Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bunteren Theil Limbnrgs steh bereitete; man erwog auch nicht, daß die Aus¬
legung des ".la-Mr' .'^ l-r in"r" und die Erhöhung der Eingangösteucr auf deutsche
Producte, weit mehr im Interesse Belgiens, als-der nördliche" Niederlande ge¬
schehen waren, da die Sperrung der freien Nheinschiffahrt den überseeischen
Nheiuhandel außer nach Belgien, anch nach Bremen (woher das Aufblühen des
dortigen TabaksgeschäftS) und nach Hamburg ableitete.

So, auch vo" Deutschland verkannt und ungeschützt, stand das niederlän¬
dische Volk ohne irgend einen Bundesgenossen, ganz isolirt in dem europäischen
Staatensysteme nud, wie die meisten glaubten, zum langsamen Untergänge unter
der Last seiner riesigen Staatsschulden bestimmt.

Aber es kam alles ganz anders, als man gedacht hatte. Die Niederländer
isolitcn sich und ihre Colonien von dem andern Europa politisch und commerzicll
soviel als immer möglich, und beschlossen zu erproben, was sie unter dem Schutz
eines strengen Handelsmonopols und strengster Neutralität bei allen europäischen
Fragen mit ihren Colonien, Capitalien, Schiffen und Handelskenntnissen leisten
könnten; der ruhmvolle Kampf gegen Belgien, das Gefühl, von der ganzen Welt
verlassen zu sein, die nen erwachte Erinnerung früheren Ruhms und die Befreiung
von den der Niederlande zu Gunsten Belgiens auferlegten commerziellen Fesseln
riefen bald einen wunderbaren Aufschwung des materiellen wie geistigen Zustandes
der Nation hervor.

Die der belgischen Industrie geliehenen holländischen Capitalien, Handlungs-
häuser und Schiffe zogen sich nach Holland zurück. Die Handelöiuaatschappy
gründete mit ihren aus der belgischen Industrie zurückgezogenen Capitalien die
für die Versorgung der Colonien nöthigen Fabriken, freilich mit allen Nachtheilen
einer Schuhindustrie, aber nothgedrungen, wenn man das angenommene Jso-
lirnngSsystcm durchführen wollte; die Schiffahrt, besonders die nach den Colonien,
dnrch hohe Schutzzölle oder directe Verbote von aller nennenswerthen Concur-
renz, besonders der Engländer, anfänglich befreit, vermehrte sich in enormen Pro¬
gressionen, während die belgische nur sehr langsame-Fortschritte machte; Amsterdam
und Rotterdam wurden wiedc"! die Weltmärkte für Kaffee und Gewürze, sogar
für England, und die holländischen Zuckerrafsinerien hatten aus allen Märkten den
ersten Platz.

Die Production Javas ward durch das vom Generalgouvemeur von Bosch
eingeführte Cultursystem ganz enorm gesteigert, zugleich aber auch das Colouial-
monopvlsystem für alle Zeiten unabänderlich gemacht, wenn man steh nicht an
Deutschland anschließen wollte; den" die großen Vortheile, welche die niederlän¬
dische Regierung seit der Einführung des Cultursystems aus dem Verkauf ih^r
ostindischen Producte zieht, beruhen lediglich auf den geringen Productionskosten,
welche die von den mit 13 Cents Tagelohn bezahlten und zu einer Unzahl von
unbezahlten Diensten verpflichteten Javanern zwangsweise gebauten Producte ver-


bunteren Theil Limbnrgs steh bereitete; man erwog auch nicht, daß die Aus¬
legung des „.la-Mr' .'^ l-r in«r" und die Erhöhung der Eingangösteucr auf deutsche
Producte, weit mehr im Interesse Belgiens, als-der nördliche» Niederlande ge¬
schehen waren, da die Sperrung der freien Nheinschiffahrt den überseeischen
Nheiuhandel außer nach Belgien, anch nach Bremen (woher das Aufblühen des
dortigen TabaksgeschäftS) und nach Hamburg ableitete.

So, auch vo» Deutschland verkannt und ungeschützt, stand das niederlän¬
dische Volk ohne irgend einen Bundesgenossen, ganz isolirt in dem europäischen
Staatensysteme nud, wie die meisten glaubten, zum langsamen Untergänge unter
der Last seiner riesigen Staatsschulden bestimmt.

Aber es kam alles ganz anders, als man gedacht hatte. Die Niederländer
isolitcn sich und ihre Colonien von dem andern Europa politisch und commerzicll
soviel als immer möglich, und beschlossen zu erproben, was sie unter dem Schutz
eines strengen Handelsmonopols und strengster Neutralität bei allen europäischen
Fragen mit ihren Colonien, Capitalien, Schiffen und Handelskenntnissen leisten
könnten; der ruhmvolle Kampf gegen Belgien, das Gefühl, von der ganzen Welt
verlassen zu sein, die nen erwachte Erinnerung früheren Ruhms und die Befreiung
von den der Niederlande zu Gunsten Belgiens auferlegten commerziellen Fesseln
riefen bald einen wunderbaren Aufschwung des materiellen wie geistigen Zustandes
der Nation hervor.

Die der belgischen Industrie geliehenen holländischen Capitalien, Handlungs-
häuser und Schiffe zogen sich nach Holland zurück. Die Handelöiuaatschappy
gründete mit ihren aus der belgischen Industrie zurückgezogenen Capitalien die
für die Versorgung der Colonien nöthigen Fabriken, freilich mit allen Nachtheilen
einer Schuhindustrie, aber nothgedrungen, wenn man das angenommene Jso-
lirnngSsystcm durchführen wollte; die Schiffahrt, besonders die nach den Colonien,
dnrch hohe Schutzzölle oder directe Verbote von aller nennenswerthen Concur-
renz, besonders der Engländer, anfänglich befreit, vermehrte sich in enormen Pro¬
gressionen, während die belgische nur sehr langsame-Fortschritte machte; Amsterdam
und Rotterdam wurden wiedc»! die Weltmärkte für Kaffee und Gewürze, sogar
für England, und die holländischen Zuckerrafsinerien hatten aus allen Märkten den
ersten Platz.

Die Production Javas ward durch das vom Generalgouvemeur von Bosch
eingeführte Cultursystem ganz enorm gesteigert, zugleich aber auch das Colouial-
monopvlsystem für alle Zeiten unabänderlich gemacht, wenn man steh nicht an
Deutschland anschließen wollte; den» die großen Vortheile, welche die niederlän¬
dische Regierung seit der Einführung des Cultursystems aus dem Verkauf ih^r
ostindischen Producte zieht, beruhen lediglich auf den geringen Productionskosten,
welche die von den mit 13 Cents Tagelohn bezahlten und zu einer Unzahl von
unbezahlten Diensten verpflichteten Javanern zwangsweise gebauten Producte ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97664"/>
          <p xml:id="ID_1116" prev="#ID_1115"> bunteren Theil Limbnrgs steh bereitete; man erwog auch nicht, daß die Aus¬<lb/>
legung des &#x201E;.la-Mr' .'^ l-r in«r" und die Erhöhung der Eingangösteucr auf deutsche<lb/>
Producte, weit mehr im Interesse Belgiens, als-der nördliche» Niederlande ge¬<lb/>
schehen waren, da die Sperrung der freien Nheinschiffahrt den überseeischen<lb/>
Nheiuhandel außer nach Belgien, anch nach Bremen (woher das Aufblühen des<lb/>
dortigen TabaksgeschäftS) und nach Hamburg ableitete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1117"> So, auch vo» Deutschland verkannt und ungeschützt, stand das niederlän¬<lb/>
dische Volk ohne irgend einen Bundesgenossen, ganz isolirt in dem europäischen<lb/>
Staatensysteme nud, wie die meisten glaubten, zum langsamen Untergänge unter<lb/>
der Last seiner riesigen Staatsschulden bestimmt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1118"> Aber es kam alles ganz anders, als man gedacht hatte. Die Niederländer<lb/>
isolitcn sich und ihre Colonien von dem andern Europa politisch und commerzicll<lb/>
soviel als immer möglich, und beschlossen zu erproben, was sie unter dem Schutz<lb/>
eines strengen Handelsmonopols und strengster Neutralität bei allen europäischen<lb/>
Fragen mit ihren Colonien, Capitalien, Schiffen und Handelskenntnissen leisten<lb/>
könnten; der ruhmvolle Kampf gegen Belgien, das Gefühl, von der ganzen Welt<lb/>
verlassen zu sein, die nen erwachte Erinnerung früheren Ruhms und die Befreiung<lb/>
von den der Niederlande zu Gunsten Belgiens auferlegten commerziellen Fesseln<lb/>
riefen bald einen wunderbaren Aufschwung des materiellen wie geistigen Zustandes<lb/>
der Nation hervor.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1119"> Die der belgischen Industrie geliehenen holländischen Capitalien, Handlungs-<lb/>
häuser und Schiffe zogen sich nach Holland zurück. Die Handelöiuaatschappy<lb/>
gründete mit ihren aus der belgischen Industrie zurückgezogenen Capitalien die<lb/>
für die Versorgung der Colonien nöthigen Fabriken, freilich mit allen Nachtheilen<lb/>
einer Schuhindustrie, aber nothgedrungen, wenn man das angenommene Jso-<lb/>
lirnngSsystcm durchführen wollte; die Schiffahrt, besonders die nach den Colonien,<lb/>
dnrch hohe Schutzzölle oder directe Verbote von aller nennenswerthen Concur-<lb/>
renz, besonders der Engländer, anfänglich befreit, vermehrte sich in enormen Pro¬<lb/>
gressionen, während die belgische nur sehr langsame-Fortschritte machte; Amsterdam<lb/>
und Rotterdam wurden wiedc»! die Weltmärkte für Kaffee und Gewürze, sogar<lb/>
für England, und die holländischen Zuckerrafsinerien hatten aus allen Märkten den<lb/>
ersten Platz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1120" next="#ID_1121"> Die Production Javas ward durch das vom Generalgouvemeur von Bosch<lb/>
eingeführte Cultursystem ganz enorm gesteigert, zugleich aber auch das Colouial-<lb/>
monopvlsystem für alle Zeiten unabänderlich gemacht, wenn man steh nicht an<lb/>
Deutschland anschließen wollte; den» die großen Vortheile, welche die niederlän¬<lb/>
dische Regierung seit der Einführung des Cultursystems aus dem Verkauf ih^r<lb/>
ostindischen Producte zieht, beruhen lediglich auf den geringen Productionskosten,<lb/>
welche die von den mit 13 Cents Tagelohn bezahlten und zu einer Unzahl von<lb/>
unbezahlten Diensten verpflichteten Javanern zwangsweise gebauten Producte ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0418] bunteren Theil Limbnrgs steh bereitete; man erwog auch nicht, daß die Aus¬ legung des „.la-Mr' .'^ l-r in«r" und die Erhöhung der Eingangösteucr auf deutsche Producte, weit mehr im Interesse Belgiens, als-der nördliche» Niederlande ge¬ schehen waren, da die Sperrung der freien Nheinschiffahrt den überseeischen Nheiuhandel außer nach Belgien, anch nach Bremen (woher das Aufblühen des dortigen TabaksgeschäftS) und nach Hamburg ableitete. So, auch vo» Deutschland verkannt und ungeschützt, stand das niederlän¬ dische Volk ohne irgend einen Bundesgenossen, ganz isolirt in dem europäischen Staatensysteme nud, wie die meisten glaubten, zum langsamen Untergänge unter der Last seiner riesigen Staatsschulden bestimmt. Aber es kam alles ganz anders, als man gedacht hatte. Die Niederländer isolitcn sich und ihre Colonien von dem andern Europa politisch und commerzicll soviel als immer möglich, und beschlossen zu erproben, was sie unter dem Schutz eines strengen Handelsmonopols und strengster Neutralität bei allen europäischen Fragen mit ihren Colonien, Capitalien, Schiffen und Handelskenntnissen leisten könnten; der ruhmvolle Kampf gegen Belgien, das Gefühl, von der ganzen Welt verlassen zu sein, die nen erwachte Erinnerung früheren Ruhms und die Befreiung von den der Niederlande zu Gunsten Belgiens auferlegten commerziellen Fesseln riefen bald einen wunderbaren Aufschwung des materiellen wie geistigen Zustandes der Nation hervor. Die der belgischen Industrie geliehenen holländischen Capitalien, Handlungs- häuser und Schiffe zogen sich nach Holland zurück. Die Handelöiuaatschappy gründete mit ihren aus der belgischen Industrie zurückgezogenen Capitalien die für die Versorgung der Colonien nöthigen Fabriken, freilich mit allen Nachtheilen einer Schuhindustrie, aber nothgedrungen, wenn man das angenommene Jso- lirnngSsystcm durchführen wollte; die Schiffahrt, besonders die nach den Colonien, dnrch hohe Schutzzölle oder directe Verbote von aller nennenswerthen Concur- renz, besonders der Engländer, anfänglich befreit, vermehrte sich in enormen Pro¬ gressionen, während die belgische nur sehr langsame-Fortschritte machte; Amsterdam und Rotterdam wurden wiedc»! die Weltmärkte für Kaffee und Gewürze, sogar für England, und die holländischen Zuckerrafsinerien hatten aus allen Märkten den ersten Platz. Die Production Javas ward durch das vom Generalgouvemeur von Bosch eingeführte Cultursystem ganz enorm gesteigert, zugleich aber auch das Colouial- monopvlsystem für alle Zeiten unabänderlich gemacht, wenn man steh nicht an Deutschland anschließen wollte; den» die großen Vortheile, welche die niederlän¬ dische Regierung seit der Einführung des Cultursystems aus dem Verkauf ih^r ostindischen Producte zieht, beruhen lediglich auf den geringen Productionskosten, welche die von den mit 13 Cents Tagelohn bezahlten und zu einer Unzahl von unbezahlten Diensten verpflichteten Javanern zwangsweise gebauten Producte ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/418
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/418>, abgerufen am 03.07.2024.