Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.ziehend, davon. Die verblüfften Bürger des Städtchens zerstoben, als sie sahen, Burr war in gewissen Kreisen Südcarolinas immer noch beliebt, und hätte Endlich langte der Zug in Richmond an, und Burr wurde in das Gefängniß Zuletzt gab er seine Hoffnung ans und kehrte nach Neuyork zurück; aber Grenzboten. I. ->86i. "8
ziehend, davon. Die verblüfften Bürger des Städtchens zerstoben, als sie sahen, Burr war in gewissen Kreisen Südcarolinas immer noch beliebt, und hätte Endlich langte der Zug in Richmond an, und Burr wurde in das Gefängniß Zuletzt gab er seine Hoffnung ans und kehrte nach Neuyork zurück; aber Grenzboten. I. ->86i. »8
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97631"/> <p xml:id="ID_1022" prev="#ID_1021"> ziehend, davon. Die verblüfften Bürger des Städtchens zerstoben, als sie sahen,<lb/> wie die Männer der Escorte die Hähne ihre Pistolen und Büchsen spannten,<lb/> und Burr blieb in der Gewalt seiner Feinde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1023"> Burr war in gewissen Kreisen Südcarolinas immer noch beliebt, und hätte<lb/> Perkins irgend gezögert oder Furcht gezeigt, so würde er seinen Gefangenen un¬<lb/> zweifelhaft verloren haben. Aber die Naschheit seines Entschlusses und die Schnel¬<lb/> ligkeit seines Einschreitens gab dem Volke keine Zeit zur Ueberlegung, bis der<lb/> Zug längst den Ort aus den Augen verloren hatte. Hier machte man Halt.<lb/> Burr war in der höchste» Aufregung — er vergoß Thränen! Auch der gut¬<lb/> herzige Malone weinte, als er die unciufhalsam hervorbrechende Verzweiflung des<lb/> Mannes sah, der sich bisher verhalten hatte, als ob er ein ehernes Herz habe.<lb/> Es war das erste Mal, daß ein Sterblicher Aaron Burr unmännlich ge¬<lb/> sehen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1024"> Endlich langte der Zug in Richmond an, und Burr wurde in das Gefängniß<lb/> abgeliefert, wo die Damen der Stadt miteinander wetteiferten, zu seiner Bequem¬<lb/> lichkeit beizutragen. Die einen schickten ihm feines Obst, die andern Wäsche, und<lb/> von allen Seiten suchte man ihm seine Haft zu erleichtern. So kam der Tag<lb/> heran, wo er vor dem supreme Court der Vereinigten Staaten als des Hoch¬<lb/> verraths bezüchtigt gestellt wurde. Der Gerichtshof fand ihn in Mangel mehren<lb/> Verdachts nicht schuldig. Aber die Volksstimme erklärte ihn trotz dieser aber¬<lb/> maligen Freisprechung immer noch für einen Verräther, und so kann man seine<lb/> Abreise nach Europa, wohin er bald nach seiner Entlassung aus dem Gefängnisse<lb/> vor der Verachtung seiner Landsleute flüchtete, als eine Verbannung bezeichnen.<lb/> Noch hatte er seine Pläne ans Mexiko nicht aufgegeben, vielmehr versuchte er<lb/> erst England und dann Frankreich in dieselben zu verwickeln. Seine Anfragen<lb/> wurden sowol in London wie in Paris abgelehnt. In letzterer Stadt gingen<lb/> ihm endlich die Gelder aus. Er hatte keinen Freund, an den er sich hätte<lb/> wenden können, und sah sich infolge dessen eines Tages genöthigt, sich von einer<lb/> Cigarrenverkäuserin an der Ecke seiner Straße ein paar Sons zu leihen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1025" next="#ID_1026"> Zuletzt gab er seine Hoffnung ans und kehrte nach Neuyork zurück; aber<lb/> wie verschieden war der Empfang, der ihm jetzt wurde, von früher, wo er in den<lb/> Tagen seiner Glorie, als Vicepräsident über den Broadway gefahren war! Wer<lb/> ihn erkannte, maß ihn mit verächtlichen Blicken. Einstige Freunde bogen bei<lb/> seinem Nahen um die Ecke oder gingen auf die andere Seite der Straße, um<lb/> ihm uicht zu begegnen. Selbst die, denen er gefällig gewesen, wichen ihm wie<lb/> einem Pestkranken aus. Niemand war daheim, wenn er sich zu einem Besuche<lb/> melden ließ. Demungeachtet fühlte er sich noch nicht völlig allein und verlassen.<lb/> Noch lebte ihm eine Tochter, die zu allen Zeiten mit inniger Liebe an ihm ge¬<lb/> hangen hatte. Er schrieb ihr seine Ankunft, und sie eilte unverweilt von Char¬<lb/> leston, wo sie lebte, hinweg, den Vater in seinem Unglücke zu trösten. Aber</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. I. ->86i. »8</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0385]
ziehend, davon. Die verblüfften Bürger des Städtchens zerstoben, als sie sahen,
wie die Männer der Escorte die Hähne ihre Pistolen und Büchsen spannten,
und Burr blieb in der Gewalt seiner Feinde.
Burr war in gewissen Kreisen Südcarolinas immer noch beliebt, und hätte
Perkins irgend gezögert oder Furcht gezeigt, so würde er seinen Gefangenen un¬
zweifelhaft verloren haben. Aber die Naschheit seines Entschlusses und die Schnel¬
ligkeit seines Einschreitens gab dem Volke keine Zeit zur Ueberlegung, bis der
Zug längst den Ort aus den Augen verloren hatte. Hier machte man Halt.
Burr war in der höchste» Aufregung — er vergoß Thränen! Auch der gut¬
herzige Malone weinte, als er die unciufhalsam hervorbrechende Verzweiflung des
Mannes sah, der sich bisher verhalten hatte, als ob er ein ehernes Herz habe.
Es war das erste Mal, daß ein Sterblicher Aaron Burr unmännlich ge¬
sehen hatte.
Endlich langte der Zug in Richmond an, und Burr wurde in das Gefängniß
abgeliefert, wo die Damen der Stadt miteinander wetteiferten, zu seiner Bequem¬
lichkeit beizutragen. Die einen schickten ihm feines Obst, die andern Wäsche, und
von allen Seiten suchte man ihm seine Haft zu erleichtern. So kam der Tag
heran, wo er vor dem supreme Court der Vereinigten Staaten als des Hoch¬
verraths bezüchtigt gestellt wurde. Der Gerichtshof fand ihn in Mangel mehren
Verdachts nicht schuldig. Aber die Volksstimme erklärte ihn trotz dieser aber¬
maligen Freisprechung immer noch für einen Verräther, und so kann man seine
Abreise nach Europa, wohin er bald nach seiner Entlassung aus dem Gefängnisse
vor der Verachtung seiner Landsleute flüchtete, als eine Verbannung bezeichnen.
Noch hatte er seine Pläne ans Mexiko nicht aufgegeben, vielmehr versuchte er
erst England und dann Frankreich in dieselben zu verwickeln. Seine Anfragen
wurden sowol in London wie in Paris abgelehnt. In letzterer Stadt gingen
ihm endlich die Gelder aus. Er hatte keinen Freund, an den er sich hätte
wenden können, und sah sich infolge dessen eines Tages genöthigt, sich von einer
Cigarrenverkäuserin an der Ecke seiner Straße ein paar Sons zu leihen.
Zuletzt gab er seine Hoffnung ans und kehrte nach Neuyork zurück; aber
wie verschieden war der Empfang, der ihm jetzt wurde, von früher, wo er in den
Tagen seiner Glorie, als Vicepräsident über den Broadway gefahren war! Wer
ihn erkannte, maß ihn mit verächtlichen Blicken. Einstige Freunde bogen bei
seinem Nahen um die Ecke oder gingen auf die andere Seite der Straße, um
ihm uicht zu begegnen. Selbst die, denen er gefällig gewesen, wichen ihm wie
einem Pestkranken aus. Niemand war daheim, wenn er sich zu einem Besuche
melden ließ. Demungeachtet fühlte er sich noch nicht völlig allein und verlassen.
Noch lebte ihm eine Tochter, die zu allen Zeiten mit inniger Liebe an ihm ge¬
hangen hatte. Er schrieb ihr seine Ankunft, und sie eilte unverweilt von Char¬
leston, wo sie lebte, hinweg, den Vater in seinem Unglücke zu trösten. Aber
Grenzboten. I. ->86i. »8
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |