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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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nähme, bewaffnet sind; auch dem kleinen Burschen hinter den Kühen fehlen nicht
die zwei langen Pistolen im breiten Shawlbuude, der um seine Hüften geschlun¬
gen ist.

Zuweilen stößt man auf Wegstrecken, welche Spuren eines uralten Pflasters
zeigen. Es rührt schwerlich aus den früheren Zeiten der türkischen Herrschaft her,
sondern ist, allem Anschein nach, weit älteren Ursprunges. Die Steine, ans denen "
es zusammengefügt ist, find gewaltige, beinahe cyclopische Massen; heutigen Tages
aber ist dieser sporadische Wegebau eher ein Hemmnis), als ein Beförderungs¬
mittel der Communication; so oft wir ans Reste der in Rede stehenden Art
stoßen, lenkt der Postknecht mit den vorausgehenden Packpferden vom Wege ab und
führt uns daneben hin, durch das dürre, sonnenverbrannte Gras der Viehtrift.

Hier auf diesem Vorland war es ohne Zweifel, wo der alte macedonische
Grundadel seine Hanptbeschnugen hatte; hier waren die Aecker gelegen, deren
Früchte einen Theil des. dicht bevölkerten Hellas ernährten; hier endlich hatte der
altmacedonische Staat, vor der Periode, in welcher er unwiderstehlich sich über
seine Natnrgrenzcn ausbreitete, seinen politischen Schwer- und Mittelpunkt.

Es ist, als ob ein Schatten dieser großen Vergangenheit noch rings auf der
Landschaft ruhte. Die Steintrümmer am Wege, da, wo er durch Fährten der klei¬
nen Flüßchen und Bäche führt, verrathen die Stellen "och, auf denen einst Brücke",
sei es aus dieser ältesten Zeit, oder aus der spätere" römischen , gelegen. Von
sonstigen Ruinen wird man nicht" gewahr, aber mächtiger wie alle Ueberreste re¬
det die Vorstellung zum Herzen und zur Phantasie, daß hier um uns her der
Boden ist, auf dem jene beiden erhabenen Gestalten, in denen das Griechenthum,
bevor es als active Macht aus der Geschichte schied, noch einmal zur gedrängtesten
und glanzvollsten Erscheinung kam, ihr Entstehen fanden: Aristoteles und Alexander!

Hier 'und dort ragen ungeheure, offenbar von Menschenhänden angeschüttete
Hügel, ganz ähnlich denen, die wir im Norden unsrer deutschen Heimat Hünen-
vdcr Nieseugräber zu nennen pflege", in der Ebene auf. Einer davon, dicht
rechts am Wege, ist namentlich von überraschender Höhe. Aber nirgends bemerkt
man eine Spur von einer Grube oder einem Graben in der Nähe des künstlichen
Berges, aus welchen der erforderliche Boden entnommen sein könnte. Das Ganze
nimmt sich ans, als ob ein ungeheurer Maulwurf der Urwelt, unter der Erde
thnrmtief wühlend, es aufgeworfen hätte. Wer mag entscheiden, ob diese Denk¬
mäler jünger oder älter sind als die macedonische Geschichte?!

Endlich lange der Reiterzug am Vardar an. Der Fluß rauscht, obgleich hier
in der Ebene fließend, immer noch'mit dem Ungestüm daher, das er aus den
oberen Bergschluchten mitgebracht hat. Ich mochte ihn mit unsrer heimatlichen.
Saale vergleichen. Die Brücke, welche über ihn hinführt, ist von großer Lange
und durchweg aus Holz erbaut. Ihr Beleg ist so schlecht und spalteureich, daß
man den Zügel hoch nehmen und das Pferd sorgsam führen muß.


nähme, bewaffnet sind; auch dem kleinen Burschen hinter den Kühen fehlen nicht
die zwei langen Pistolen im breiten Shawlbuude, der um seine Hüften geschlun¬
gen ist.

Zuweilen stößt man auf Wegstrecken, welche Spuren eines uralten Pflasters
zeigen. Es rührt schwerlich aus den früheren Zeiten der türkischen Herrschaft her,
sondern ist, allem Anschein nach, weit älteren Ursprunges. Die Steine, ans denen "
es zusammengefügt ist, find gewaltige, beinahe cyclopische Massen; heutigen Tages
aber ist dieser sporadische Wegebau eher ein Hemmnis), als ein Beförderungs¬
mittel der Communication; so oft wir ans Reste der in Rede stehenden Art
stoßen, lenkt der Postknecht mit den vorausgehenden Packpferden vom Wege ab und
führt uns daneben hin, durch das dürre, sonnenverbrannte Gras der Viehtrift.

Hier auf diesem Vorland war es ohne Zweifel, wo der alte macedonische
Grundadel seine Hanptbeschnugen hatte; hier waren die Aecker gelegen, deren
Früchte einen Theil des. dicht bevölkerten Hellas ernährten; hier endlich hatte der
altmacedonische Staat, vor der Periode, in welcher er unwiderstehlich sich über
seine Natnrgrenzcn ausbreitete, seinen politischen Schwer- und Mittelpunkt.

Es ist, als ob ein Schatten dieser großen Vergangenheit noch rings auf der
Landschaft ruhte. Die Steintrümmer am Wege, da, wo er durch Fährten der klei¬
nen Flüßchen und Bäche führt, verrathen die Stellen »och, auf denen einst Brücke»,
sei es aus dieser ältesten Zeit, oder aus der spätere« römischen , gelegen. Von
sonstigen Ruinen wird man nicht« gewahr, aber mächtiger wie alle Ueberreste re¬
det die Vorstellung zum Herzen und zur Phantasie, daß hier um uns her der
Boden ist, auf dem jene beiden erhabenen Gestalten, in denen das Griechenthum,
bevor es als active Macht aus der Geschichte schied, noch einmal zur gedrängtesten
und glanzvollsten Erscheinung kam, ihr Entstehen fanden: Aristoteles und Alexander!

Hier 'und dort ragen ungeheure, offenbar von Menschenhänden angeschüttete
Hügel, ganz ähnlich denen, die wir im Norden unsrer deutschen Heimat Hünen-
vdcr Nieseugräber zu nennen pflege», in der Ebene auf. Einer davon, dicht
rechts am Wege, ist namentlich von überraschender Höhe. Aber nirgends bemerkt
man eine Spur von einer Grube oder einem Graben in der Nähe des künstlichen
Berges, aus welchen der erforderliche Boden entnommen sein könnte. Das Ganze
nimmt sich ans, als ob ein ungeheurer Maulwurf der Urwelt, unter der Erde
thnrmtief wühlend, es aufgeworfen hätte. Wer mag entscheiden, ob diese Denk¬
mäler jünger oder älter sind als die macedonische Geschichte?!

Endlich lange der Reiterzug am Vardar an. Der Fluß rauscht, obgleich hier
in der Ebene fließend, immer noch'mit dem Ungestüm daher, das er aus den
oberen Bergschluchten mitgebracht hat. Ich mochte ihn mit unsrer heimatlichen.
Saale vergleichen. Die Brücke, welche über ihn hinführt, ist von großer Lange
und durchweg aus Holz erbaut. Ihr Beleg ist so schlecht und spalteureich, daß
man den Zügel hoch nehmen und das Pferd sorgsam führen muß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/452>, abgerufen am 24.08.2024.