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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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einzudringen, die kleinen Werke der Detail-Kriegführung mit den großen leitenden
des Feldzuges in Verhältniß zu stellen und die Höhe seines Urtheils, in wech¬
selnden Situationen, bleibend auf einem Niveau zu erhalten. Wenn diese
Eigenschaften minder hervorgeleuchtet haben, so liegt die Schuld in der Ungunst
der Umstände, die denjenigen, der als Chef zu commandiren verdiente, in eine se-
cundäre Stellung warf, und andere, die vom Feldherrn nicht mehr besaßen, als
die Aeußerlichkeiten einer militärischen Persönlichkeit, wie Görgcy, an die Spitze,
des Ganzen stellte. Man sagt mir, daß George Klapka ein Mann von über
mittlerer Größe, von breiter Brust, schwarzem Kops- nud Barthaar, ebenso dunk¬
len, aber etwas entzündeten oder vom Studium angegriffenen Augen und im
ganzen eine einnehmende Erscheinung, dabei rückhaltend und bescheiden sei. So
wenig ich für die ungarische Sache Sympathien habe (ganz einfach darum uicht,
weil ich ein Deutscher bin), so muß ich bekennen, daß dieser Mann mein lebhaf¬
testes Interesse für sich rege gemacht hat und erhält.

, In Betreff der Donauarmee sind alle Arrangements mehr in die Hände
Omer Paschas, wie in diejenigen des hiesigen Kriegsministers gelegt. Außerdem
ist jener kein Freund des Senaskers Risa Pascha. Das Heer in Bulgarien hat
Ende Decembers bedeutende Verstärkungen an sich gezogen (es waren 19 bis 21
Bataillone, die über Adrianopel dirigirt wurden) und seitdem sind ohne Unterlaß
Zuzüge von hier nach dem Balkan abgegangen. Diese neu hinzugetretenen
Massen müssen bei weitem den Abgang an Gebliebenen und Verwundeten und an
Kranken überwiegen. Wenn man daher die Donanarmee im Herbst bereits auf mehr
wie 100,000 Mann schätzen mußte, darf man sie, im gegenwärtigen Moment,
die Mannschaften in den Spitälern, wie alle Nichtkombattanten ungerechnet, wol
auf uicht weniger als 110,000 Mann abschätzen. Von der Dislocation dieser
Massen gab ich für Ihre Leser in einem meiner Briefe aus der ersten Hälfte
vorigen Monats eine Uebersicht. Seitdem hat sich nur wenig darin geändert.
Hauptquartier ist immer noch Schumla, und da Rnstschuck auf der ganzen Donau¬
linie der ihm zunächst gelegene Punkt ist, zu dem außerdem' über Rasgrad eine
bequeme Straße hinführt, so begibt sich Omer Pascha, so oft er sich an der
äußeren Vertheidigungslinie zu zeigen für angemessen erachtet, dorthin. Er be¬
befindet sich daselbst außerdem ziemlich in der Mitte zwischen seinen beiden Flügeln,
deren extremste Enden bei Widdin (Kalafat) und Tultscha steheu, und hat
Giurgewo, wo die Russen seither das meiste Material anhäuften, und das sie
demnach wahrscheinlicherweise zum demnächstigen Hauptausgaugspuukte sür ihre
Operationen machen dürften, dicht gegenüber. Endlich liegt Bukarest, der Durch-
gangspunkt sür alle russischen Heeresbewegungen und Sitz des Hauptquartiers
des Fürsten Gortschakoff, nur einen starken Tagemarsch von Rnstschuck (Giurgewo)
entfernt.

Wie Sie sehen, herrscht in den Arrangements der beiden feindlichen Heeres-


einzudringen, die kleinen Werke der Detail-Kriegführung mit den großen leitenden
des Feldzuges in Verhältniß zu stellen und die Höhe seines Urtheils, in wech¬
selnden Situationen, bleibend auf einem Niveau zu erhalten. Wenn diese
Eigenschaften minder hervorgeleuchtet haben, so liegt die Schuld in der Ungunst
der Umstände, die denjenigen, der als Chef zu commandiren verdiente, in eine se-
cundäre Stellung warf, und andere, die vom Feldherrn nicht mehr besaßen, als
die Aeußerlichkeiten einer militärischen Persönlichkeit, wie Görgcy, an die Spitze,
des Ganzen stellte. Man sagt mir, daß George Klapka ein Mann von über
mittlerer Größe, von breiter Brust, schwarzem Kops- nud Barthaar, ebenso dunk¬
len, aber etwas entzündeten oder vom Studium angegriffenen Augen und im
ganzen eine einnehmende Erscheinung, dabei rückhaltend und bescheiden sei. So
wenig ich für die ungarische Sache Sympathien habe (ganz einfach darum uicht,
weil ich ein Deutscher bin), so muß ich bekennen, daß dieser Mann mein lebhaf¬
testes Interesse für sich rege gemacht hat und erhält.

, In Betreff der Donauarmee sind alle Arrangements mehr in die Hände
Omer Paschas, wie in diejenigen des hiesigen Kriegsministers gelegt. Außerdem
ist jener kein Freund des Senaskers Risa Pascha. Das Heer in Bulgarien hat
Ende Decembers bedeutende Verstärkungen an sich gezogen (es waren 19 bis 21
Bataillone, die über Adrianopel dirigirt wurden) und seitdem sind ohne Unterlaß
Zuzüge von hier nach dem Balkan abgegangen. Diese neu hinzugetretenen
Massen müssen bei weitem den Abgang an Gebliebenen und Verwundeten und an
Kranken überwiegen. Wenn man daher die Donanarmee im Herbst bereits auf mehr
wie 100,000 Mann schätzen mußte, darf man sie, im gegenwärtigen Moment,
die Mannschaften in den Spitälern, wie alle Nichtkombattanten ungerechnet, wol
auf uicht weniger als 110,000 Mann abschätzen. Von der Dislocation dieser
Massen gab ich für Ihre Leser in einem meiner Briefe aus der ersten Hälfte
vorigen Monats eine Uebersicht. Seitdem hat sich nur wenig darin geändert.
Hauptquartier ist immer noch Schumla, und da Rnstschuck auf der ganzen Donau¬
linie der ihm zunächst gelegene Punkt ist, zu dem außerdem' über Rasgrad eine
bequeme Straße hinführt, so begibt sich Omer Pascha, so oft er sich an der
äußeren Vertheidigungslinie zu zeigen für angemessen erachtet, dorthin. Er be¬
befindet sich daselbst außerdem ziemlich in der Mitte zwischen seinen beiden Flügeln,
deren extremste Enden bei Widdin (Kalafat) und Tultscha steheu, und hat
Giurgewo, wo die Russen seither das meiste Material anhäuften, und das sie
demnach wahrscheinlicherweise zum demnächstigen Hauptausgaugspuukte sür ihre
Operationen machen dürften, dicht gegenüber. Endlich liegt Bukarest, der Durch-
gangspunkt sür alle russischen Heeresbewegungen und Sitz des Hauptquartiers
des Fürsten Gortschakoff, nur einen starken Tagemarsch von Rnstschuck (Giurgewo)
entfernt.

Wie Sie sehen, herrscht in den Arrangements der beiden feindlichen Heeres-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/389>, abgerufen am 22.07.2024.