Weberin erscheint Rama, die Tochter Lamechs und Schwester TubalcaiuS (Gen. 4, 22)
und Ächaliab, der Sohn Ahisamak vom Stamme Dan, der ein Meister war zu
schneiden, zu wirken und zu sticken, mit gelber Seide, scharlach- und rosinenrother
und weißer Seide. Wir scheu Arachne, die geschickteste lybische Spinnerin und
Weberin, welche in eine Spinne verwandelt wurde, weil sie mit Pallas selbst zu
wetteifern sich vermaß. Groß und prächtig wurde Lucretia dargestellt, wie sie
uuter ihren Frauen mit Spinnen und Weben beschäftigt ist und von ihrem
Gemahl, dem aus dem Kriegslager zurückkehrenden Lucius Tarquinius Collatinus
überrascht wird.

Dann kam eine spanische Scene: wie nämlich die der Weberei kundigen
Frauen das Product ihres Fleißes vor sachverständige Richter bringen und dort



Die .Bilder sind leider vielfach verwittert, doch finden sie sich als Holzschnitte in einem
Büchlein von Joh. Friedr, Göbel: „zum Ruhme eines ehrsamen Wcberhandwcrkö" ans dem
Jahr «17^8 aufbewahrt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/499>, abgerufen am 22.07.2024.