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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Schilden am Fuß; auf der Spitze der Mittelsäule Maria mit dem Jesuskinde.
Zwischen den Spitzbogen befindet sich die ganze Abstammung Jesu nach Matthäus
und die drei Abtheilungen der innern Spitzwölbuugcu enthalten die ausführliche
Geschichte Marias, während sich im Giebel das jüngste Gericht befindet.

Im Innern ist die Ueberladung noch größer. Hier werden von 36 Säulen
fünf Hauptschiffe getragen, welche sich dann wieder in zahlreiche Seiten und Eck-
kapelleu abzweigen. Sie und namentlich der Hauptaltar, einzelne Seitenkapellen,
Monumente und Sculpturen würden einen mächtigen Eindruck hervorbringen,
wenn dieselben isolirt wirken könnte". Allein, sämmtliche Räume sind mit einer
Masse werth- und geschmackloser Grabmonumente, biblischer Geschichten, Legenden
und Allegorien dermaßen überladen, daß nichts als eine wenig geordnete Anti¬
quitätensammlung übrig bleibt. Es verdient um so größere Anerkennung, daß
der Bischof hier und da in richtiger Einsicht aufzuräumen begonnen hat. -- Ob-
wol der Domschatz noch manche kostbare Monstranz, werthvolle Crucifixe, Rauch¬
fässer, Kelche, Platten, Leuchter u. s. w., aufbewahrt, so war er früher noch viel
reicher. Während des dreißigjährigen Kriegs hat er manches hergeben müssen
und unter dem Nest hielt der letzte französische Krieg und die dann folgende
Säcularisation eine gründliche Umschau zu Gunsten der Münzen von Paris nnd-
München. Die theuern Reliquien sind dagegen dem Dome bis heute verblieben:
sowol der Gürtel der Mutter Gottes als ein beträchtlicher Krenzcssplitter, die
Schädel der Märtyrer Ufer und Moritz und die Rippe des heiligen Ulrich.

Die ältere, 1467 erbaute Se. Ulrichskirche wurde, wie die Chronik meldet,
von einem Sturme umgeworfen und der Bau der jetzigen Kirche dieses Namens
wurde 1477 im gothischen Stile begonnen; doch rückten die Werkleute so lang¬
sam fort, daß Kaiser Maximilian im Jahre 1300 den Grundstein zum Chor legen
konnte, was noch in zwei Wandgemälden veranschaulicht wird. Ihre jetzige
Vollendung erlangte die Kirche erst im Jahr 1607, während der eine der beiden
Thürme zur Seite des Chors bis heute unvollendet geblieben ist. Hier befinden
sich das Grabmal Kaiser Ottos 111. und die Begräbnißkapellen, welche Octavian,
Marcus, Georg, Christoph, Philipp, Eduard und Jacob Fugger 1380, 1390,
1396 und'1601 stifteten, nud die Sacristei dieser Kirche diente zweimal zum
Conclave, aus welchem Ferdinand IV. und Joseph I. als römische Kaiser und
Mehrer des Reichs hervorgingen.

Weniger ansehnlich sind die zahlreichen übrigen katholischen Kirchen Augs¬
burgs, doch fehlt es auch ihnen nicht an Reliquien und historischen Reminiscenzen.
Die protestantischen Kirchen stehen mehre Mal unmittelbar neben den katholische",
indem der westphälische Friede" die Hauptkirche deu Katholiken wieder einräumte,
die Hilfskirchen dagegen den Protestanten verblieben. Letztere wurden dann wohl
ausgebaut und an der heil. Kreuzkirche halfen die Königin Christine von Schweden
und der König von Dänemark restauriren. In der Reformationszeit spielte die


Schilden am Fuß; auf der Spitze der Mittelsäule Maria mit dem Jesuskinde.
Zwischen den Spitzbogen befindet sich die ganze Abstammung Jesu nach Matthäus
und die drei Abtheilungen der innern Spitzwölbuugcu enthalten die ausführliche
Geschichte Marias, während sich im Giebel das jüngste Gericht befindet.

Im Innern ist die Ueberladung noch größer. Hier werden von 36 Säulen
fünf Hauptschiffe getragen, welche sich dann wieder in zahlreiche Seiten und Eck-
kapelleu abzweigen. Sie und namentlich der Hauptaltar, einzelne Seitenkapellen,
Monumente und Sculpturen würden einen mächtigen Eindruck hervorbringen,
wenn dieselben isolirt wirken könnte». Allein, sämmtliche Räume sind mit einer
Masse werth- und geschmackloser Grabmonumente, biblischer Geschichten, Legenden
und Allegorien dermaßen überladen, daß nichts als eine wenig geordnete Anti¬
quitätensammlung übrig bleibt. Es verdient um so größere Anerkennung, daß
der Bischof hier und da in richtiger Einsicht aufzuräumen begonnen hat. — Ob-
wol der Domschatz noch manche kostbare Monstranz, werthvolle Crucifixe, Rauch¬
fässer, Kelche, Platten, Leuchter u. s. w., aufbewahrt, so war er früher noch viel
reicher. Während des dreißigjährigen Kriegs hat er manches hergeben müssen
und unter dem Nest hielt der letzte französische Krieg und die dann folgende
Säcularisation eine gründliche Umschau zu Gunsten der Münzen von Paris nnd-
München. Die theuern Reliquien sind dagegen dem Dome bis heute verblieben:
sowol der Gürtel der Mutter Gottes als ein beträchtlicher Krenzcssplitter, die
Schädel der Märtyrer Ufer und Moritz und die Rippe des heiligen Ulrich.

Die ältere, 1467 erbaute Se. Ulrichskirche wurde, wie die Chronik meldet,
von einem Sturme umgeworfen und der Bau der jetzigen Kirche dieses Namens
wurde 1477 im gothischen Stile begonnen; doch rückten die Werkleute so lang¬
sam fort, daß Kaiser Maximilian im Jahre 1300 den Grundstein zum Chor legen
konnte, was noch in zwei Wandgemälden veranschaulicht wird. Ihre jetzige
Vollendung erlangte die Kirche erst im Jahr 1607, während der eine der beiden
Thürme zur Seite des Chors bis heute unvollendet geblieben ist. Hier befinden
sich das Grabmal Kaiser Ottos 111. und die Begräbnißkapellen, welche Octavian,
Marcus, Georg, Christoph, Philipp, Eduard und Jacob Fugger 1380, 1390,
1396 und'1601 stifteten, nud die Sacristei dieser Kirche diente zweimal zum
Conclave, aus welchem Ferdinand IV. und Joseph I. als römische Kaiser und
Mehrer des Reichs hervorgingen.

Weniger ansehnlich sind die zahlreichen übrigen katholischen Kirchen Augs¬
burgs, doch fehlt es auch ihnen nicht an Reliquien und historischen Reminiscenzen.
Die protestantischen Kirchen stehen mehre Mal unmittelbar neben den katholische»,
indem der westphälische Friede» die Hauptkirche deu Katholiken wieder einräumte,
die Hilfskirchen dagegen den Protestanten verblieben. Letztere wurden dann wohl
ausgebaut und an der heil. Kreuzkirche halfen die Königin Christine von Schweden
und der König von Dänemark restauriren. In der Reformationszeit spielte die


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[0498] Schilden am Fuß; auf der Spitze der Mittelsäule Maria mit dem Jesuskinde. Zwischen den Spitzbogen befindet sich die ganze Abstammung Jesu nach Matthäus und die drei Abtheilungen der innern Spitzwölbuugcu enthalten die ausführliche Geschichte Marias, während sich im Giebel das jüngste Gericht befindet. Im Innern ist die Ueberladung noch größer. Hier werden von 36 Säulen fünf Hauptschiffe getragen, welche sich dann wieder in zahlreiche Seiten und Eck- kapelleu abzweigen. Sie und namentlich der Hauptaltar, einzelne Seitenkapellen, Monumente und Sculpturen würden einen mächtigen Eindruck hervorbringen, wenn dieselben isolirt wirken könnte». Allein, sämmtliche Räume sind mit einer Masse werth- und geschmackloser Grabmonumente, biblischer Geschichten, Legenden und Allegorien dermaßen überladen, daß nichts als eine wenig geordnete Anti¬ quitätensammlung übrig bleibt. Es verdient um so größere Anerkennung, daß der Bischof hier und da in richtiger Einsicht aufzuräumen begonnen hat. — Ob- wol der Domschatz noch manche kostbare Monstranz, werthvolle Crucifixe, Rauch¬ fässer, Kelche, Platten, Leuchter u. s. w., aufbewahrt, so war er früher noch viel reicher. Während des dreißigjährigen Kriegs hat er manches hergeben müssen und unter dem Nest hielt der letzte französische Krieg und die dann folgende Säcularisation eine gründliche Umschau zu Gunsten der Münzen von Paris nnd- München. Die theuern Reliquien sind dagegen dem Dome bis heute verblieben: sowol der Gürtel der Mutter Gottes als ein beträchtlicher Krenzcssplitter, die Schädel der Märtyrer Ufer und Moritz und die Rippe des heiligen Ulrich. Die ältere, 1467 erbaute Se. Ulrichskirche wurde, wie die Chronik meldet, von einem Sturme umgeworfen und der Bau der jetzigen Kirche dieses Namens wurde 1477 im gothischen Stile begonnen; doch rückten die Werkleute so lang¬ sam fort, daß Kaiser Maximilian im Jahre 1300 den Grundstein zum Chor legen konnte, was noch in zwei Wandgemälden veranschaulicht wird. Ihre jetzige Vollendung erlangte die Kirche erst im Jahr 1607, während der eine der beiden Thürme zur Seite des Chors bis heute unvollendet geblieben ist. Hier befinden sich das Grabmal Kaiser Ottos 111. und die Begräbnißkapellen, welche Octavian, Marcus, Georg, Christoph, Philipp, Eduard und Jacob Fugger 1380, 1390, 1396 und'1601 stifteten, nud die Sacristei dieser Kirche diente zweimal zum Conclave, aus welchem Ferdinand IV. und Joseph I. als römische Kaiser und Mehrer des Reichs hervorgingen. Weniger ansehnlich sind die zahlreichen übrigen katholischen Kirchen Augs¬ burgs, doch fehlt es auch ihnen nicht an Reliquien und historischen Reminiscenzen. Die protestantischen Kirchen stehen mehre Mal unmittelbar neben den katholische», indem der westphälische Friede» die Hauptkirche deu Katholiken wieder einräumte, die Hilfskirchen dagegen den Protestanten verblieben. Letztere wurden dann wohl ausgebaut und an der heil. Kreuzkirche halfen die Königin Christine von Schweden und der König von Dänemark restauriren. In der Reformationszeit spielte die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/498>, abgerufen am 24.06.2024.